Serie Düsseldorfer Geschichten Die Welt im Miniaturformat

Düsseldorf · Seit mehr als 30 Jahren existiert das Düsseldorfer Modellbau-Team. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder zum Fachsimpeln. Ein Besuch.

 Mit strengen Blicken begutachten die Modellbauer Georg Reschke, Hauke Krapf, Andreas Coenen und Holger Ihms (v.l.) die Nachbildung eines Flugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg. Bei dem monatlichen Treffen geben sie einander Tipps, um ihre Modelle noch detailgetreuer zu gestalten.

Mit strengen Blicken begutachten die Modellbauer Georg Reschke, Hauke Krapf, Andreas Coenen und Holger Ihms (v.l.) die Nachbildung eines Flugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg. Bei dem monatlichen Treffen geben sie einander Tipps, um ihre Modelle noch detailgetreuer zu gestalten.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Es ist Sommer in Neuss. Nicht zu heiß, aber trotzdem schon warm genug für ein Eis. Die Bewohner des Altersheims Haus Nordpark haben sich deshalb auf Bänke und an Tische auf der Terrasse verteilt. Nur aus dem Saal gleich hinter der Großküche sind Stimmen zu vernehmen. Doch statt zu Senioren gehören diese zu einer Reihe von Männern mittleren Alters, die fröhlich schwatzend kleine Autos, Flugzeuge und Schiffe aus Baumwolltaschen und Plastiktüten auspacken, auf einen Tisch stellen und mit strengem Blick begutachten. Es sind die Mitglieder des Düsseldorfer Modellbau-Teams. Einmal im Monat treffen sie sich in dem Altersheim, um ihre Schätzchen aus Plastik zu präsentieren, über die neusten Bausätze auf dem Markt zu fachsimpeln und Ausflüge zu Modellbau-Messen in der ganzen Welt zu planen.

 Auch König Artus und die Ritter der Tafelrunde sind Motiv für ein Modell eines Team-Mitglieds.

Auch König Artus und die Ritter der Tafelrunde sind Motiv für ein Modell eines Team-Mitglieds.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Fast jedes Mal mit dabei ist Ulrich Kissmann. Der 57-Jährige organisiert die monatlichen Treffen der Modellbauer, ihre Ausflüge und Reisen. Selbst als er sich hinsetzt, ist er noch groß, hat ein breites Kreuz und riesige Hände. Auf seinem schwarzen Shirt prangt der Schriftzug "Japan 2015". Es ist eine Erinnerung an die bisher größte Reise der Truppe zur Modellbau-Messe in Shizuoka. "Ich bin so etwa seit 1984 hier im Team mit dabei", sagt er. Damals hieß die Gruppe noch Modellbau-Team Unterrath, gegründet im Jahr 1982 von drei Düsseldorfern. Nachdem sich immer mehr Modellbauer aus der ganzen Stadt anschlossen, benannte sie sich schließlich um in "Modellbau-Team Düsseldorf". "Bis vor zwei Jahren haben wir uns sogar noch in Unterrath getroffen, in einem Gebäude der Kirche", sagt Kissmann. Dann wurde das Gebäude jedoch aufgegeben, die Modellbauer wurden heimatlos. Weil aber einer von ihnen einen Verwandten im Haus Nordpark in Pflege hat, konnten sie schließlich dort in dem Saal hinter der Großküche unterkommen.

Der Treffpunkt ist Symbol für das große Problem der Modellbauer: Sie sind eine Gruppe am Rand der Gesellschaft, ihr Hobby ist hierzulande kaum noch verbreitet. "Es ist natürlich schwer, mitzuhalten", sagt Ulrich Kissmann. In seiner Kindheit sei Modellbau noch weit verbreitet gewesen, die einfachsten Bausätze habe man für wenige Pfennige am Kiosk kaufen können. Fast jedes Kind habe das gemacht, das Flugzeug oder das Auto dann aufgebaut und damit gespielt. Das beeindrucke heute kein Kind mehr. Warum auch? Es gibt schließlich Computerspiele noch und nöcher und wer gerne selbst handwerklich arbeiten will, kauft sich lieber einen Bausatz von Lego Technic, den er, wenn der Spaß vergangen ist, wieder auseinanderbauen und im Keller verstauen kann. Die Aussicht, stundenlang am Schreibtisch zu sitzen und winzige Plastikteilchen aneinanderzukleben und zu lackieren, reizt die Wenigsten. Umso wichtiger ist deshalb auch für Kissmann und seine Kollegen das monatliche Treffen. Es ist einer der wenigen Momente, der das Modellbauen gemeinschaftlich macht. "Basteln tut man ja alleine. Und es gibt auch Modellbauer, die das ausschließlich tun. Die nennen wir immer unsere Kellerkinder", sagt Kissmann.

 Elmar Bongard hat sein Modell eines Trucks genau nach dem Original gestaltet.

Elmar Bongard hat sein Modell eines Trucks genau nach dem Original gestaltet.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Mittlerweile ist es voll im Saal geworden, an den Tischen reiht sich Modell an Modell. Ein Mann hat König Artus und die Ritter der Tafelrunde aus Plastik gefertigt. Mehr darüber erzählen mag er nicht. Elmar Bongard dagegen schon: Der 49-Jährige hat den Nachbau eines Trucks der amerikanischen Firma Kenworth mitgebracht. Unzählige Arbeitsstunden hat er mit dem Bau des Modells verbracht, es sogar noch genauer dem Original nachempfunden, als es die Vorlage aus dem Bausatz erlaube. "Ich habe den Truck in einem Buch gefunden, und festgestellt, dass der Bausatz nicht das Original abbildet, sondern zwei Trucks miteinander kombiniert. Ich habe mich dann dafür entschieden, das Original nachzubauen", sagt er. Laien könnten bei genauem Hinschauen nicht erkennen, wo das Modell vom Original abweicht. "Aber wer nur ein wenig Ahnung davon hat, würde es sofort bemerken", sagt Bongard. Umso stolzer sei er deshalb, dass ihm das Modell so gut gelungen sei.

