Interview mit Elke Krüger "Drogenkuriere belasten auch die JVA"

Düsseldorf · Die neue Leiterin der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf im Gespräch über die Personalsituation, die durch die Überwachung verhafteter Kokainschmuggler im Krankenhaus angespannt ist, über fehlende Arbeitsangebote und Besuchsregelungen.

 Elke Krüger hat die Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt mitgeplant. Jetzt ist sie dort Leiterin - seit genau 100 Tagen.

Elke Krüger hat die Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt mitgeplant. Jetzt ist sie dort Leiterin - seit genau 100 Tagen.

Foto: andreas Bretz

100 Tage ist es her, dass Sie von der JVA Moers nach Düsseldorf wechselten. Vermissen Sie den alten Job?

Elke Krüger Nein. Das liegt aber weniger an Moers als daran, dass es mir hier gut geht.

Nun haben Sie ja auch einen ziemlich perfekten Arbeitsplatz vorgefunden...

Krüger ... einen modernen!

Jetzt sagen Sie nicht, dass Ihnen die Ulmer Höh' fehlt mit all ihren Unzulänglichkeiten.

Krüger Als ich in der Ulmer Höh' war, habe ich die gar nicht als so unzulänglich empfunden. Ich kannte aber fast nur sehr alte Anstalten.

Als stellvertretende Chefin haben Sie den Neubau noch selbst mit geplant. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Krüger Ich hatte mir eine durchgehend panoptische Kreuzbauweise gewünscht, die eine zentrale Überwachung ermöglicht. Aber das ging aus Brandschutzgründen nicht.

Und wäre besser, weil...?

Krüger Es hat vieles unkomplizierter gemacht, man begegnete sich da auch mal zufällig, die Kommunikation war einfacher. Jetzt haben wir schon recht lange Wege (lacht). Wenigstens ist es kein bewegungsarmer Arbeitsplatz.

Ursprünglich sollte die JVA Düsseldorf überwiegend Untersuchungsgefangene aufnehmen.

Krüger Das ist anders gekommen. Zurzeit haben wir mehr Strafgefangene, in erster Linie Kurzstrafler. Und wir haben immer mehr Leute, die Ersatzstrafen abbüßen, weil sie Geldstrafen nicht zahlen können.

Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Krüger Vor allem weniger Zeit, mit den Gefangenen zu arbeiten.

Heißt das, dass es jetzt mehr Arbeitsangebote gibt, als genutzt werden?

Krüger Oh nein. Im Gegenteil, ich wünschte, wir hätten mehr. Auch wenn jemand ein Jahr eingesperrt ist, ist es wichtig, einen Tagesablauf zu gestalten. Viele kennen das gar nicht. Vor allem für die Drogenkranken bauen wir gerade die Arbeitstherapie-Angebote aus, damit sie lernen, konzentriert und auch unter Zeitdruck zu arbeiten.

Wie sieht es mit bezahlter Arbeit aus?

Krüger Nicht gut. 30 Prozent der Gefangenen sind in Beschäftigung, arbeiten etwa in der Küche. Und wir haben einige wenige Firmenaufträge, wo es um wirklich einfache Arbeiten geht. Aber davon bräuchten wir viel mehr. Immerhin sind Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet. Und auch für Untersuchungsgefangene wäre Arbeit gut. Nicht nur, weil sie da ein paar Euro verdienen können, sondern vor allem, um beschäftigt zu sein.

Gibt es auch Ausbildungsmöglichkeiten?

Krüger Leider nur minimale, also Qualifikationen als Küchenhilfe oder in den Bereichen Holz- oder Elektroarbeiten. Große Bedeutung haben inzwischen Integrationskurse. Das sind 800 Stunden Unterricht, in denen es nicht nur um Sprache, sondern auch um Kultur, um Wertevorstellungen, auch um das Frauenbild, geht. Die Teilnahme daran wird vergütet, und Gefangene können sie auch draußen fortsetzen, wenn sie vor Abschluss entlassen werden. Nicht wenige müssen erst einmal die lateinische Schrift lernen, für die dauert der Kursus 900 Stunden.

Bereitet die Internationalität der Gefangenen im Haus Schwierigkeiten?

