Dieter Falk im Interview "Düsseldorf braucht ein Popmusik-Zentrum"

Düsseldorf · Die Stadt ist für vieles berühmt, aber nicht unbedingt für ihre Musikszene. Zu unrecht, sagt der Musikproduzent. Im Interview erzählt er, warum Campino mal etwas gegen ihn hatte und wie eine Düsseldorf-Hymne klingen sollte.

Musikproduzent Dieter Falk.

Musikproduzent Dieter Falk.

Foto: Schaller,Bernd

Herr Falk, was ist Ihr Lieblingslied einer Düsseldorfer Band?

Dieter Falk Das sind zwei, "10 kleine Jägermeister" und "Tage wie diese" von den Toten Hosen.

Die erste Band, die einem bei Düsseldorf einfällt.

Falk Die beiden Songs zeigen nun mal, wie breit eine Band aufgestellt sein kann, von Indie-Punk bis Mainstream. Ich fand die Toten Hosen immer gut, obwohl ich als Produzent von Pur lange eine Art "Feindbild" für sie war. Ich kann mich an eine Echo-Verleihung in den 90ern erinnern, als Campino von der Bühne gegen PUR gepoltert hat. Neulich saß ich in unserem popmusikalischen Quartett im Zakk neben dem Hosen-Manager Jochen Hülder und wir mussten beide schmunzeln. Denn "Tage wie diese" ist natürlich absolut Mainstream, das Lied hätte fast von Pur sein können.

Neben den Toten Hosen gelten noch Kraftwerk, Heino, Westernhagen und Doro Pesch als Aushängeschilder der Stadt. Die sind alle seit Jahrzehnten im Geschäft. Wo bleibt der Nachwuchs?

Falk Das habe ich mich vor allem beim Eurovision Songcontest vor zweieinhalb Jahren auch gefragt, als es in Düsseldorf tagelang um Popmusik ging. Ich glaube, dass die Talente untereinander zu wenig vernetzt sind, dass es zu wenig Begegnungen gibt. Ich habe das in einem Interview gesagt und Oberbürgermeister Dirk Elbers hat direkt reagiert und das Projekt Tontalente unterstützt, ein Newcomer-Festival für Düsseldorfer Bands und Solisten.

Woran liegt es, dass die Vernetzung so schlecht ist?

Falk Erst einmal muss man sagen, dass die Düsseldorfer Musikszene viel lebendiger ist, als es mitunter wahrgenommen wird. Leute wie Klaus Klöppel, Leiter der Jungen Aktionsbühne und des Spektakulums, oder Miguel Passarge, musikalischer Leiter im Zakk, kümmern sich seit Jahren rührig darum, junge Bands zu unterstützen. Das JAB veranstaltet seit langem den Nachwuchswettbewerb Citybeats, seit 2011 haben wir New Düsseldorf Pop, eine Art Musik-Messe. Es gibt einen Wettbewerb mit dem etwas sperrigen Namen "Professionalisierungs-Förderpreis", bei dem zuerst die Band "Liquid Lightning" 10 000 Euro gewonnen hat und eine Platte aufnehmen konnte. Auch Michael Dimitrov und andere im Kulturamt arbeiten daran, Talente zu fördern. Es ist allerdings so, dass es in Düsseldorf, anders als zum Beispiel in Köln, keine Musikindustrie gibt. In Köln gab es bis vor kurzem die Plattenfirma EMI, der WDR engagiert sich seit Jahren mit Projekten wie dem Rockpalast und speziellen Jazzprogrammen. Die Musikhochschule zieht viele junge Musiker an, und es gibt jede Menge Studios. Außerdem kann Köln auf eine gewachsene Kölschrock-Szene bauen. Bands wie Bap, Brings oder die Höhner sind in ganz Deutschland bekannt.

In Düsseldorf beginnt das Problem schon damit, dass es zu wenig Proberäume gibt.

Falk Das war tatsächlich lange ein Problem, doch nun gibt es bald wieder den Bunker am Gather Weg, der renoviert wird und im Januar eröffnet.

Wie kann man aus Düsseldorf eine Musikstadt machen, die auch über die Grenzen hinweg wahrgenommen wird?

Falk Die vielen einzelnen Festivals und Einrichtungen wie das Open Source, das Spektakulum oder das Zakk und die bisherigen Studios und Musikbüros sind dezentral. Besser wäre zusätzlich ein fester Anlaufspunkt, ein Zentrum, das viele dieser schon bestehenden Kräfte bündelt. Das könnte ein leerstehendes Bürohaus sein, in das man mehrere kleine Aufnahmestudios einbaut und verschiedene "Start-Ups" mit Medien, Werbung und vielleicht sogar junger Mode. Dort könnten die schon bestehenden privaten Musikschulen, Veranstalterbüros oder Eventfirmen ebenso einziehen. Ich hätte auch schon einen Arbeits-Titel: Kulturzentrum für Popmusik und Popkultur. Wir brauchen einen Lobbyisten, der sich mehr um die Vernetzung der lokalen Kultur kümmert.

