Amoklauf von Winnenden Die Schulen am Tag danach

Nach dem Amoklauf von Winnenden herrscht an den Schulen noch immer Fassungslosigkeit. Viele Lehrer stellten den Unterrichtstoff in den ersten Stunden zurück und redeten mit ihren Schülern über die Ereignisse. Wir haben mit Schulleitern in Düsseldorf gesprochen und sie gefragt, wie Schüler und Lehrer auf die Schreckensmeldungen reagiert haben. Ein Stimmungsbild.

Reaktionen auf den Amoklauf von Winnenden
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Foto: ddp

Nach dem Amoklauf von Winnenden herrscht an den Schulen noch immer Fassungslosigkeit. Viele Lehrer stellten den Unterrichtstoff in den ersten Stunden zurück und redeten mit ihren Schülern über die Ereignisse. Wir haben mit Schulleitern in Düsseldorf gesprochen und sie gefragt, wie Schüler und Lehrer auf die Schreckensmeldungen reagiert haben. Ein Stimmungsbild.

An der Carl-Benz-Realschule in Düsseldorf-Oberkassel diskutierten vor allem die Schüler in den höheren Klassen über den Amoklauf. "Wir haben heute morgen im Lehrerzimmer beschlossen, dass wir im Unterricht auf das Thema eingehen, wenn die Schüler es von sich aus ansprechen", sagt Schulleiterin Christiane Korfmacher-Zimmermann. "Wir wollten die Schüler nicht in Panik diskutieren."

Die Kinder in den unteren Klassen hätten den Amoklauf kaum thematisiert, in den höheren Klassen habe es mehr Gesprächsbedarf gegeben. "Die Diskussionen waren eher sachlich, viele Schüler haben zum Ausdruck gebracht, dass sie sich an unsere Schule sicher fühlen", so Korfmacher-Zimmermann. Die Carl-Benz-Realschule sei eine kleine, sehr familiär geführte Schule. "Das vermittelt Sicherheit", so die Rektorin, "auch wenn wir Erwachsenen natürlich wissen, dass es absolute Sicherheit niemals geben kann."

An der Freiherr-vom-Stein-Realschule in Düsseldorf-Bilk gab es heute vormittag um zehn Uhr eine Gedenkminute für die Opfer. "Ich hatte selbst heute morgen schon Unterricht in einer Klasse", sagt Schulleiter Roland Emmerlich. "Die Schüler sind sehr betroffen und können sich das gar nicht vorstellen. Wir haben darüber geredet, dass unsere Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen sind." Die Schule versuche außerdem, die Kinder und Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren.

"Wir haben klar gemacht, dass sie sich jederzeit an die Schulsozialarbeiterin oder an mich wenden können und dass Hinweise vertraulich behandelt werden", so Emmerlich. Für den Fall eines Amoklaufs gebe es an der Schule Notfallpläne.

Auch der Adolf-Reiswein-Schule, einer städtischen Gemeinschaftshauptschule in Düsseldorf-Oberbilk, herrscht erhöhte Aufmerksamkeit, um auffällige Schüler früh genug zu erkennen. Einige Lehrer fragten ihre Schüler im Unterricht, ob sie sich eine solche Tat auch an der Reiswein-Schule vorstellen könnten. "Da wurden einige Namen genannt. Mit diesen Schülern werden sich die Lehrer nun einmal näher beschäftigen", sagt Schulleiter Rolf-Jürgen Bräer. Es handle sich dabei bis auf eine Ausnahme um Schüler mit guten Noten, die eher still und unauffällig seien.

Brigitte Vinke sagt: "Man überlegt natürlich, inwieweit man an der Schule selbst betroffen sein könnte. Ich weiß nicht, ob Amokläufe ganz verhindert werden können. Aber man muss auf jeden Fall immer versuchen, das Ohr nah an jedem Kind zu haben." Vinke ist stellvertretende Schulleiterin am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium in Düsseldorf-Benrath. Eventuell werde es einen Gedenkgottesdienst für die Opfer von Winnenden geben, wenn die Schüler das Bedürfnis danach hätten.

Am Kopernikus-Gymnasium in Ratingen-Lintorf wurde heute Vormittag eine Schweigeminute gehalten. "Das war auch mein persönlicher Wunsch", so Schulleiter Detlev Lewen. Insgesamt habe heute das Gespräch mit den Schülern jederzeit Vorrang vor dem regulären Unterricht. "In der ersten Stunde hatten die Siebtklässler heute schon viele Fragen an mich", sagt Lewen. Auch sehr konkrete, etwa wie sich eine Lautsprecherdurchsage bei einem Amoklauf anhören würde. Die Kreispolizei habe nach dem Amoklauf in Emsdetten Notfallpläne erstellt und den Schulen detaillierte Handlungsanweisungen gegeben, sagt der Schulleiter.

Einlasskontrollen hielte Lewen am Kopernikus-Gymnasium für nicht durchführbar, da das Zentrum neun Eingänge hat. Allgemein bewerte er den Schutz einer Vielzahl von Schülern und Lehrern aber höher als den Öffentlichkeitscharakter einer Schule. Erst am Tag zuvor habe er einen Fremden gebeten, das Gebäude zu verlassen. "Der Mann stand in der Pausenhalle, weil sein Kleinkind die Schule mal sehen wollte. Er hatte offenbar gar nicht darüber nachgedacht, aber bei Fremden müssen wir eben vorsichtig sein", sagt der Direktor.

Michael Schlemminger-Fichtler, den Schulleiter der Peter-Ustinov-Gesamtschule in Monheim, erreichte heute morgen schon um sieben Uhr die E-Mail einer Schülerin, die ihre Hilflosigkeit äußerte. Um zehn Uhr berief Schlemminger-Fichtler eine außerordentliche Lehrerversammlung ein. "Ich habe alle Lehrer dazu aufgefordert, in allen Klassen in angemessener Form der Opfer zu gedenken und das Geschehene zu besprechen, ohne Panik zu verbreiten." Im Vordergrund sollte dabei die Frage stehen: "Was können wir an unserer Schule tun?"

Der langjährige Schulleiter mit fast 40-jähriger Berufserfahrung, dem man seine persönliche Betroffenheit deutlich anhört, äußert als persönliches Credo: "Jeder Lehrer ist verpflichtet, jedem Schüler persönliche Anerkennung zu vermitteln. Ich versuche in meinem Unterricht, gerade die schwachen Schüler im übertragenen Sinne zu 'knuddeln'". Zeitdruck, Überforderung der Lehrer und mangelnde Unterstützung in den Elternhäusern kennt der Schulleiter zwar. Als Ausreden für Resignation und fehlenden Einsatz lässt er diese Probleme aber nicht gelten.

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