Sein Kollege Uwe Volkwein kann das gut nachvollziehen: "Das ist unser höchster Anspruch: mit dem Modell so nah wie möglich an das Original heranzukommen. Bis ins kleinste Detail", sagt er. Die Modelle werden so zu Miniaturversionen des Echten, was sie unterscheidet, sind bloß Material und Funktionstüchtigkeit. "Unser Team baut nur Modelle aus Plastik", sagt Ulrich Kissmann. Es gebe auch Modellbauer, die zum Beispiel mit Holz arbeiteten, aber da in seinem Team schon jegliche Formen erlaubt seien, müsse man sich wenigstens beim Material festlegen. Kissmann beispielsweise hat sich auf Autos und Lastwagen spezialisiert, Uwe Volkwein bastelt dagegen am liebsten Flugzeuge.

Das ist noch so ein Image-Problem der Modellbauer: Der Nachbau etwa von Flugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg mit Symbolen wie dem Hakenkreuz darauf haben ihnen den Ruf eingebracht, dies aus einer politischen Motivation heraus zu tun. "Das ist absolut nicht der Fall. Wir bilden nur Historie ab. Diese Flugzeuge hat es genauso gegeben wie Kriegsschiffe und Panzer anderer Nationen. Und wenn wir sie originalgetreu nachbauen wollen, müssen wir eben alles abbilden", sagt Uwe Volkwein. Aus Pietät würde man Hakenkreuze auf Messen aber abdecken. "Unsere ausländischen Kollegen verstehen uns dabei nicht. Im Gegenteil: Sie bringen uns sogar oft in Verlegenheit, denn sie stellen sogar richtige Schlachten des Zweiten Weltkriegs nach", sagt Volkwein.

Auch er baut schon seit frühster Kindheit die Modelle von Flugzeugen nach. Mittlerweile hat er zu Hause eine riesige Sammlung von Modellen, die er schon gebaut hat oder noch bauen muss. "Im Laufe der Zeit habe ich Hunderte Bausätze gekauft", sagt er. Zeit, sie alle aufzubauen, hatte er aber nicht, da waren ja schließlich noch Frau und Kinder. "Aber jetzt sind die Kinder groß, da habe ich wieder mehr Zeit", sagt der 56-Jährige. Ulrich Kissmann hat sogar eine eigene Wohnung nur für seine Modelle - ein teures Hobby. "Naja, es ist nicht teurer als andere Hobbys auch, sag ich immer." Anfänger-Bausätze kosteten um die zehn Euro, nach oben seien dem Ganzen dann keine Grenzen mehr gesetzt. Hinzu kommen die Kosten fürs Reisen: Während Modellbauer in Deutschland höchstens bei ein paar mittelgroßen Messen im Jahr in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, treffen sie im Ausland auf viele Gleichgesinnte. "Gerade in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden ist Modellbau ein beliebtes Hobby. Dort sind wir oft auf Messen", sagt Ulrich Kissmann. Ebenso gibt es einen Boom im asiatischen Raum: Vor wenigen Wochen erst haben die Clubmitglieder Japan besucht. Dort werden mittlerweile auch viele Bausätze hergestellt. "Das ist das Großartige an meinem Hobby: Wenn ich kein Modellbauer wäre, wäre ich vielleicht nie in dieses Land gekommen", sagt Kissmann. In Düsseldorf gebe es dagegen kaum Möglichkeiten, die mühevoll gestalteten Arbeiten zu präsentieren. "Wir haben ja auch kein Modellbau-Museum. Vor ein paar Jahren haben wir einmal Autos in der Classic Remise ausgestellt. Das war's dann aber auch."

Inzwischen sind alle Besucher des Treffens im Haus Nordpark eingetroffen. Gemeinsam schart man sich um verschiedene Modelle und diskutiert über die handwerkliche Ausführung. Um die 25 Modellbauer sind an diesem Nachmittag gekommen. Frauen sind nicht dabei. Das ist wieder so eine deutsche Eigenheit, sagt Kissmann: Im Ausland würden auch Frauen Modellbauen, in Japan hätte er sogar eine ganze Gruppe getroffen. "Warum das bei uns nicht so ist, weiß ich nicht. Willkommen ist jeder", sagt er. Denn wenn tatsächlich mal Neulinge zu ihnen kämen, dann seien sogar Frauen oft der Grund dafür. "Wenn wir zum Beispiel einen Stand auf einer Messe haben, sind es meist Frauen, deren Männer sich ganz schüchtern hinter ihnen verstecken, die uns dann berichten, ihr Mann würde so gerne einmal ein Modell bauen, traue sich aber nicht", sagt Kissmann. Außer über weibliche Modellbauer würde er sich aber auch über neue junge Kollegen freuen. "Von einem unserer Mitglieder macht mittlerweile sogar schon der Sohn bei uns mit", berichtet er stolz.

Eine erste Gelegenheit für alle Interessierten, die Modellbauer kennenzulernen, gibt es heute: Ab 15 Uhr treffen sie sich im Haus Nordpark an der Neusser Weyhe 90 in Neuss.

(lai)
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