Sie sind erfahrener Musiker und Professor an der Robert-Schumann-Musikhochschule. Wie wär's?

Falk Ich verstehe mich schon als Netzwerker und im Rahmen dieser Professur möchte ich mich auch darum bemühen, die lokalen Bands und Gesangstalente noch besser mit den Musikstudenten der Hochschule zu verbinden. Da sind viel mehr Synergien möglich. Außerdem bin ich viel — auch konzertant mit meinen beiden Söhnen — unterwegs und versuche dort für unsere Popkultur zu "trommeln".

Viele erfolgreiche Musiker verstehen sich als Aushängeschilder ihrer Stadt. Grönemeyer besingt Bochum, Bap natürlich Köln, Jan Delay Hamburg, Peter Fox Berlin und Xavier Naidoo Mannheim. Warum gibt es keine wirkliche Düsseldorf-Hymne?

Falk Das kann ich nicht beantworten. So eine Hymne muss wachsen, die kann man nicht am grünen Tisch entwerfen. "Viva Colonia" hat sich auch erst über die Jahre zur Hymne entwickelt. Ich würde mich über eine moderne Karnevalskapelle freuen, die sich dieser Aufgabe annimmt.

Angenommen, es wäre Ihre Aufgabe. Was für ein Song würde da entstehen?

Falk Ich würde den Wandel der Stadt anhand eines Menschen erzählen, der mit Kraftwerk und der Subkultur des Punk aufgewachsen ist und heute in einer Stadt lebt, die unglaublich lebendig und vielfältig ist, kulturell und baulich. Und der Text müsste Humor haben, vielleicht hat ja ein Schauspieler aus dem Kom(m)ödchen Lust.

Ballade oder ein Rocksong?

Falk Bei so einer Hymne bietet sich natürlich immer eine Ballade an, aber sie darf nicht zu schmalzig sein, sie braucht etwas Raues. Vor allem der Text wird aber entscheidend sein, die Musik kann da nur unterstützen.

Wäre das nicht etwas für die Studenten an Ihrer Hochschule?

Falk Stimmt, wir haben am Institut für Medien und Musik, wo ich auch unterrichte, eine Kompositionsklasse, die von Professor Andreas Grimm geleitet wird. Die könnten Songs schreiben und die Hörer von Antenne Düsseldorf entscheiden, welcher am besten ist. Wir brauchen eh mehr Bühnen für junge Musiker, der WDR könnte, ähnlich wie in Köln, ein Forum bieten, auch Center TV. Die Talente müssen wissen, dass sie stattfinden, Öffentlichkeit bekommen. So kann es in ein paar Jahren auch das geben, was der Düsseldorfer Szene den größten Antrieb geben würde: eine junge Band, die einen Hit landet. Denn der würde vieles erleichtern.

Das Zentrum, das sie angeregt haben, wäre auch ideal geeignet, um die Nachwuchs-Produzenten und Komponisten der Hochschule mit Musikern zusammenzubringen.

Falk Absolut. Das würde auch helfen, sie nach dem Studium hier in der Stadt zu halten. Natürlich bleiben sie nur, wenn sie hier eine vernünftige Infrastruktur vorfinden.

Wenn Düsseldorf ein Musikgenre wäre, was wäre es?

Falk Schwer zu sagen. Früher war es Rock, heute mehr Pop. Es ist nicht so strubbelig wie eine Band wie Kraftklub aus Chemnitz, eher etwas schöngeistiger. Pop mit einem Hang zu Elektro, ein bisschen sophisticated. Was nicht heißen soll, das es in Düsseldorf nicht auch die musikalisch "härtere Baustelle" gibt.

Was ist Ihr Lieblingslied über eine Stadt in Deutschland?

Falk Das wäre wohl "Bochum", Herbert Grönemeyer ist einfach der größte Songpoet, den dieses Land hat.

Und der in "Bochum" singt: "Wer wohnt schon in Düsseldorf?"

Falk Ach, das ist ein altes Feindbild aus den 80ern. Es ist ja auch ironisch gemeint. Düsseldorf ist sehr lebendig, und die Musikszene hat großes Potenzial. Sie bekommt ja jetzt auch mehr Unterstützung und das könnte man mit einem "Pop-Zentrum" in Zukunft sicherlich noch ausbauen.

GESA EVERS STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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