Interview mit Stadtdirektor Burkhard Hintzsche Düsseldorfer "Kita-Navigator" ist Exportschlager

Düsseldorf · Ab morgen ist Düsseldorf Gastgeber des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages. Bis zu 50.000 Gäste werden erwartet. Ein Gespräch mit dem Stadtdirektor über Herausforderungen und Perspektiven beim Umgang mit jungen Menschen.

 Stadtdirektor und Jugenddezernent Burkhard Hintzsche: "Ausbau und Qualität sind bei Kitas wichtiger als der Verzicht auf Elternbeiträge."

Stadtdirektor und Jugenddezernent Burkhard Hintzsche: "Ausbau und Qualität sind bei Kitas wichtiger als der Verzicht auf Elternbeiträge."

Foto: Andreas Bretz

Herr Hintzsche, was bringt die Veranstaltung auf dem Messe-Gelände mit ihren 400 Ausstellern und 200 Veranstaltungen Düsseldorf?

Hintzsche Es ist eine gute Gelegenheit, Düsseldorf als Metropole, die bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen innovative Ideen hat, einem bundesweiten Publikum vorzustellen. Schließlich sind wir bislang die einzige Großstadt jenseits der 500.000 Einwohner, die als familienfreundlich zertifiziert wurde. Außerdem ist es für uns spannend zu sehen, wie andere mit Herausforderungen wie beispielsweise dem Kita-Ausbau, der Betreuung von Jungen und Mädchen in sozialen Brennpunkten und der Integration von Flüchtlingskindern umgehen.

Was kostet die Ausrichtung?

Hintzsche Rund 350.000 Euro nehmen wir in die Hand. Eine gute Investition.

Zum Auftakt gibt es auch ein Erzieherinnen-Treffen mit rund 3500 Teilnehmerinnen. Wollen Sie ein paar davon nach Düsseldorf holen?

Hintzsche (lacht) Wir schaffen jährlich rund 1000 Betreuungsplätze für Kinder bis zum Schuleintritt. Da sind wir an guten Kräften immer interessiert.

Kräfte, die man mit attraktiven Konditionen besser in die teure Landeshauptstadt locken könnte.

Hintzsche Wir haben nicht nur sehr viele Verträge entfristet, sondern im "Düsseldorfer Modell" zahlreiche Kita-Mitarbeiterinnen in eine höhere Gehaltsklasse eingestuft. Es ist also durchaus attraktiv als Erzieherin oder Erzieher in Düsseldorf zu arbeiten.

Einige rechneten aber vor, dass sie nach der letzten Tarifanpassung nun plötzlich wieder schlechter dastehen.

Hintzsche Im letzten Tarifabschluss wurden neue Gehaltsstufen für Erzieherinnen und Erzieher in sozialen Brennpunkten eingeführt. Das wiederum kann dazu führen, dass Erzieherinnen und Erzieher an weniger fordernden Standorten nun knapp unter den Gehältern des "Düsseldorfer Modells" bleiben. Das gilt aber nur für neu eingestellte Kräfte, für alle anderen Mitarbeiter gibt es einen Bestandschutz. Schauen Sie: Wir können das nicht anders machen, weil wir als Stadt sonst aus der Tarifgemeinschaft ausscheren würden.

Sie fürchten keinen Erzieher-Mangel für die immer weiter wachsende Kommune?

Hintzsche Nein. Uns erreichen zahlreiche Bewerbungen.

Düsseldorf wurde als "familienfreundliche Stadt" zertifiziert. Hat die Stadt das tatsächlich verdient?

Hintzsche Ja, das hat sie. Unser Vormerk-System "Kita-Navigator" hat sich deutschlandweit zum Exportschlager entwickelt. Gemeinsam mit Stuttgart haben wir einen Kinderschutz-Bogen entwickelt, der bei möglicher Kindeswohl-Gefährdung zum Einsatz kommt. Und wir haben Geburtskliniken, Ärzte, Jugend- und Gesundheitsamt beim Projekt "Zukunft für Kinder" vernetzt. Der springende Punkt ist, dass wir als erste Großstadt Jugendhilfe, Schulentwicklung, Gesundheit, kulturelle Teilhabe, Sport und Bewegung integriert haben, mit dem Ziel, ein vernetztes Angebot aus einem Guss anbieten zu können.

Was bringt das konkret?

Hintzsche Es verbessert die Präventionskette. Ein Beispiel: Hört ein Kind schlecht, ist die Gefahr groß, dass es auch sprachlich zurückfällt. Wird das frühzeitig bemerkt, können Nachteile gleich zu Beginn des Schullebens vermieden werden.

Bei allen vorbildlichen Initiativen und Projekten, Missstände gibt es auch in Düsseldorf. Im Kinderhilfezentrum Eulerstraße kam es wegen angeblich überflüssiger Fixierungen, Hygienemängeln und Übergriffen auf Jugendliche zu Ermittlungen, Honorarkräfte wurden damals entlassen.

Hintzsche Die meisten der seinerzeit erhobenen Vorwürfe waren nicht haltbar. Trotzdem waren die Zustände nicht optimal. In der Einrichtung waren Kinder und Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen und eine steigende Zahl unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge gemeinsam untergebracht. Das hat zu Konflikten geführt. Die Situation ist heute eine andere. Für die Flüchtlinge haben wir Wohngruppen auf der Ludwig-Beck-Straße eingerichtet.

Eltern klagen - unmittelbar vor dem bundesweiten Jugendhilfetag - über zu viel Dreck und zu wenig Hygiene in Düsseldorfer Kitas. Nicht eben gut fürs Image einer familienfreundlichen Stadt.

Hintzsche Wir müssen jeden einzelnen Fall anschauen und dafür sorgen, dass die Standards eingehalten werden.

Auch dadurch, dass die ausgelagerten Reinigungsleistungen wieder von der Stadt übernommen werden?

Hintzsche Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich in manchen Bereichen den Eigenbetrieb für besser halte. Mitarbeiter übernehmen dann mehr Verantwortung für ihr Tun.

Die Stadt betreibt flächendeckend Jugendzentren. Kritiker sagen, die Konzepte der 1970er Jahre und die Öffnungszeiten stimmten nicht mehr mit der Lebenswirklichkeit junger Menschen überein.

Hintzsche An den Konzepten arbeiten wir natürlich. Außerdem haben wir bereits Standorte mit längerer Öffnung am Nachmittag und an den Samstagen etabliert. Besonders in Stadtteilen mit sozialen Brennpunkten werden wir diese Art von Treffpunkten auch in der Zukunft brauchen.

Wird es in Düsseldorf Kita-Gebühren für über Dreijährige geben?

Hintzsche Ausbau und Qualität sind wichtiger als der Verzicht auf Elternbeiträge.

(jj)
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