Umstrittenes Projekt an der Uniklinik Düsseldorf bekommt Pädophilen-Ambulanz

Berlin/Düsseldorf · An der Universitätsklinik in Düsseldorf ist die landesweit erste Ambulanz für Männer mit pädophiler Neigung eröffnet worden. Ziel des Projekts ist es, Betroffenen dabei zu helfen, ihre Neigung zu kontrollieren und Übergriffe auf Kinder zu verhindern.

An der Düsseldorfer Universitätsklinik wird kein Schild auf die neue Ambulanz hinweisen. Nicht einmal das Gebäude, in dem jetzt die Anlaufstelle für Menschen mit pädophiler Neigung untergebracht ist, wird der Öffentlichkeit genannt. Zu groß ist die Angst, dass die Männer, die in Düsseldorf Hilfe suchen, angegriffen werden könnten - verbal oder auch physisch. Doch bei der Suche nach einem "geeigneten Ort" habe man darauf geachtet, dass zum Beispiel keine Kita in der Nähe ist, wurde am Mittwoch bei der Vorstellung der Pädophilie-Ambulanz in Düsseldorf versichert.

Ziel der Ambulanz des bundesweiten Präventionsprojekts "Kein Täter werden" ist es, Männern dabei zu helfen, das eigene Verhalten zu kontrollieren und so sexuelle Übergriffe auf Kinder und den Konsum von kinderpornografischen Fotos und Filmen zu verhindern. Entstanden war das Projekt 2005 an der Berliner Charité am Institut für Sexualwissenschaften.

Dort und inzwischen auch an weiteren neun Standorten werden Menschen mit pädophilen Neigungen anonym und unter Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht in Einzel- und Gruppensitzungen therapeutisch betreut. Auch Medikamente - etwa Antidepressiva und Mittel, die das Hormon Testosteron senken - werden eingesetzt. Eine wichtige Voraussetzung, die Betroffene erfüllen müssen: dass sie die Therapie aus freien Stücken aufnehmen wollen.

"Viele Männer begeben sich auf der Suche nach Hilfe meist auf eine Odyssee", sagt Wolfgang Tress, Leiter des Klinischen Instituts für Psychosoziale Medizin und Therapie, an das die Düsseldorfer Ambulanz angeschlossen ist. Niedergelassene Ärzte und Therapeuten fühlten sich oft überfordert, Männer mit pädophilen Neigungen zu behandeln, und würden sie deswegen abweisen. In der Düsseldorfer Ambulanz könne man dank der Hilfe des NRW-Wissenschaftsministeriums, das drei Jahre lang 120.000 Euro bereitstellt, nun mindestens 50 Patienten pro Jahr betreuen.

An der Berliner Charité haben sich seit der Eröffnung 2005 knapp 1960 Betroffene gemeldet, rund 25 Prozent der Anfragen kamen aus NRW. "Viele unserer Teilnehmer erleben sich selbst als das Monster, zu dem sie durch die öffentliche Diskussion gemacht werden. Im Austausch mit anderen Betroffenen realisieren sie aber meist erstmalig, dass sie nicht allein sind mit ihren Gedanken, Ängsten und Gefühlen", erklärt Psychologin Laura Kuhle.

Sie beobachtet mit Sorge, dass in der öffentlichen Diskussion die sexuelle Neigung Pädophilie immer noch häufig mit dem Verhalten des sexuellen Kindesmissbrauchs gleichgesetzt wird. Ihr Kollege Jens Wagner findet es "befremdlich", dass im Rahmen der Edathy-Debatte selbst von Politikern in Talk-Shows Aussagen wie "Pädophilie geht gar nicht" getroffen wurden, wenn sie wahrscheinlich meinten, dass sexueller Kindesmissbrauch "gar nicht geht".

Wenn Emotionen hochkochen, werden keine Unterschiede mehr gemacht. Für Kuhle und ihre Kollegen sind aber gerade die Unterschiede entscheidend. Wer eine pädophile Neigung hat, ist noch lange kein Kinderschänder. Allerdings trägt ein Pädophiler, der bereits sexuellen Kindesmissbrauch begangen hat, ein größeres Risiko, erneut zum Täter zu werden. Wenn er sich nicht in Behandlung begibt. "Es ist verantwortungsvoll, wenn eine Gesellschaft sich mit dem Thema Pädophilie auseinandersetzt. Nur dann ist aktiver Opferschutz möglich. Pädophile zu stigmatisieren, hilft weder der Gesellschaft noch den Opfern", sagt Kuhle.

Jedes Jahr gibt es laut polizeilicher Statistik 12.000 sexuelle Übergriffe auf Kinder. Die Dunkelziffer, vermuten Experten, liegt acht, vielleicht sogar 20 Mal so hoch, denn viele Opfer vertrauen sich niemandem an. "Jeder Übergriff auf Kinder, den wir durch unser Angebot verhindern können, ist ein Erfolg", sagt Wolfgang Tress von der Universitätsklinik. Um Betroffene zu erreichen, startet in Düsseldorf in Kürze eine Werbekampagne.

(RP)
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