Düsseldorf Was Straßennamen verraten

Düsseldorf · Der Rang hiesiger Adressen - er spiegelt sich häufig in den Namen der Straßen oder der Wohnviertel. Hellerhof wird sogar durch Beschilderung in H-West und H-Ost diskriminiert - bei Oberkassel wäre das undenkbar.

 Französisches Flair in Oberkasse: Die Brend'amourstraße klingt fein- und ist es auch.

Französisches Flair in Oberkasse: Die Brend'amourstraße klingt fein- und ist es auch.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Wo würden Sie denn lieber wohnen? An der - o là là - Brend?amourstraße (ja, das gibt?s!) oder an der schon industriell angehauchten Eisenstraße? Gefällt ihnen der Mosterts-Platz? Womöglich fänden Sie es kommoder, an der Cecilienallee zu residieren? Und: Wer kommt auf die völlig weltfremde Idee und denkt sich die Clausthal-Zellerfelder-Straße aus? Hat der (oder die) Verantwortliche noch nie ein Formular ausgefüllt, in dem nach der Adresse gefragt wird und in das dieses Buchstabenmonstrum nicht reinpasst?

Unschwer zu erhören - da gibt es Unterschiede. Und wie: Die jeweils flotter oder eleganter klingenden Begriffe sind in der Tat auch die besseren Adressen. Das lässt sich natürlich nicht bei allen Straßen Düsseldorfs sagen, aber es trifft eben doch auf sehr viele zu. Springorum-Straße hört sich eben doch gediegener an als Glehner Weg - ersteres ist eine Top-Lage nahe des früheren Zoos, die andere eine eher biedere Ecke im linksrheinischen Lörick.

Womit wir bei der Namensgebung und deren Hintergründe wären. Klar, berühmte Persönlichkeiten nimmt man auch hier gern, aber nie zu Lebzeiten. Das ist seit Wilhelm zwo und der Nazi-Zeit verpönt. Mit Recht, da sind sich alle einig. Aber manchmal wünscht man sich ein bisschen mehr Weitblick oder Wagemut. Wer will schon "In den Großen Banden" wohnen oder "Am Schabernack", auch wenn das an rheinischen Frohsinn erinnert? Aber als Adresse? Da hört der Spass auf. Witzig dagegen, dass die Rosmarinstraße an der Müllerverbrennung in Flingern vorbeiführt. Angestaubt dagegen "Am Kehrbesen". "Nach den Mauresköthen" klingt wie Mäuseköttel und daher peinlich, ähnlich wie - hicks - An der Icklack. Da wäre sogar ein Angela-Merkel-Platz die bessere Lösung, wenn man schon nicht auf pfiffigere Vorschläge kommt.

Vieles ist, ganz klar, historisch gewachsen, aber bei der neuen Benennung von Straßen toben sich offenbar Kleingeist und sublokaler Patriotismus irgendwelcher Bezirkspolitiker aus: Oft will man verdiente (und seit Jahren verblichene) Ex-Bewohner des Viertels ehren, auf die Lebenden und das praktische Dasein wird wenig Rücksicht genommen. Nur so war es möglich, dass beispielsweise in Lörick eine Rolf-Bongs- und eine Josef-Willecke-Straße entstanden. Sicher honorige Männer, aber den meisten nicht geläufig.

Dabei ist nicht erst seit den epidemisch auftretenden Namen Kevin und Chantal bekannt, wie wichtig Namen im täglichen Leben sind. Sie lösen Assoziationen und Emotionen aus, lassen einige Schubladen auf- und andere zugehen, können über schulischen Erfolg und beruflichen Fortschritt, in unserem Beispiel über Immobilienpreise - also: das ganze Leben - entscheiden. Anders gesagt: Der Bewohner des Kaiser-Friedrich-Rings wird - berechtigt oder nicht - sozial höher eingestuft als der vom Willy-Brandt-Weg.

Was oft zutrifft: Reihen sich mehrstöckige Wohnblocks der preislich unteren Kategorie aneinander, scheinen Verantwortliche aus unerfindlichen Gründen zu denken (und in früheren Jahren noch häufiger gedacht zu haben), da passe eher die Erinnerung an einen diesem Klientel nahestehenden Menschen, und schon wird ein verdienter Sozi auf dem Straßenschild verewigt. Und von Bertha-von-Suttner, einer Friedensaktivistin, schien man in den 80er Jahren wenig zu halten. Warum sonst benannte man nach ihr den beispiellos hässlichen Bahnhof-Hinterplatz, der bereits wenige Jahre nach Fertigstellung zum sozialen Brennpunkt mutierte und Synonym für eine miese Adresse wurde? Dabei kann die arme Frau von Suttner weiß Gott nix dafür.

Dass nach ihr mal ein Teil des Oberkasseler Belsenparks (Wohnungspreise ab 5000 Euro/qm aufwärts!) benannt wird, ist jedenfalls unwahrscheinlich. Das dort jetzt aufgetauchte Schild Ria-Thiele-Straße löste allerdings ebenfalls Irritationen aus - die Dame (eine Schauspielerin) war den meisten Menschen bis dato unbekannt. Und ob die Käufer der Luxus-Wohnungen nebenan es ersprießlich finden werden, an der Theo-Champion-Straße zu leben, wird sich auch erst zeigen. Dass es kein wirkliches Konzept gibt, ist leicht erkennbar: Warum bekommt Toulouse eine Allee (die immer noch kaum einer benutzt), Paris aber nur eine Straße? Warum gibt es eine Moskauer, aber keine Washingtoner Straße? Vermutlich, weil letzteres nicht so glatt über die Zunge geht, wie man am gleichnamigen Artenschutzabkommen sieht - oder eher: hört.

Investoren haben das längst begriffen: Sie nennen ihre Neubauten Clara und Robert (nach dem Ehepaar Schumann), Quartis Les Halles oder Heine-Gärten. Hier und da wird da ein wenig geflunkert, ist der Schein besser als das Sein - aber das hilft beim Vermarkten: "Ich kaufe eine Wohnung im Quartis Les Halles" hat einen anderen Klang als "Wir wohnen in Garath-Süd" - auch wenn Letzteres eine schöne Lage am Stadtrand ist.

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