Düsseldorfer Feiermeile Vor dem Rausch — Die Ruhe auf der Bolkerstraße

Düsseldorf · Nach Anbruch der Dunkelheit ist die Bolkerstraße eine Feiermeile ohne Benimmregeln. Bei Tag ist das anders – ein Rundgang.

 Am Nachmittag ist es ruhig auf der Bolkerstraße. Man trifft auf Touristen, Geschäftsleute und Kellner, die vor ihrer nächsten Schicht noch ein wenig plaudern und ihre Freizeit genießen.

Am Nachmittag ist es ruhig auf der Bolkerstraße. Man trifft auf Touristen, Geschäftsleute und Kellner, die vor ihrer nächsten Schicht noch ein wenig plaudern und ihre Freizeit genießen.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Nach Anbruch der Dunkelheit ist die Bolkerstraße eine Feiermeile ohne Benimmregeln. Bei Tag ist das anders — ein Rundgang.

Wenn Nadine und ihre Kollegen anfangen, über die Bolkerstraße zu reden, finden ihre Geschichten kaum ein Ende. "Ich habe sieben Jahre lang hier gekellnert. Da habe ich alles erlebt", sagt sie. Mit ihrer Kollegin Christina, die genau wie sie ihren Nachnamen nicht in der Öffentlichkeit preisgeben will, sitzt sie in der Sonne vor der Rocker-Bar Weißer Bär, isst Salat, trinkt Cola und quatscht mit dem Kellner.

"Wenn die Menschen abends die Bolkerstraße betreten, schaltet sich ihr Hirn automatisch ab", sagt sie und erntet ein zustimmendes Nicken ihrer Kollegen. Zudringliche Engländer auf Europatour, Junggesellenabschiede, deren Teilnehmer bereits vor fünf Gläsern Bier mit dem Alkohol hätten aufhören sollen, und aggressive Randalierer: Das ist das Alltagsgeschäft der 25-Jährigen.

Und trotzdem sitzen sie und ihre Freundin nun mitten am Tag — es ist gerade einmal 17 Uhr — entspannt vor der Kneipe und genießen ihre Freizeit am Angst-Ort Bolkerstraße. "Für uns, die wir hier arbeiten, ist die Straße hier auch wie ein Zuhause und die Kollegen so etwas wie Familie", sagt Nadine.

Den Salat zum Beispiel habe sie bei Maredo zwei Läden weiter gekauft, sagt sie. Sie kenne das Personal ganz gut. Im Weißen Bär habe sie auch schon gearbeitet und leiste ihrem Kollegen, so lange es noch leer sei, gerne Gesellschaft. Gerade tagsüber sei es an der Straße ruhig. Da freue er sich immer, wenn er mal Besuch bekomme, sagt der Kellner. Erst ab 19 Uhr würde es stressig werden, wenn die ersten Feierwütigen kommen und im Minutentakt neues Bier ordern.

Vor dem Rausch seiner Kunden hat auch Holger Schütz einen ruhigen Arbeitstag. Seit fünf Jahren verkauft er Pommes und Würstchen an der Bolkerstraße. "Vorher habe ich lange Zeit auf Mallorca gelebt und gearbeitet. Da ist es den ganzen Tag so wie hier nur am Abend. Deshalb finde ich die Bolkerstraße gar nicht so schlimm, wie immer alle behaupten", sagt er.

 Holger Schütz hat lange Zeit auf Mallorca gelebt - und sieht das Treiben auf der Düsseldorfer Partymeile deshalb ganz entspannt.

Holger Schütz hat lange Zeit auf Mallorca gelebt - und sieht das Treiben auf der Düsseldorfer Partymeile deshalb ganz entspannt.

Foto: Andreas Endermann

Klar habe er es in der Nacht oft mit betrunkenen Partygästen zu tun und das sei auch nicht immer angenehm. Am Tag aber sind es ganz normale Kunden, die er bedient, Geschäftsleute in der Mittagspause oder Teenies, die nach dem Shoppingmarathon eine Stärkung brauchen.

Dass die rund 200 Meter lange Straße noch etwas anderes als einen ausgewachsenen Vollrausch zu bieten hat, beweisen auch zwei ungewöhnliche Gebäude zwischen Disco und Kneipe: die Neanderkirche und die Buchhandlung Müller & Böhm, in deren Gebäude kein geringerer als Heinrich Heine geboren wurde.

Geführt wird das kleine Geschäft, in dessen Räumen der Lärm von draußen kein bisschen zu hören ist, seit fast zehn Jahren von Selinde Böhm und ihrem Partner Rudolf Müller. Angesprochen auf das schwierige Umfeld, in dem sie Literatur verkaufen, winken sie nur genervt ab: "Das wusste ich doch vorher schon, dass ich hier in der Altstadt einen Laden aufmache. Wir haben keine Probleme hier", sagt Selinde Böhm. Außerdem öffnet sie die Türen ihres Geschäfts auch nur bis 19 Uhr, also bevor es in der Altstadt richtig losgeht.

Um kurz vor sieben verlassen auch Nadine und Christina die Bolkerstraße. "Vergangene Woche habe ich meinen Abschied in meiner alten Kneipe gefeiert. Ich bin froh, nicht mehr auf der Bolkerstraße arbeiten zu müssen", sagt Nadine. So ganz loslassen kann und will sie die Altstadt aber nicht: Jetzt kellnert sie auf der nur wenige Minuten entfernten Ratinger Straße.

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Foto: Bußkamp, Thomas

"Das Publikum ist dort allerdings ein wenig anders als auf der Bolkerstraße. Nicht ganz so laut und aufdringlich. Und dann macht es auch wirklich Spaß, in der Altstadt zu arbeiten", sagt sie. Selbst, wenn der Rausch der Besucher der längsten Theke der Welt schon eingesetzt hat.

(lai)
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