Düsseldorf Dürfen Jungs tanzen?

Düsseldorf · Wir haben Düsseldorfer Jungen gefragt, wie sie über Geschlechterklischees denken.

 Bernd Schneider (l.) betreut Marlon (12) und Reda (13) bei der Hausaufgabenhilfe im EJUZO-Jugendzentrum. In einem Interview befragten wir die beiden darüber, was sie für "männlich" und was für "weiblich" halten.

Bernd Schneider (l.) betreut Marlon (12) und Reda (13) bei der Hausaufgabenhilfe im EJUZO-Jugendzentrum. In einem Interview befragten wir die beiden darüber, was sie für "männlich" und was für "weiblich" halten.

Foto: Anne Orthen

Seit fünf Jahren ist das Familienministerium des Bundes um einen "Beirat für Jungenpolitik" reicher. Das Ergebnis aus den vergangenen zwei Jahren Arbeit hat der Dortmunder Professor Ahmet Toprak, Sozialwissenschaftler und Beiratsmitglied, in einem Vortrag im Stadtmuseum vorgestellt. Er sagt, dass sich die Gesellschaft noch nicht genug an die speziellen Bedürfnisse von Jungen angepasst hat. Die seien ihrerseits schon weiter als gedacht: Jungen aus bildungsnahen wie -fernen Milieus wüssten teilweise schon gut Bescheid über Geschlechterstereotype, und die Mannigfaltigkeit an Rollenbildern. Zeigt sich das auch im Gespräch mit Düsseldorfer Jugendlichen?

"Mädchen gehen eher shoppen", sagt Reda. Der 13-Jährige hat mehrere weibliche Freunde, gemeinsame Interessen verbänden sie aber nicht. "Ich war schon ein paar Mal mit, das war langweilig." Fußball und Playstation, das ist Redas Welt - und auch die seiner männlichen Freunde. "Ich spiele am liebsten Fifa", sagt Marlon. Dabei redet er von einem Fußball-Videospiel, das er und Reda nach den Hausaufgaben im Oberbilker Jugendzentrum EJUZO zocken. Regelmäßig kehrt Marlon auch mit seinen Freunden - "eher mit Jungs als mit Mädchen" - bei "Mäkkes" (McDonald's) ein. So gut wie alle seiner Klassenkameradinnen kämen geschminkt zur Schule, was den Zwölfjährigen kalt lässt: "Mich interessiert das nicht."

"Viele Jungen finden, dass die Bedeutung der äußeren Erscheinung sie von Mädchen abgrenzt", sagt Toprak. Die für eine aktuelle Studie befragten Jugendlichen hätten meist Dinge gesagt wie "Die stehen morgens eine halbe Stunde vor dem Spiegel." Typisch für Jungen sei nach Ansicht der Probanden, "offener" zu sein und Konflikte "direkter" zu lösen. Wenn es sein müsse, auch mit Gewalt. Wer vom Stereotyp abweicht, bekomme ein besonderes Instrument zur Disziplinierung zu spüren: Er gelte als "schwul". Die Befragten hätten angegeben, den Begriff als Totschlagargument und jenseits sexueller Zusammenhänge zu verwenden. "Da haben sie schon gut reflektiert", findet Toprak.

Niklas (16) macht seit elf Jahren Judo, noch nicht ganz so lange Jiu-Jitsu. Seit anderthalb Jahren besucht er auch einen Tanzkurs. Ein Freund, der seinerseits von einem Freund dazu überredet wurde, überzeugte Niklas zum Mitmachen. "Ich mache das nicht nur als Vorbereitung auf den Abiball, sondern auch, weil es mir Spaß macht", sagt der Görres-Gymnasiast. Zudem ist er davon überzeugt, als Mann zumindest die Standardtänze beherrschen zu müssen. Anfeindungen wegen seines Hobbys habe er sich noch nie stellen müssen. Seiner Identität als "typischer" Junge ist Niklas sich sicher: "Ich bin relativ impulsiv und manchmal nicht so einfühlsam." Früher habe es ihn auch gestört, im Sportunterricht zu wenig "normale" Sportarten wie Handball und Hockey zu haben - den Step-Aerobic-Stunden habe er wenig abgewinnen können.

Auch Zimmereinrichtungen und Hobbys würden laut den jungen Probanden in den meisten Fällen vom "sozialen Geschlecht" bestimmt. In der Schule seien Leistungen und Wahl der Fächer aus Sicht der Jungen vom Geschlecht abhängig. "Mädchen haben ihre Stärken eher im Argumentieren und Analysieren", glaubt Niklas. Darin sieht der Zwölftklässler auch den Grund, warum den Leistungskurs Deutsch fast nur Mädchen wählen. Die Stärke von Jungs? "Mathematik und logisches Denken."

"Stereotype Geschlechterrollen von Männern und Frauen haben unter Jungen Bestand", fasst Toprak seinen Vortrag zusammen. Dennoch sei den meisten Jungen bewusst, dass Menschen diesen Bildern meist nicht bewusst oder freiwillig entsprechen. "Sie sehen das kritisch", sagt Toprak, und zitiert einen Jugendlichen: "Man wird in diese Rollen gedrängt."

(RP)
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