Kolumne "Die Woche in Düsseldorf" Die Verletzlichkeit der Großstadt

Düsseldorf · Bahnstreik, Baustellen, Probleme der Rheinbahn und fliegende Frikadellen. Wie wichtig das Thema Infrastruktur für Düsseldorf ist, zeigte sich selten so wie in den vergangenen Tagen. Dabei spielen nicht nur wirtschaftliche Aspekte eine Rolle.

Weil auf den Schienen nichts ging, lief es auch auf den Straßen nicht: Mehr Menschen als sonst nutzten das Auto, um nach Düsseldorf zu kommen.

Weil auf den Schienen nichts ging, lief es auch auf den Straßen nicht: Mehr Menschen als sonst nutzten das Auto, um nach Düsseldorf zu kommen.

Foto: Bretz, Andreas

Wie kompliziert und verletzlich unsere Welt ist, konnte man in dieser Woche am Düsseldorfer Hauptbahnhof sehen. Weil ein Gewerkschaftsfunktionär der Welt zeigen musste, wie stark er ist, standen tausende Menschen einigermaßen fassungslos vor dieser großen Tafel, auf der eigentlich angezeigt wird, mit wie viel Verspätung die Züge fahren. Auf den Straßen der Innenstadt stauten sich die Autos in langen Reihen, ebenso auf den Autobahnen, wo nervös von links nach rechts und wieder nach links hopsende Kleinwagenfahrer versuchten, noch halbwegs pünktlich zur Arbeit zu gelangen.

DPA vermeldete derweil den Ausfall einer Plenarsitzung im Landtag, da Abgeordnete und Mitarbeiter Probleme hätten, das Gebäude rechtzeitig zu erreichen, was natürlich nicht soooo tragisch ist. Doch wenn man sich einmal vorstellt, dass Menschen, die nützliche Dinge tun, wie Krankenschwestern, Bäcker oder Parfümeriefachverkäuferinnen dem Beispiel der Volksvertreter gefolgt wären - da kann man schon in eine leichte Panik verfallen.

Hinzu kommt die Aggressivität, die sich in der deutschen Großstadt steigert, je dichter der Verkehr ist. So wurde etwa in dieser Woche einem Imbissverkäufer am Bahnhof eine Frikadelle an den Kopf geworfen, nur weil sie dem Kunden nicht ganz durchgebraten schien. "Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen. Er fährt, um recht zu haben. Dem Polizisten gegenüber; dem Fußgänger gegenüber, der es übrigens ebenso treibt - und vor allem dem fahrenden Nachbarn gegenüber." Diese Erkenntnis stammt aus dem Jahr 1929 und ist von Kurt Tucholsky.

Man könnte nun sagen, seid nett zueinander, ertragt mit stoischer Gelassenheit, was nicht zu ändern ist, keep calm and carry on. Doch wenn Düsseldorf weiterhin die prosperierende Großstadt sein möchte, die sie ist, braucht die Stadt eine funktionierende Infrastruktur, dies wurde selten so offensichtlich wie in den vergangenen Tagen.

GDL-Streik: Leere im Kölner Hauptbahnhof, Gedränge bei den Bussen
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Da mögen fliegende Lebensmittel nur eine Petitesse sein, was schwerer wiegt, sind die wirtschaftlichen Gründe. Der Verkehr muss reibungslos verlaufen, innerstädtisch wie - beinahe noch wichtiger - außerhalb der Stadt. Hunderttausende kommen jeden Tag, sie bringen ihre Arbeitskraft, ihre Kreativität und nicht zuletzt ihr Geld hierher. Unser aller Bestreben muss sein, dass dies auch weiterhin möglich ist. Die Landeshauptstadt muss all ihren Einfluss geltend machen, damit Straßen ausgebaut, Schienenwege und Brücken saniert, die Menschen mit modernster, schnellster Technik in die Stadt hinein und wieder heraus kommen.

Wer an einem Freitagabend versucht, in eine andere Stadt zu reisen, weiß, dass da vieles im Argen liegt, selbst wenn niemand streikt. Die Bahn etwa hat ihre Hausaufgaben in den vergangenen Jahren unzureichend gemacht, die Sanierung der S-Bahnhöfe schleppt sich dahin, wie es um die Technik bestellt ist, werden wir spätestens in der nächsten Frostphase merken, wenn Stellwerke aus wilhelminischer Zeit modernen Verkehrsströmen gerecht werden müssen.

Auch die Rheinbahn könnte besser sein. Nicht überall fahren die schicken Niederflurbahnen, die vor dem Kö-Bogen besonders gut zur Geltung kommen. Und für behinderte wie alte Menschen ist der Weg aus den Stadtteilen der Peripherie oft beschwerlich. Nicht zu vergessen: Es gibt immer noch Menschen, die mit dem Auto in die Stadt müssen. Es sind die Pendler, die Besucher, die Auswärtigen. Und die Düsseldorfer, die darauf angewiesen sind, die Stadt mit dem Auto zu verlassen. Es gibt Dinge, die funktionieren mit dem Fahrrad nicht.

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