Düsseldorfer Geschichten Als es beim Bäcker noch Altbier gab

Düsseldorf · Manfred Dresen hat die erste Geschichte des Brauwesens in Düsseldorf verfasst. Sie erzählt von den Anfängen des Altbiers und davon, wie das Bier im Waschkessel gebraut wurde und beim Bäcker über die Theke ging.

Düsseldorf: Historische Bilder von Brauereien und Brauwesen
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Historische Bilder zum Brauwesen in Düsseldorf

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Foto: Stadtarchiv

Es ist nicht so, dass die Düsseldorfer eines Tages mit dem Biertrinken angefangen hätten. Richtig ist vielmehr, dass einige biertrinkende Menschen ab 1288 plötzlich zur Stadt Düsseldorf wurden. Schon in der auf 874 datierten Gründungsurkunde des Stifts Gerresheim ist vom Bier für die Klosterfrauen die Rede, und selbst, wenn dieses Dokument eine Fälschung war und in Wahrheit erst einige Jahrhunderte später verfasst wurde, beweist es: Die Düsseldorfer und das Bier - das ist eine lange Geschichte.

Manfred Dresen (74) hat ihr in den vergangenen Jahren nachgespürt. Er hat in jahrelanger Fleißarbeit herausgefunden, dass fast in jedem Stadtteil mal ein Braukessel stand. Und er hat gemerkt, dass sich politisch und wirtschaftlich viel verändert hat - aber der Durst aufs Bier geblieben ist. Und auch, wenn Dresen bescheiden ist und meint, dass die erste Geschichte des Brauwesens in Düsseldorf immer noch geschrieben werden muss: Sein Bändchen, das der Düsseldorfer Geschichtsverein kürzlich herausgegeben hat, gibt den ersten Überblick zu dem Thema, das weitaus nicht so erforscht ist, wie man es in der Altbierstadt und Heimat der längsten Theke der Welt erwarten würde.

Für den 74-Jährigen ist das Forschungsprojekt auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Wie man Bier braut, muss Dresen niemand erklären. Mit 14 Jahren ging er 1958 in die Lehre bei Frankenheim. Der Vater arbeitete im Stammhaus an der Wielandstraße als Kellner, der Sohn absolvierte eine Ausbildung als Brauer und Mälzer. Dort erlebte er die Brauereikultur und die prägenden Persönlichkeiten in Düsseldorf aus erster Hand. "Die Brauereieigentümer waren eine elitäre Gesellschaft", erinnert er sich. Bei Frankenheim wurde übrigens damals auch Pils gebraut - so ungewöhnlich ist das aktuelle Pils-Experiment vom Füchschen also nicht.

Nach Stationen bei der Essener Aktienbrauerei, Gatzweiler, Dietrich und wieder Frankenheim wechselte Dresen die Branche und zur Kaufring AG. Dort war er Betriebsratsvorsitzender, als das Unternehmen 2002 in die Insolvenz ging. "Da suchte ich ein Hobby", sagt Dresen. Erstaunt stellte er fest, dass es zwar Standardwerke zum Brauereiwesen in Köln gibt, sich aber noch niemand systematisch dem Thema in Düsseldorf genähert hatte. Also widmete sich Manfred Dresen der Brauerei-Forschung.

Er spricht von einer Kärrnerarbeit: In alten Zeitungen und Amtsblättern hat er Hinweise darauf gesucht, wo sich Brauereien befunden haben, wann es Verkäufe oder Insolvenzen gab. Ein großer Teil seines Buchs besteht aus einer Auflistung dieser Daten. Allein in der Schadowstraße hat Dresen acht Brauereien ausgemacht. Bis ins 19. Jahrhundert handelte es sich meist um Bäcker, die in ihrer Stube auch das selbst gebraute Getränk ausschenkten. Gebraut wurde im Waschkessel und nur in den Wintermonaten, weil die Außentemperatur nicht zu hoch sein durfte. Untergäriges - also helles Bier wie Pils - gab es wegen der fehlenden Kühlung in Düsseldorf erst ab 1870.

Das Bierbrauen hat viele Spuren in der Stadt hinterlassen, hat Dresen festgestellt. Der "Eiskellerberg", auf dem die Kunstakademie steht, verdankt seinen Namen dem Umstand, dass die Brauer von der Ratinger Straße dort das Eis vom Hofgarten oder dem Rhein einlagerten, damit sie die Eisblöcke bis in den Sommer zur Kühlung der Gärmasse nutzen konnten. Das 1628 errichtete "Schiffchen" in der Carlstadt hat noch einen großen, doppeltürigen Eingang ums Eck, der daran erinnert, dass Düsseldorfs ältestes Restaurant früher auch eine Brauerei war. Und das Dietrich-Karree an der Duisburger Straße in Pempelfort trägt seinen Namen deshalb, weil sich dort früher die Dietrich-Brauerei befunden hat.

An den Rezepturen hat sich laut Dresen über die Jahrhunderte wenig geändert, nur das Wasser ist erheblich sauberer geworden. Wirtschaftlich änderten sich aber immer wieder die Zeiten. Dresen sieht den Ersten Weltkrieg als wichtigen Einschnitt. In den Kriegstagen wurde das Brauen schwer: Kupferkessel wurden fürs Militär eingezogen, die Zutaten rationiert. Also vereinten sich Kleinbetriebe zu Braugemeinschaften, die gemeinsam herstellten, aber alle unter ihrem jeweiligen Namen das Getränk ausschenkten.

Das war der Auftakt zu den Zusammenlegungen zu Großbrauereien, die das 20. Jahrhundert prägten. Sie müssen damit zurechtkommen, dass der gesundheitsbewusste Düsseldorfer der Gegenwart erheblich weniger Bier trinkt als seine Vorfahren - und auch nicht mehr so stark ans Alt gebunden ist.

Im Laufe der Jahre ist eine Menge Düsseldorfer Brauereikultur verloren gegangen, meint Dresen. Er freut sich daher darüber, dass die Craft-Beer-Bewegung das Interesse an kleinen Betrieben wiederentdeckt hat - und dass es mit Kürzer sogar eine Hausbrauerei-Neugründung in Düsseldorf gibt. Damit gibt es immerhin wieder sieben Brauereien in der Stadt.

Die örtliche Brauerei-Forschung hält Dresen mit seinem Werk noch lange nicht für abgeschlossen. Er hofft vielmehr, einen Grundstein für weitere Werke gelegt zu haben. Und er will dranbleiben an der Materie, die ihn schon so lange beschäftigt.

Dresen sieht noch viele offene Fragen - etwa, warum sich ausgerechnet an der Ratinger Straße so viele Brauereien angesiedelt haben. Und er hofft, dass sich mit Hilfe von Düsseldorfer Familienarchiven noch viel mehr Leben in die Erzählung der Vergangenheit bringen lässt: Dresen sucht weitere Fotos und Schriftstücke, die davon erzählen, wie die Düsseldorfer in vergangenen Zeiten ihr Bier gebraut und getrunken haben.

(arl)
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