Düsseldorf Drehkreuz für Flüchtlinge funktioniert

Düsseldorf · Seit 6. September 2015 kommen am Fernbahnhof des Düsseldorfer Flughafens Züge mit geflüchteten Menschen an. Fast 30.000 waren es bisher, von dort aus werden sie in ganz NRW verteilt. Längst klappt das nahezu reibungslos.

Drehkreuz Düsseldorf: Im Fernbahnhof am Flughafen kommen alle zwei Tage hunderte Flüchtlinge an.

Drehkreuz Düsseldorf: Im Fernbahnhof am Flughafen kommen alle zwei Tage hunderte Flüchtlinge an.

Foto: Anne Orthen

An Schlaf war in jenen Tagen Anfang September für die städtische Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch und die dutzenden Helfer von Stadt, Organisationen wie Diakonie oder Deutschem Roten Kreuz (DRK) sowie den vielen ehrenamtlichen Bürgern kaum zu denken. Ungarn hatte die Grenzen für die Flüchtlingsströme in Richtung Deutschland geöffnet - und in Düsseldorf kamen viele der Menschen an. Manche auf eigene Faust mit dem Zug am Hauptbahnhof, andere mit Bussen aus Dortmund, wo sich zu diesem Zeitpunkt das einzige Drehkreuz in Nordrhein-Westfalen befand, von dem aus die Ankommenden auf die Erstaufnahmen im Land und die Unterkünfte in den Kommunen verteilt wurden.

Nun war es nicht so, dass Koch und ihr Team nicht schon den ganzen Sommer über im Ausnahmemodus waren: Wöchentlich, manchmal täglich trafen Anweisungen des Landes ein, Platz für weitere Flüchtlinge zu schaffen. Doch Anfang September nahm das Tempo noch weiter zu. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) bot seinem Amtskollegen und Parteifreund aus Dortmund, Ulrich Sierau, als Amtshilfe an, im Wechsel von 24 Stunden am Fernbahnhof des Flughafens die Drehkreuzfunktion zu übernehmen.

Ging es in den ersten Tagen noch chaotisch zu, weil die organisatorische Abwicklung mit hunderten zeitgleich eintreffenden Flüchtlingen für alle Neuland war, lief es bald schon rund - und inzwischen funktioniert das Drehkreuz längst nahezu reibungslos. Rund 30.000 Flüchtlinge sind dort seit dem 6. September angekommen und im Land verteilt worden. Das Selbstverständliche ist selbst dem Rathaus kaum mehr eine Mitteilung wert.

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Foto: Dieter Weber

"Das Gute war, dass wir ohnehin schon einen regelmäßig tagenden Krisenstab hatten", sagt Miriam Koch. Bei diesen Treffen saßen Vertreter aus sämtlichen betroffenen städtischen Ämtern (von Gesundheit bis Schulverwaltung), Feuerwehr, Diakonie, DRK, Stadtwerken und Rheinbahn am Tisch. An jenem 6. September, einem Sonntag, wurde der Stab spontan zusammengerufen. "Es war klar, dass die Züge aus München nach NRW rollen und wir in Düsseldorf innerhalb von drei Tagen 1200 Notplätze schaffen müssen", sagt Koch. Die Runde saß eine Stunde zusammen, als der Hilferuf aus Dortmund kam.

Innerhalb weniger Stunden wurden Ehrenamtler und Mitarbeiter der Hilfsorganisationen zusammengetrommelt, in Dortmund machte man sich ein Bild davon, was benötigt wurde: warme Suppe, einen Bereich zum Beten, einen Wickelraum. In der ersten Nacht kamen etwa 900 Flüchtlinge am Fernbahnhof an, erschöpft nach der rund zwölfstündigen Fahrt.

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Foto: dpa, rwe jai

Hatte es bei den ersten Zügen noch massive Verspätungen gegeben - unter anderem, weil Flüchtlinge unterwegs aus Panik die Notbremse gezogen hatten - galt bald ein relativ zuverlässiger Fahrplan. "Es hat einige Tage gedauert, bis sich das eingespielt hat, aber schnell war klar, dass der Fernbahnhof dafür der ideale Standort ist", sagt Koch. In den nächsten Tagen wurde eine Messehalle für die Erstversorgung der Ankommenden klargemacht.

Alles ist durchorganisiert, pro 24-Stunden-Schicht sind um die 170 Leute im Einsatz - bei der Essensausgabe, als Dolmetscher, beim Verteilen von Babynahrung und warmer Kleidung. Inzwischen ist Köln als Drehkreuz hinzugekommen, wechselt sich mit Dortmund ab. Düsseldorf ist nach wie vor jeden zweiten Tag dran - und wickelt jeweils zwei Züge ab. Auch das ein besonderer Einsatz. Die Landeshauptstadt weiß um ihre Pflichten - aber nicht selbstlos: "Wir übernehmen die Verantwortung, das Land übernimmt die Kosten", sagt Koch. Sie und all die Helfer am Fernbahnhof stellen sich auf ein längerfristiges Engagement ein. Das Drehkreuz als Hauptjob. "Die Motivation ist nach wie vor sehr hoch", so Kochs Eindruck. "Wir brauchen aber Planbarkeit."

(dr)
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