Design-Analyse Keines der neuen Rheinbahn-Schilder ist wirklich überzeugend

Meinung | Düsseldorf · Der Wirbel um die Haltestellenschilder der Düsseldorfer Rheinbahn für die Wehrhahnlinie lässt nicht nach. Die Schrift sei viel zu klein, hieß es erst von vielen Kunden. Nun stellt das Unternehmen vier neue Entwürfe zur Diskussion. In einer Analyse von Diplom-Designer Achim Schaffrinna kommen die aber auch nicht gut weg.

Rheinbahn-Haltestellen-Schilder: Die Entwürfe in der Analyse
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Die Rheinbahn-Entwürfe in der Analyse

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Foto: Andreas Endermann

Fast müsste man die Düsseldorfer um ihre einzigartige Haltestellenschilder-Teststrecke beneiden, um ein solch partizipatives Design im öffentlichen Raum. Wie heißt es so schön: Design kann immer nur durch Versuch, Irrtum und Verbesserung entstehen. Mitten in einem solchen Prozess befindet sich derzeit die Rheinbahn, und alle können zuschauen beziehungsweise mitmachen. Denn anders als bei Designprojekten üblich, vollzieht sich dieser Prozess nicht in geschlossenen Räumen, sondern sprichwörtlich auf offener Straße. Die Teilhabe ist nur im ersten Moment ein Pluspunkt, weil es nämlich nur schwer nachvollziehbar ist, warum man die Bürger mit unfertigen Gestaltungsansätzen konfrontieren muss. Es gibt andere, bessere Wege.

Design orientiert sich stets am Menschen, insofern ist das Einholen von Meinungen seitens der Bürger eminent wichtig, was nicht heißt, dass diese die Form vorgeben oder dass sie die Gestaltung in einem quasi-demokratischen Vorgang (mit)bestimmen könnten. Für die Formgebung verantwortlich sollten geschulte Gestalter sein. Gesteuert wird ein Designprozess in aller Regel von einer Designagentur. Dass der Prozess aber gesteuert wird, kann ich in diesem Fall nicht erkennen. Dort wo eine gezielte Aktion gefragt wäre, erfolgt lediglich eine Reaktion. Immerhin, könnte man meinen. Aufgeschlossenheit ersetzt allerdings kein Konzept. Denn wer stets nur reagiert, zeigt damit eigentlich nur, dass er keine eigene Strategie hat.

Alle Schilderentwürfe, auch der im Februar präsentierte Entwurf, wurden von Mitarbeitern bei der Rheinbahn realisiert. Bei einem derart komplexen Thema eine bemerkenswerte Entscheidung. Schließlich geht es hier um weit mehr als um ästhetische Gestaltung, es geht vor allem um Barrierefreiheit. In beiden Fällen ist es gut, entsprechende Experten mit an Bord zu haben, die sich unter anderem mit der DIN-Norm 32975 auskennen. Darin ist die "Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung" definiert. Im Rahmen eines Lastenheftes seien umfassende Vorgaben berücksichtigt und eingehalten worden, etwa auch besagte DIN-Norm, so wurde mir gegenüber seitens Rheinbahn versichert. Die Entwürfe widerlegen diese Aussage jedoch, weniger weil Kontraste unzureichend wären, sondern weil Größen und Abstände meines Erachtens unzureichend sind und weil die um 90 Grad gedrehte Haltestellenbezeichnung die Lesbarkeit deutlich erschwert.

Keiner der mittlerweile fünf Entwürfe ist wirklich überzeugend, schon gar nicht der im Februar vorgestellte, bei dem die Schrift Arial zum Einsatz kommt. Eine Schrift, die für die Darstellung von Text am Monitorbildschirm entwickelt wurde und von der nicht nur Leute vom Fach wissen, dass sie insbesondere in kleiner Schriftgröße, wie man so schön sagt, zuläuft. Beispielsweise berühren sich die Buchstaben "rf", wie es auf dem besagten Februar-Schild in "Derendorf" eigentlich nicht zu übersehen ist. In den neuen vier Entwürfen setzt man hingegen auf die Frutiger, die sich bereits seit den 1970er Jahren als Schriftart für Leitsysteme bewährt hat und somit eine deutlich bessere Wahl ist. Die Frutiger ist zudem die Hausschrift der Rheinbahn. Schwer nachvollziehbar, dass man erst jetzt auf diese Schrift zurückgreift. Sei's drum. Irrtum und Verbesserung. Allerdings sollte man nicht den gleichen Irrtum zweimal begehen, wie bei den um 90 Grad gedrehten Haltestellenbezeichnungen.

Man kann der Rheinbahn nicht vorwerfen, die Bürger nicht ausreichend einzubinden. Allerdings wirkt das ganze Prozedere um die Einführung neugestalteter Schilder doch ziemlich holprig und orientierungslos. Eine Begleitung durch eine auf dem Gebiet der Leitsysteme versierten Agentur hätte dem Projekt sicherlich gut getan. Überaus sinnvoll wäre es zudem gewesen, Informationen zu den jeweiligen Entwürfen und den hierfür geltenden Vorgaben parallel zu veröffentlichen, sodass für alle Bürger ersichtlich wird, warum jener Balken an den Rand gesetzt und diese Nummer in rot dargestellt wurde. Ein solcher Schritt, wie ihn etwa die Schweizerische Nationalbank im Rahmen der Vorstellung der neuen Banknoten kürzlich vollzogen hat, lässt ein Kommunikationskonzept erkennen. Die Rheinbahn hingegen veröffentlicht zum Teil unscharfe Schnappschüsse der Schilder auf Facebook und Fotos, auf denen der Hausfotograf Monteure verewigt. Auch das vermisse ich in Düsseldorf, ein Kommunikationskonzept.

Wie es mit dem Projekt nun weitergehen wird, weiß niemand, nicht einmal das Unternehmen selbst. Weder zum konkreten Zeitplan noch zur finalen Gestaltung erhält man derzeit eine befriedigende Auskunft. Kein sonderlich guter Ausweis für ein Unternehmen, für das eine bestmögliche Orientierung essentiell ist. Allein die Dialogbereitschaft seitens der Rheinbahn lässt hoffen, dass die Haltestellenschilder-Designgeschichte zu einem guten Ende finden wird. Als gebürtiger Rheinländer weiß ich: et hätt noch immer jot jejange.

Achim Schaffrinna ist Diplom-Designer aus Hannover und betreibt das renommierte Fachblog "Design Tagebuch". Dort analysiert und diskutiert er regelmäßig die Neugestaltung von Markenauftritten und Erscheinungsbildern von Unternehmen sowie deren Logos, so wie jetzt die Schilder-Entwürfe der Rheinbahn.

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