Kleine große Band "The Whiskey Foundation" There and back again

Düsseldorf · Das Münchner Bluesrock-Quintett "The Whiskey Foundation" hat 5000 Facebook-Fans und spielt in Läden wie dem "Pitcher" am Sonntag – nach einem Sommer vor fünfstelligen Massen als Vorband für AC/DC. Ein Zwischenbericht vom Zwischendrinsein.

 Fünf Münchener namens TWF vor 80.000 in Köln, die eigentlich fünf Australier namens AC/DC sehen wollen.

Fünf Münchener namens TWF vor 80.000 in Köln, die eigentlich fünf Australier namens AC/DC sehen wollen.

Foto: Jonas Immer / The Whiskey Foundation

Das Münchner Bluesrock-Quintett "The Whiskey Foundation" hat 5000 Facebook-Fans und spielt in Läden wie dem "Pitcher" am Sonntag — nach einem Sommer vor fünfstelligen Massen als Vorband für AC/DC. Ein Zwischenbericht vom Zwischendrinsein.

 Große Pose, viel dahinter: "The Whiskey Foundation"

Große Pose, viel dahinter: "The Whiskey Foundation"

Foto: Marko Panic

Man darf fünf Jungs nicht fragen, ob sie schon alles ihnen Mögliche erreicht haben, zwei Alben, gut 5.000 Facebook-Fans und vier Jahre nachdem sie sich erstmals zum Jammen trafen, mit einer Flasche Whiskey und ohne überhaupt vorgehabt haben, eine Band zu gründen. Aber man muss es fragen, wenn die fragliche Band ein derartig ereignisreiches 2015 erlebt, dass Auftritte als Vorband für Deep Purple nicht das Spektakulärste daran waren. Nicht einmal wenn man den Autoaufbruch mitzählt, bei dem kurz vor dem ersten dieser Konzerte auch noch die Hälfte ihrer Instrumente aus dem Tourbus verlustig ging.

Das liegt daran, dass "The Whiskey Foundation" Ende Juni innerhalb einer Woche vor fast einer Viertelmillionen Menschen gespielt haben, als Vorband für AC/DC in Köln, Hannover und Berlin. Wahrscheinlich waren es ein paar Zehntausend "Zuspätkommer" weniger, zugegeben, aber erstens ändert das überhaupt nichts und und zweitens kamen zweieinhalb Wochen später Auf Schalke noch einmal 55.000 dazu.

Nun ist wieder Alltag. Seit ein paar Tagen sind sie wieder unterwegs in Läden, die "Kulturhaus Karlstorbahnhof" heißen oder "Künstlerhaus im KunstKulturQuartier", "Freiraum" und "Kantine", vor 100, 150, vielleicht mal 200 Menschen. Am 15. November kommen sie zum wiederholten Mal in die Düsseldorfer Rockkneipe "Pitcher". Gute Musik werden sie dort machen, Bluesrock mit Bock und Gefühl. Für jeden, der sie hören will, fahren sie kreuz und quer durchs Land, in einem Kleinbus mit neun Sitzen, voll bepackt mit einer halben Tonne echter Instrumente und Röhren-Verstärker. "Klar könnte man die Orgelfunktion eines Keyboards nehmen", sagt der Pianist Julian Frohwein (25), "aber... — mei, so 'ne analoge Orgel mit Leslie-Verstärker klingt halt schon schöner."

Die günstigen Band-Busse des Münchner Kulturfördervereins Feierwerk sind ihnen zu klein geworden, aber bei der Autovermietung bekommen sie längst Stammkundenrabatt. "Das taugt uns gerade", sagt Frohwein, und darin schwingt die Ambition mit, eines Tages mal einen noch größeren Bus zu brauchen.