Krüger Sie meinen wegen der Sprache? Kaum. Die meisten können genügend Deutsch für den Alltag, und wir haben auch eine Reihe mehrsprachiger Mitarbeiter hier. Größer sind die Probleme mit der wachsenden Zahl der Touristen. Das sind die Drogenkuriere, die eigentlich überhaupt nichts mit Deutschland zu tun haben, nichts davon wissen, die nur als Kuriere herkommen.

Die sogenannten Bodypacker aus der Karibik?

Krüger Ja. Sie stellen uns auch vor ein personelles Problem. Diese Leute sind meist vollgestopft mit Kokain, sowie sie am Flughafen festgenommen wurden, müssen sie deshalb ins Krankenhaus. Wenn es eilig ist oder das Justizkrankenhaus in Fröndenberg keine Kapazitäten hat, kommen sie auf Intensivstationen in Düsseldorf, dann sind wir für die Bewachung zuständig.

Für wie lange?

Krüger Bis die Kokainbehälter ausgeschieden wurden - das sind drei Tage mit je drei Schichten und zwei Mitarbeitern pro Schicht. Das ist schon eine große Belastung. Denn in Düsseldorf kommen seit einiger Zeit besonders viele Kuriere an.

Und die Überwachung leisten Sie aus dem laufenden Betrieb?

Krüger Ja, die kommen dann von den durchschnittlich 179 Mitarbeitern, die hier Dienst haben. Der Leiter der Strafvollzugsabteilung im Ministerium hat mir aber jetzt zugesagt, dass diese Düsseldorfer Sondersituation bei den Personalzuweisungen berücksichtigt werden wird.

Wie wirkt sich die Belastung denn auf das Klima beim Personal aus?

Krüger Das ist allerdings etwas, was ich noch nie so erlebt habe: Die Bediensteten hier sind unglaublich engagiert, die gehen wirklich bis an die Grenzen ihrer eigenen Belastbarkeit. Da muss ich eher bremsen. Manche kommen, obwohl sie wirklich krank sind, nur weil sie sehen, dass sie gebraucht werden. Das ist wirklich großartig.

Und auf den Vollzug?

Krüger Wir mussten leider die Besuchszeiten einschränken, montags ist bei uns kein Besuch möglich. Denn auch dafür ist der Personalaufwand hoch, und das können wir zurzeit nicht leisten. Das ist sehr schade, denn der Besuch ist extrem wichtig für die Gefangenen.

Das Personalproblem haben Sie schon angepackt, was steht nach diesen ersten 100 Tagen noch auf ihrem Veränderungs-Zettel?

Krüger Ich möchte gern die Besuchsmöglichkeiten ausbauen, insbesondere für Kinder. Das wird ohnehin auf uns zu kommen, weil es einen entsprechenden Gesetzentwurf gibt. Wir wollen das aber schon vorher angehen, weil es sehr wichtig ist, dass die Väter den Kontakt zu ihren Kindern nicht verlieren - oder ihn überhaupt erst einmal aufbauen. Dafür brauchen wir pädagogische Betreuung, aber auch Räumlichkeiten, die kindgerechter sind. Wir werden demnächst unsere Ideen dazu im Ministerium präsentieren. Und dann natürlich das Arbeitsangebot.

Haben die Gefangenen denn daran wirklich Interesse?

Krüger Und wie. Das sieht man auch an den Freizeitaktivitäten. Für die Kochkurse hier sind die Wartelisten lang. Und sogar für's Häkeln. Da sitzen dann die harten Jungs und machen begeistert Handarbeiten. Daraus ist übrigens gerade eine Arbeitsmöglichkeit entstanden: Die "Knastmasche" übernimmt Aufträge für die "Häkelhelden" - das ist das Unternehmen - übrigens ausgerechnet von zwei Polizisten.

Voriges Jahr ist das traditionelle Sommerfest der JVA wegen der angespannten Personalsituation ausgefallen. Wird das dieses Jahr auch so sein?

Krüger Wir kriegen das hin. Ich habe mit der GMV (Gefangenenmitverantwortung, d. Red) gesprochen, die mir ihre Unterstützung zugesagt und einige tolle Ideen präsentiert hat. Natürlich bin ich da auf die Unterstützung sämtlicher Mitarbeiter angewiesen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, selbst wenn es nur für zwei Stunden ist.

STEFANI GEILHAUSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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