Sparkonto beinahe leergeräumt Düsseldorf: Eine Stadt steht am Scheideweg

Düsseldorf · Seit sieben Jahren ist Düsseldorf wirtschaftlich schuldenfrei und nun im Begriff, diesen gewaltigen Vorteil zu verspielen. Das Sparkonto ist beinahe leergeräumt, die Politiker reden immer öfter von Kreditaufnahme. Ein Rückfall in alte Zeiten droht.

 Heute: Die Libeskind-Bauten sind eröffnet, die Tunnel des Kö-Bogens noch nicht fertiggestellt. Die Stadtspitze macht sich wieder Sorgen ums Geld.

Heute: Die Libeskind-Bauten sind eröffnet, die Tunnel des Kö-Bogens noch nicht fertiggestellt. Die Stadtspitze macht sich wieder Sorgen ums Geld.

Foto: Bretz

Unter Oberbürgermeister Joachim Erwin wurde viel geschimpft über schlechtes Klima, ruppigen Umgang mit Politikern und vor allem mit Arbeitnehmern. Die "Nuller-Jahre" - Erwin war von Herbst 1999 bis Mitte 2008 Stadtoberhaupt - werden dennoch als goldene Ära in die Stadtgeschichte eingehen. Erwin verkaufte Tafelsilber wie Stadtwerke-Anteile und RWE-Aktien und hatte zudem Glück, denn die Steuereinnahmen waren üppig und teils besser als heute.

In der Folge wogte eine wahre Flut an Investitionen durch die Stadt: in Schulen, Sportplätze, es wurden neue Hallen (Arena, Dome, Burgwächter Castello) ebenso gebaut wie Museen (für Gartenkunst, Kunstakademie, KiT Kunst im Tunnel), das Kö-Bogen-Projekt startete. Schlechte Nachrichten wie parallele Sparrunden oder etwa eine zurückhaltende Personalpolitik vermied Erwin. Er theoretisierte gerne über schlanke Strukturen wie in den USA, aber hart durchgreifen aus ordnungspolitischen Gründen oder aus solchen der Vorausschau, das vermied der ehrgeizige Politiker.

Betrachtet man die letzten zwanzig Jahre in Düsseldorf, dann sind zwei Phasen auszumachen, und in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Politik und Verwaltung die Kraft haben, übliche Verhaltensmuster kommunalen Herrschens zu durchbrechen. Denn der Blick auf kommende Wahlen, die man eher nicht mit schlechten Nachrichten gewinnt, verhindert oft die richtigen Entscheidungen.

Wo kommt Düsseldorf her? Stark bei der Gewerbesteuer war die Landeshauptstadt schon immer. Ein großer Vorteil ist, dass hier viele Branchen gut vertreten sind und Schwächen bei der einen durch eine andere ausgeglichen werden können.

Banken, Versicherungen, Firmen der Energiewirtschaft und der Telekommunikation, viele unternehmensnahe Dienstleister wie Berater, Anwälte und Kreative sowie eine starke Industrie zahlen Steuern. Die Gewerbesteuer hat in Düsseldorf sogar einmal die Milliardengrenze überschritten, und als dies 2007 der Fall war, legte Erwin die unerwarteten zusätzlichen Einnahmen für künftige Pensionszahlungen auf die hohe Kante.

Aber natürlich gibt es auch Krisen, die die ganze Wirtschaft betreffen. Das war nach dem Wiedervereinigungsboom so, als die Landeshauptstadt nicht nur Schulden von mehr als 1,6 Milliarden Euro vor sich herschob, sondern plötzlich ein Loch von 250 Millionen Euro in der Kasse hatte. Die Gewerbesteuer war eingebrochen. Die erste rot-grüne Ratskoalition, die von 1994 bis 1999 regierte, musste der Bezirksregierung ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen und einen strammen Sparkurs fahren. Die Stadt hatte in diesem Jahrzehnt zwei Gesichter: Mit der Eröffnung des Rheinufertunnels 1993 und der Eröffnung der Rheinuferpromenade 1995 nahm Düsseldorf einen tollen Aufschwung, wurde als Stadt ganz anders wahrgenommen. Parallel aber wurden Brunnen stillgelegt, Büchereien geschlossen und Investitionen geschoben. Erwin profitierte vom Abbau des Defizits, gewann die Wahl '99 gegen Marlies Smeets aber auch mit dem Argument, Rot-Grün habe die Stadt heruntergebracht.

Aber so wie Düsseldorf Mitte der neunziger Jahre klamm war, spricht der neue Oberbürgermeister Thomas Geisel jetzt von einer drohenden Finanzklemme. Nach dem Sparjahrzehnt und der Investitionsdekade ist deswegen nun ein eigentümlicher Moment gekommen. Die Düsseldorfer Politiker stehen am Scheideweg und müssen definieren, wie sie finanzpolitisch weitermachen wollen: Die wirtschaftliche Schuldenfreiheit ist noch existent, das Guthaben aber von 570 Millionen Euro vor sieben Jahren auf nun 120 Millionen Euro abgeschmolzen. Grund: Die schwarz-gelbe Ratsmehrheit hat aufs Sparkonto nicht ausnahmsweise, sondern regelmäßig zugegriffen. Gleichzeitig haben viele lobenswerte Leistungen den Kostenapparat vergrößert.

Düsseldorf im Zeitraffer
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Wir haben uns an niedrigere Steuern und die Gratis-Kita gewöhnt. Aber was, wenn die Steuereinnahmen nicht wieder dauerhaft höher ausfallen? Wird dann doch mal gespart, finden Strukturdebatten statt - oder kommt der Rückfall ins Schuldenmachen? Das Feld dafür wird schon bereitet, obgleich Grüne und FDP weiterhin auf die Schuldenbremse verweisen. Immer wieder fällt das Wort Kreditaufnahme, von OB Geisel ohnehin. Nächstes Jahr, so sagte jetzt der liberale Politiker Manfred Neuenhaus, werde man auf keinen Fall Kredite aufnehmen. Und übernächstes? Kehrt sich die Reihenfolge nun um: Die Finanzklemme führt ins Defizit, deswegen werden Schulden, vielleicht ausgelagert aus dem Kernhaushalt zu einer Stadttochter, aufgenommen?

Das sind die Projekte rund um den Kö-Bogen
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Foto: Andreas Bretz

Wer die letzten zwanzig Jahre resümiert, muss erkennen: Es gibt keine guten Schulden. Schuldenfreiheit schafft Spielräume, die es zu verteidigen lohnt. Die goldenen Jahre verlieren andernfalls ihren Glanz und der Verkauf des Tafelsilbers diente im historischen Maßstab nur zur Finanzierung eines Strohfeuers. Düsseldorf ist bei den Steuereinnahmen ein Krösus, die Politiker können die Probleme ohne neue Schulden lösen - wenn sie wollen.

(RP)
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