Drogenschmuggel Düsseldorf ist neues Kokain-Drehkreuz

Düsseldorf · Mit einem Direktflug aus Curaçao kommen immer mehr so genannte Bodypacker nach NRW. Im Körper tragen manche mehr als ein Kilo Kokain. Die Landeshauptstadt ist für den Rauschgifthandel ein Hauptumschlagplatz geworden.

 Röntgenbild eines Bodypackers: Die ovalen Kokainpäckchen sind gut erkennbar.

Röntgenbild eines Bodypackers: Die ovalen Kokainpäckchen sind gut erkennbar.

Foto: Zollfahndungsamt Essen

Es war bestimmt für den Verkauf auf den Straßen, in den Szeneclubs Europas, in der Schickeria der Großstädte, sollte rund 5,6 Millionen Euro einbringen - Kokain aus Südamerika, das im vergangenen Jahr vom Zoll in NRW vernichtet wurde. Und dabei ist nicht einmal die Menge eingerechnet, die per Luftfracht in Nussschalen und Bananen eingeflogen wurde oder in der Innenverkleidung von Autotüren an der niederländischen Grenze entdeckt worden ist. 86 Kilogramm südamerikanisches Kokain sind im vergangenen Jahr allein auf Intensivstationen in und um Düsseldorf sichergestellt worden - nachdem Körperschmuggler sie ausgeschieden hatten.

Seit November 2011 gibt es wöchentlich einen, im Sommer mehrere Direktflüge von Curaçao nach Düsseldorf. Nicht nur für Karibik-Touristen eine interessante Verbindung. Seit in Amsterdam die Reisenden von der zu den Niederlanden gehörenden Insel grundsätzlich und ausnahmslos kontrolliert werden, steigen auch immer mehr Drogenkuriere auf den Flug nach Düsseldorf um. Zudem macht sich in Düsseldorf bemerkbar, dass die niederländische Fluggesellschaft die Ticketpreise erhöht hat. Jeden Mittwochmittag ist der Zoll deshalb in erhöhter Alarmbereitschaft. Denn dann sind immer öfter unter braun gebrannten Urlaubern auch angebliche Deutschland-Touristen aus Curaçao.

Die Kuriere sind, sagt Ruth Haliti vom Zollfandungsamt Essen, "im wahrsten Sinn des Wortes arme Schlucker". Ausgerechnet der Kampf ums nackte Überleben in ihrer Heimat lässt sie Teil des internationalen Rauschgiftgeschäfts werden - und ein oft tödliches Risiko eingehen. Sie schlucken Kokain in kleinen Plastikpäckchen, oft in Kondomen oder abgeschnittenen Fingern von Gummihandschuhen. Zehn Gramm Kokain enthält so ein Mini-Container, 50 bis 100 davon tragen die Bodypacker im Körper. Im Jargon heißen sie auch "Stuffer" vom englischen Wort für stopfen abgeleitet, weil sie nicht selten "vollgestopft wie eine Weihnachtsgans" sind.

Auf den Kurierjob werden sie in Schulungen vorbereitet. In südamerikanischen und westafrikanischen Slums steht das Unterdrücken des Kaureflexes auf dem Lehrplan, geübt wird das Schlucken mit Karottenstücken. Die Kuriere lernen auch, mit Hilfe von Schokolade die Verdauung zu verzögern, werden darauf trainiert, mit einem Leib voller Kokain zehn Flugstunden lang zu sitzen, ohne Essen, Trinken und Toilettengang.

Nicht selten erkennen die Zöllner die Bodypacker auf den ersten Blick: weil ihnen der Schweiß auf der Stirn steht, sie sich unnatürlich bewegen, oft auch, weil ihnen die Angst anzusehen ist. "Und dann gibt es natürlich noch eine Menge kriminalistischer Methoden, die wir aus naheliegenden Gründen nicht veröffentlichen wollen", sagt Ruth Haliti.

Kaum ist ein Schmuggler erkannt und ihm der Haftbefehl verkündet, kommt er ins Krankenhaus. Denn die Ausscheidung der Drogenpäckchen muss ärztlich überwacht werden, schließlich hat die Justiz dann die Verantwortung für den Drogenkurier. Die früher übliche Verabreichung von Brechmitteln ist seit einigen Jahren verboten. Auch der berüchtigte Schluckerstuhl beim Flughafenzoll, wo die Drogenpacks nach Verabreichung von Abführmitteln aufgefangen werden, wird nur noch selten genutzt. Erstens ist das zu gefährlich: Platzt ein Pack im Körper, ist der Kurier auch auf der Intensivstation nicht zu retten. Und zweitens reicht der Stuhl auch oft nicht aus: Manchmal sitzen mehr als fünf Kuriere in einem Curaçao-Flieger.

Die Bewachung der Schmuggler in der Klinik wird von der Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt übernommen. Zwei Mitarbeiter pro Kurier in drei Schichten am Tag für drei Tage - das belastet die Personaldecke dort ebenso wie beim Zoll. Um 63 Kuriere haben sich die Behörden allein in Düsseldorf im vergangenen Jahr kümmern müssen, an Deutschlands größtem Flughafen Frankfurt am Main waren es nur 28. Auch an der Menge des sichergestellten Kokains lässt sich ablesen, wie interessant Düsseldorf für den internationalen Drogenhandel ist: Seit 2011 hat sie sich mehr als verdreifacht.

(RP)
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