Nobert Keusen "Die Röhrenwerke bleiben in Düsseldorf"

Düsseldorf · Der Chef von Vallourec (früher Mannesmann) über den Abbau von 600 Stellen bis 2017 und die Ursachen der Stahlkrise.

 Norbert Keusen ist Chef von Vallourec Deutschland. Überkapazitäten und der niedrige Ölpreis sind Gründe für den Abbau von 600 Stellen.

Norbert Keusen ist Chef von Vallourec Deutschland. Überkapazitäten und der niedrige Ölpreis sind Gründe für den Abbau von 600 Stellen.

Foto: A. Endermann

Herr Keusen, wie sehen die Pläne für den Stellenabbau konkret aus?

Keusen Wir planen den Abbau von bis zu 600 Stellen in unseren vier Werken sowie in der Verwaltung in Deutschland. Konkret betroffen sind die beiden Werke in Düsseldorf-Rath, das Werk in Reisholz und das in Mülheim. Das sind keine guten Nachrichten, das ist mir klar, aber unvermeidbar.

Gibt es betriebsbedingte Kündigungen?

Keusen Für die Umsetzung dieser Maßnahmen können wir betriebsbedingte Kündigungen ausschließen. Etwa ein Drittel der Stellen wird durch die Reduzierung der Mehrarbeit, also Überstundenabbau und die Verringerung der Leiharbeit erfolgen. Auch im Übrigen erfolgt der Stellenabbau sozialverträglich mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und in enger Abstimmung mit den Betriebsräten. Hierzu zählen insbesondere Altersteilzeit und vorzeitige Pensionierung. Entsprechende Vereinbarungen konnten wir bereits mit einem weiteren Drittel der betroffenen Belegschaft abschließen.

Wie verteilt sich der Stellenabbau?

Keusen Die unterschiedlichen Werke produzieren unterschiedliche Rohre. In Düsseldorf-Reisholz etwa werden die großvolumigen Rohre hergestellt. Dieses Segment ist von der aktuellen Krise weniger betroffen als die anderen. Deshalb wird der Stellenabbau Rath und Mülheim stärker treffen als Reisholz.

Wird auch die Zahl der Auszubildenden reduziert?

Keusen Nein, wir haben die Zahl der Azubis im vergangenen Ausbildungsjahr bereits unserem geringeren Bedarf angepasst. Im neuen Ausbildungsjahr wurden 70 statt 78 neue Auszubildende eingestellt.

Bis wann sollen die Sparmaßnahmen abgeschlossen sein?

Keusen Konzernweit müssen wir 350 Millionen Euro an Kosten einsparen. Das wollen wir bis zum Jahr 2017 abgeschlossen haben. Konkret heißt das an den Standorten, dass auch beispielsweise die Zahl der Schichten von drei auf zwei zurückgenommen wird.

Welcher Standort wird geschlossen?

Keusen Kein einziger. Das kann ich Ihnen versichern. Die Röhrenwerke bleiben in Düsseldorf und Mülheim.

Wieso sind Sie sich da so sicher?

Keusen Ziel von Vallourec ist unter anderem eine Stärkung der Lokalisierung. Die Produktion muss, wenn sie wirtschaftlich sein soll, so nah wie möglich am Kunden sein. Deshalb wird es auch bei geringerer Nachfrage immer Werke in Deutschland geben, um den europäischen Markt zu bedienen. Außerdem werden in jedem Werk andere Abmessungen von Rohren gefertigt. Eine Kompensation der Produktion eines Werks durch ein anderes ist schlicht nicht möglich. Das ist nicht wie bei einem Autobauer, der anstatt eines Golfs im gleichen Werk morgen einen Geländewagen baut.

Wieso sind diese Sparmaßnahmen dann überhaupt notwendig?

Keusen Es gibt eine weltweite Überkapazität an Werken zur Produktion von nahtlosen Rohren. In allen Staaten der Erde gibt es zusammen eine Kapazität zur Produktion von über 50 Millionen Tonnen. Ausgelastet sind davon derzeit nur 30 Millionen Tonnen. Das gilt analog für den für die deutschen Werke relevanten europäischen Markt. Die Kapazität für Stahlrohre liegt bei sechs Millionen Tonnen pro Jahr, nachgefragt werden aber zurzeit nur vier Millionen Tonnen.

Trotz Überkapazität hat Ihr Konzern aber ein Werk in den USA gebaut...

Keusen Das ist richtig und auch sinnvoll gewesen. Wir haben ein bestehendes Werk in den Vereinigten Staaten gekauft und ein weiteres neues gebaut. Dort werden Rohre für die Erdöl- und Erdgasexploration in den USA gefertigt. Sowohl aufgrund schnellerer Lieferzeiten als auch aufgrund der Tatsache, dass es einfacher ist, innerhalb des Dollar-Währungsraumes ohne Wechselkursschwankungen zu handeln, war das eine sinnvolle Entscheidung. Rohre aus Düsseldorf oder Mülheim dorthin zu liefern wäre schlicht nicht wirtschaftlich. Die Entscheidung, in den USA zu bauen war richtig, weil das der wichtigste Wachstumsmarkt ist, neben Lateinamerika. Der chinesische Markt stagniert. Der Europäische ist sogar deutlich rückläufig.

Doch die Exploration von Erdöl ist stark zurück gegangen...

Keusen Das ist der zweite Teil der Krise in unserer Branche. Der Ölpreis ist auf einem historischen Tiefstand. In vielen Gegenden lohnt die Gewinnung zurzeit nicht. Daher werden auch weniger Rohre nachgefragt. Das belastet uns genauso wie alle unsere Konkurrenten, die heute schon Kurzarbeit fahren.

Wann ist eine Trendwende in Ihrer Branche in Sicht?

Keusen Allein in China sind neue Kapazitäten für 27 Millionen Tonnen nahtloser Rohre entstanden. Die Überkapazität muss abgebaut und der Nachfrage angepasst werden. Und außerdem wird der Ölpreis wieder steigen. Wann, das weiß keiner. Aber jeder, der lange im Geschäft ist, weiß, dass das so kommen wird. Mit den von uns eingeleiteten Maßnahmen werden wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens in Deutschland sichern und ausbauen und bestmöglich für die Zukunft vorbereitet sein.

Ist der Abbau von Personal eine Entscheidung gegen den Standort Düsseldorf?

Keusen Keineswegs. Vallourec Deutschland ist mit dem Standort Düsseldorf vollauf zufrieden. Er wird genau wie der in Mülheim erhalten. Auch an der Entwicklung des Forschungszentrums in Düsseldorf wird festgehalten. Dort wird es keinen Stellenabbau geben. Wir müssen weiter daran arbeiten, Marktführer zu bleiben, und dabei setzen wir auf Qualität im Premiumsegment.

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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