Mein Düsseldorf Die rheinische Großzügigkeit und ihre Folgen

Düsseldorf · Das Böllerverbot auf dem Burgplatz zu Silvester war längst überfällig. Auch an anderen Stellen gibt es in der Stadt noch Beispiele für eine falsch verstandene Toleranz.

Traurig, aber immerhin geschieht es endlich: Düsseldorf will in der Silvesternacht das öffentliche Böllern in der City verbieten, vor allem in der Altstadt. Das ist vernünftig und hätte schon vor Jahren kommen müssen. Aber offenbar ist keiner der Verantwortlichen jemals zwischen 23 Uhr am 31. Dezember und 2 Uhr am 1. Januar auf dem Burgplatz gewesen und hat live erlebt, was sich dort abgespielt hat. Vermutlich, weil es zu gefährlich war und man sich nicht, wie andere ängstliche Besucher, an die Hauswände drücken oder nach Deckung suchen wollte. In der Mitte blieb stets ein großer Platz frei, auf den von allen Seiten Böller geworfen wurde, aber in den sich gegenüber stehenden Menschentrauben machten sich viele einen Spaß daraus, auf andere mit Raketen zu schießen oder große Kracher in die Menge zu werfen. Beliebt auch das Zünden so genannter Heuler, die kreischend und unkalkulierbar umhersausen, bevor sie zu Boden fallen. In all den Jahren hat es durch glückliche Zufälle nur eine (offiziell bekanntgewordene) schwere Verletzung gegeben, aber unzählige kleine Blessuren und Verbrennungen. Vermutlich war das der Grund, warum man nicht - anders als jetzt - eingriff. Die rheinische Großzügigkeit wartet halt gerne, bis das Kind im Brunnen ist und hofft bis dahin auf das "et hätt noch immer jott jejange". Nun hat man in Köln gesehen, was passieren kann - sozusagen die nächste Eskalationsstufe.

Für diese falsch verstandene Toleranz gibt es in der Stadt aber noch eine Menge anderer Beispiele. Illegale Autorennen mitten in der Stadt (bisher, ebenfalls anders als in Köln, hier auch noch ohne Tote), auf Behindertenparkplätzen abgestellte Autos, kamikazeartig heranrasende Radler auf schnellen Rädern, rücksichtslos und schwere Verletzungen von Fußgängern in Kauf nehmend, stauauslösendes Parken in zweiter Reihe. Dies alles ist eine Art von Respektlosigkeit anderen gegenüber, die das Denken prägt: Gibt es keine Folgen für derlei Dreistigkeit, wird die Grenze dessen, was man sich herausnimmt, immer weiter gesteckt. Der alte Spruch "Wehret den Anfängen" ist nicht dumm, in New York begann man einst eine (am Ende) erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung mit der Kampagne "Zero tolerance" (und bestrafte sogar das Spucken auf den Gehweg!), aber bei uns muss es erst zu einer vorher nicht vorstellbaren Verbrechensserie wie Silvester in Köln kommen, bevor man sich auf bestehende Regeln besinnt und sie anwendet.

Siehe oben: traurig!

(RP)
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