Düsseldorf Die Quallen-Forscherin

Düsseldorf · Verena Meis lehrt an der Uni als Dozentin. Und sie leitet das bundesweit einmalige "Qualleninstitut".

 Verena Meis steht im Aquazoo vor einem Becken mit faszinierend schimmernden Quallen. Sie beschäftigt sich literarisch mit den Lebewesen.

Verena Meis steht im Aquazoo vor einem Becken mit faszinierend schimmernden Quallen. Sie beschäftigt sich literarisch mit den Lebewesen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Kein Hirn, kein Herz, keine Knochen. Quallen sind nicht nur biologisch interessante Lebewesen. Doch warum sind sie ausgerechnet das Objekt ihrer Forschungs-Begierde? Verena Meis lacht und erzählt von den Anfängen des "Qualleninstituts", das sie 2015 gemeinsam mit der Medien- und Kulturwissenschaftlerin Kathrin Dreckmann gegründet hat. "Während eines Mallorca-Urlaubs herrschte ,Feuer-Quallen-Alarm'. Notgedrungen saßen wir am Pool. Weil ich gerade an einem Aufsatz schrieb, war ich auf der Suche nach einer Figur, die das Verhältnis von Körper und digitalem Raum auf der Bühne abbilden könnte. Da schien mir die Qualle, die bis zu 99 Prozent aus Wasser besteht, passend."

Aus der Schnapsidee wurde ein Habilitationsvorhaben: Unter dem Titel "Discomedusae: Die Qualle als Denk- und Bewegungsfigur" erforscht die gebürtige Mönchengladbacherin das Potenzial dieses durchscheinenden und selbstbefruchtenden Wesens. "Wir begreifen das in aller Regel bloß als monströs-giftige Erscheinung abgetane Tier als Denk-, Sound- und Bewegungsfigur in Medien, Kunst und Wissenschaft. Bewusst wird es zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis verortet. Und wir arbeiten eng mit bildenden Künstlern, Komponisten und Choreographen", betont die 35-Jährige, die hauptberuflich am Germanistischen Institut Literatur- und Theaterwissenschaften lehrt.

Die Qualle - es gibt 2500 verschiedene Arten - dient als Bild für die Verbindung zwischen Menschen und digitalem Raum, erklärt die Wissenschaftlerin, aber ebenso als choreographische Figur und ökologischer Seismograph. "Sie besteht ja zu über 90 Prozent aus Wasser. Somit ist sie ihre eigene Umgebung." Das Institut hat keinen festen Standort, taucht mal hier auf und streckt seine Tentakel mal dort aus. So kommende Woche bei der langen Nacht der Museen. Im FFT - Forum Freies Theater wird das Foyer in eine audiovisuelle Installation mit gelatinösen Klängen, Körpern und Visionen verwandelt.

Mit ihrer Faszination für die Meeresbewohner stehen Meis und Dreckmann keinesfalls alleine da. In der Popkultur taucht die Qualle häufiger auf - sei es nun bei Björk ("Oceania"), Element of Crime ("Michaela sagt") oder im israelisch-französischen Film "Jellyfish". Selbst für ihr eigenes Dasein findet Meis ein Quallenbild: "Ich bestehe zu 90 Prozent aus Kultur und umgebe mich auch damit."

Es ist der Spagat zwischen Forschung und Lehre auf der einen Seite und dem kulturellen Leben jenseits des Campus auf der anderen Seite, der Verena Meis reizt. Und weil das so ist, engagiert sie sich als Mitglied des Beirats des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen, im Beirat Tanz und Theater der Landeshauptstadt Düsseldorf, beim Förderverein FFT Düsseldorf, beim Heinrich-Heine-Salon, sie ist aktiv im Kölnischen Kunstverein, bei der Gesellschaft für Theaterwissenschaft und der für Medienwissenschaft - und sie wird künftig mehr Studenten ins Schauspielhaus lotsen: Michael Strahl, Vorsitzender des Freundeskreises Düsseldorfer Schauspielhaus (FDS), hat Verena Meis als Vorstandsmitglied etabliert und zur Beauftragten der Jugend berufen. Sie soll Brücken bauen zwischen Theater und Akademikernachwuchs.

Die Neugier auf immer Neues ist ihr Motor. Dabei überschreitet Verena Meis gern Grenzen, sucht nach neuen Denkmustern und bewegt sich wie eine Qualle geschmeidig durch verschiedene Disziplinen - Hauptsache alles ist Kultur.

(dh)
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