Düsseldorf Die Spieleschmiede am Wehrhahn

Düsseldorf · Das Computerspiel-Studio Blue Byte arbeitet am nächsten Teil der berühmten "Siedler". Besuch in einer unterschätzten Boom-Branche.

 Huschang Etemadi-Zanganeh (v.l.), Edgar Bittencourt und Anton Schneider arbeiten am Aussehen der Siedler im neuen Computerspiel.

Huschang Etemadi-Zanganeh (v.l.), Edgar Bittencourt und Anton Schneider arbeiten am Aussehen der Siedler im neuen Computerspiel.

Foto: Andreas Endermann

Wolfgang Hatzinger muss dafür sorgen, dass sich Computerspieler nicht langweilen. Dann würden sie den neuen "Siedler"-Teil schnell wieder löschen, und wenn sich das herumspricht, hat Blue Byte ein Problem. Also sucht der Game Designer nach Ideen, wie sich die Kunden begeistern lassen. Manchmal programmiert er zum Test kleine Spiele, in anderen Fällen experimentiert er mit ein paar vollgekritzelten Kartons. Was passiert, wenn ein Bauernhaus 18 statt 16 Taler kostet? Macht es Sinn, wenn die Spieler untereinander handeln können? Bis "Die Siedler - Königreiche von Anteria" auf den Markt kommt, wird er noch viele Fragen dieser Art zu klären haben.

Hatzinger hat einen ungewöhnlichen Job, und er arbeitet bei einem Unternehmen, das in der Games-Branche zu den Großen gehört. Es hat in Düsseldorf seinen Sitz. In einem roten Bürogebäude mit Blick auf den Wehrhahn befinden sich die Büros von Blue Byte, das berühmt wurde mit eben jenen "Siedlern", einer Wirtschaftssimulation, in der man ein mittelalterliches Dorf managen und zur Regionalmacht entwickeln muss - jeder deutsche PC-Spieler kennt es. Der erste Teil kam 1993 auf den Markt, damals war die Firma noch eine kleine Klitsche in Mülheim. Heute hat das Unternehmen am Standort Düsseldorf mehr als 200 Mitarbeiter, dazu kommen 100 in Mainz. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Mitarbeiter verzehnfacht.

Blue Byte ist Teil einer boomenden Branche. Allein im ersten Halbjahr 2014 wurden nach Angaben des Branchenverbands BIU mit Computerspielen rund 800 Millionen Euro in Deutschland umgesetzt. Das ist eine Steigerung von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem wird dieser Zweig der Kreativwirtschaft kaum wahrgenommen - und leidet unter einem schlechten Image. "Viele Politiker denken immer noch nur an die Diskussion um Killer-Spiele", sagt Cyril Voiron, Director of Portfolio and Strategy bei Blue Byte. "Wir werden unterschätzt."

Auch in Düsseldorf geht es meist um Mode oder Werbung, wenn über die Kreativwirtschaft geredet wird. Dabei ist Blue Byte nicht das einzige Games-Unternehmen. Es gibt rund 30 Firmen. Und es werden mehr: Gerade hat der in Hamburg ansässige Spieleentwickler Daedalic, der vor allem für Adventures bekannt ist, eine Niederlassung eröffnet. Bald folgt Innogames, ein Spezialist für Online-Spiele. Auch in Köln und im Ruhrgebiet sind etliche Firmen ansässig.

Für den Standort Düsseldorf spricht aus Sicht von Blue Byte vor allem der Flughafen. Die Firma, die inzwischen zum französischen Unternehmen Ubisoft gehört, ist international: Rund 40 Prozent der Mitarbeiter kommen aus dem Ausland, sie stammen aus 28 Nationen. Wenn man durch die Flure geht, fällt einem noch etwas anderes sofort auf: Die Games-Branche ist immer noch eine Männerwelt. Der Anteil von Frauen liegt nach Angaben des Unternehmens bei rund 20 Prozent, so hoch war er noch nie.

Das wichtigste Produkt, an dem Blue Byte zurzeit arbeitet, ist der nächste "Siedler"-Teil. Rund 50 Mitarbeiter tüfteln für zwei Jahre an "Königreiche von Anteria". Auf den ersten Blick ähneln sich die Büros, in denen an dem Spiel gearbeitet wird. Gruppen von Männern sitzen vor großen Computerbildschirmen, an den Wänden hängen Skizzen. Die Fensterscheiben sind mit Post-it-Zetteln beklebt, Erinnerung an einen skurrilen Wettstreit unter Computerfirmen, der im Internet viel Beachtung fand. Der Sauerstoffgehalt der Luft hält sich in Grenzen.

Die Aufgaben sind aber zwischen den Büros klar verteilt. Das erste "Siedler"-Spiel hatte ein Programmierer noch fast im Alleingang entwickelt - inzwischen handelt es sich um eine hoch spezialisierte Branche mit vielen eigenen Studiengängen. Da gibt es den Raum mit den GameDesignern wie Wolfgang Hatzinger, die das Konzept für die Spielwelt entwickeln. Nebenan findet man die "Artists" wie Edgar Bittencourt. Der schaut sich mit seinen Kollegen russische Kunst aus dem 16. Jahrhundert an, um Inspirationen für die Spielfiguren in der Siedlerwelt zu finden. In einem anderen Raum werden die virtuellen Landschaften erstellt. Und dann gibt es noch das Zimmer mit den Programmierern. Die sind dafür verantwortlich, dass der Spaß nicht jäh mit einer Fehlermeldung endet.

Wichtigster Geschäftszweig sind immer noch die Kauf-Spiele für PC. Dass sich die Mitarbeiterzahl so stark erhöht hat, liegt aber auch daran, dass sich neue Märkte aufgetan haben. Inzwischen bietet die Firma eine Online-Version der "Siedler", die sich kostenlos übers Internet spielen lässt und in Düsseldorf gemanagt wird. So etwas gibt es auch für die "Anno"-Reihe, eine weitere erfolgreiche Wirtschaftssimulation, die Bluebyte betreut. Das Studio arbeitet auch an anderen Ubisoft-Titeln mit, etwa dem Action-Adventure "Assasin's Creed".

Daneben sucht man immer wieder nach neuen Geschäftszweigen, derzeit experimentiert man mit Spielen für Apple-Produkte. "Der Markt verändert sich rasant", sagt Studiomanager Benedikt Grindel. In der Spielebranche sei es immer noch möglich, mit neuen Ideen großen Erfolg zu haben - wenn man es schafft, die Spieler zu begeistern.

(RP)
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