Die Anfrage der Agentur von AC/DC kam am 16. Juni, nur drei Tage vor dem ersten Konzert. Für Unglaube, Ausrasten, Feiern war kaum Zeit. Es gab Konzerte zu spielen, auf völlig ungewohntem Terrain. Zuvor hatte ihr Rekord bei 1200 gelegen, Muffathalle München, Heimspiel, Album-Release vor den besten Freunden und größten Fans. Auf den Jahnwiesen in Köln wartete niemand der sie kannte, von der Bühne gesehen standen dort nicht einmal 80.000 Menschen, bloß eine Masse aus Fremdheit und Ungeduld und Unterhaltenwerdenwollen-aber-nicht-von-jedem. Doch "The Whiskey Foundation" funktionierten. Wie Maschinen, bloß besser. Mit allem was sie haben und können und sind, sangen und spielten an gegen die Weite und das Desinteresse — und es funktionierte. Indem sie "einfach das Gleiche gemacht haben wie immer", sagt Frontmann Murat Kaydirma, Überwältigung hin oder her. "Man darf sich auch nicht zu sehr flashen lassen davon, sonst kriegt man ja keinen Ton mehr raus."

Nachvollziehen kann das jeder, Nachmachen muss man das "TWF" erstmal.

Mit AC/DC-Frontmann Angus Young backstage zu fachsimpeln, anzustoßen oder ihm auch nur einen schönen Gruß zu bestellen wie von den Fans gewünscht, fiel allerdings flach. Zu Gesicht bekam Frohwein Young nur einen Augenblick lang, als er in einem Golfwägelchen die Bühne der Arena Auf Schalke verließ. "Komplett abgeschottet halt." Frohwein sagt das ohne Bitterkeit. "Klar wäre es schön gewesen, mal einen Handschlag zu bekommen. Aber die machen das seit 40 Jahren. Ich kann verstehen, dass sie da die Lust verlieren, mit jedem ein Foto zu machen." Außerdem seien die Australier "nach diesen absolut irren Shows auch körperlich komplett fertig, und überhaupt, all das in deren Alter!" Umso netter sei der Smalltalk hinter der Bühne mit Deep Purple gewesen.

Den hätten sie allerdings um ein Haar nicht genießen können — weil in der Nacht vor dem Konzert im tschechischen Ostrava der Bus aufgebrochen wurde, während sie sich nach neunstündiger Fahrt ein Bier in der Stadt genehmigten. Mithilfe von Freunden, Bekannten und Fremden organisierten sie Ersatz für die gestohlenen Instrumente. "Frustrierend ohne Ende" sagt Frohwein und meint damit nicht nur den finanziellen Schaden von geschätzt mehr als 5.000 Euro, sondern auch den emotionalen Verlust ihrer Schätze. Unterwegs sind sie derzeit deshalb mit Leih-Instrumenten. Neue zu kaufen ist nicht bloß Formsache. Alle fünf schlagen sich mit kleinen Jobs durch. Frohwein verkauft Käse auf dem Viktualienmarkt, Frontmann Murat Kaydirma fotografiert, andere kellnern.

Existenzangst plagt sie nicht. Sie genießen das Leben als Teilzeit-Rockstars. "Mei, ein Minus machen wir nicht", sagt Frohwein fröhlich, Antrittsgeld hätten sie für die Touren mit den Legenden im Sommer und Herbst nicht zahlen müssen. Finanziell profitiert haben sie aber auch nicht. Kost und Logis bekamen sie gestellt, die Aufwandsentschädigung ging für Busmiete und Benzin drauf. Macht aber nix: "Das waren irre Erfahrungen, für die wir einfach nur dankbar sind."

Vergangenheit. Die Gegenwart gibt Sicherheit: Auf Tour sein. Spielen. In ihren Läden, vor ihren Fans. Emotionen geben und zurückbekommen, Intimität sogar. Den Plan für die Zukunft gibt es nicht, noch immer nicht. Es gibt nur den Traum, vom Musikmachen leben zu können. Er ist kein Hirngespinst, sondern schweißgetränkt. "The Whiskey Foundation" jammen, proben, spielen so viel, dass keiner von ihnen einen normalen 40-Stunden-Job annehmen könnte. Das Musikmachen ist ihre Haupt-Arbeit. Ein Investment von hunderten, tausenden Stunden, das kein Geld einbringt, aber Glück.

Zurück zur Ausgangsfrage: Was, wenn der Höhepunkt schon überschritten ist? "Mei, wenn sich in ein paar Jahren zeigen sollte, dass mehr nicht in Aussicht ist, würden wir den Aufwand wohl oder übel zurückschrauben, gezwungenermaßen", sagt Frohwein.

Es wäre ein Jammer.

(tojo)
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