Analyse Ein Begriff, zwei Auslegungen

Düsseldorf · Satire Unverständliche Begriffe aus dem Bankenwesen sind elementare Waffen im Streit zwischen OB Thomas Geisel und Sparkassenchef Arndt Hallmann um den Sparkassengewinn. Unser Wirtschaftsredakteur Thorsten Breitkopf hat sich in die Köpfe der beiden Kontrahenten hineingedacht.

 Sparkassenchef Arndt Hallmann will den Gewinn behalten.

Sparkassenchef Arndt Hallmann will den Gewinn behalten.

Foto: A. Bretz

Oberbürgermeister Thomas Geisel und der Chef der Stadtsparkasse Düsseldorf, Arndt Hallmann, kämpfen verbissen darum, wer einen Gewinn von rund 26 Millionen Euro behalten darf. Hallmann will ihn ins Eigenkapital stecken, der OB möchte das Geld für seinen Haushalt. In diesem Streit werden Begriffe eingesetzt, die kaum einer versteht. Wir erklären Worte, die nur für leidenschaftliche Hobby-Ökonomen und Bilanz-Enthusiasten geläufig sind, anhand der Definition aus einem Wirtschaftslexikon. Parallel versuchen wir zu erahnen, wie Hallmann und Geisel diese Begriffe gern deuten würden. Das ist Fiktion, weder Herr Hallmann noch Herr Geisel haben sich tatsächlich so oder auch nur ähnlich dazu geäußert.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel will eine Gewinnausschüttung.

Oberbürgermeister Thomas Geisel will eine Gewinnausschüttung.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Gewinn-Thesaurierung

Lexikon:Gewinn-Thesaurierung ist im Rechnungswesen die Bezeichnung für alle bilanziellen Maßnahmen, die auf eine Einbehaltung von Gewinnen im Unternehmen abzielen und somit nicht zu einer Gewinnausschüttung führen.

Sparkassenchef: Gewinn-Thesaurierung ist notwendig, um insbesondere das Geld des kleinen Sparers (Omas, Enkelkinder) vor einem schrecklichen Wertverlust zu schützen. Die Zeiten werden düster, wir müssen alles horten, was wir haben.

Oberbürgermeister: Gewinn-Thesaurierung schön und gut, aber man kann sich auch kaputtsparen. Das Geld ist doch viel besser in einem schönen Fahrradweg verbaut, auf dem meine Wähler (Enkelkinder, Omas) in den Sonnenuntergang radeln können, als in einer verstaubten Bilanz.

Eigenkapital

Lexikon: Sind im Gegensatz zum Fremdkapital jene Mittel, die von den Eigentümern einer Unternehmung zu deren Finanzierung aufgebracht oder als erwirtschafteter Gewinn im Unternehmen belassen wurden.

Sparkassenchef: Eigenkapital ist der Stoff, der mich nachts schlafen lässt. Mit zu wenig Eigenkapital kann ich das nicht. Daher braucht meine Bank auf jeden Fall mehr davon. Mit Eigenkapital kann ich leben, auch wenn ich weniger Gewinne mache. Die Kohle bleibt hier.

Oberbürgermeister: Eigenkapital ist ne schöne Sache. Aber die Dosis macht das Gift. Und die Sparkasse hat schon genug davon. Jetzt sind wir an der Reihe. Wenn der Gewinn an die Stadt geht, und nicht in die Bank, dann ist das ja was Gutes für die Allgemeinheit. Denn die Stadt, das sind wir alle. Her mit der Kohle.

Basel III

Lexikon: Der Begriff bezeichnet ein Reformpaket des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Bankenregulierung. Es ist die Reaktion auf die von der weltweiten Finanzkrise 2008 offengelegten Schwächen der bisherigen Regulierung.

Sparkassenchef: Basel III ist die konsequente Fortsetzung von Basel II und macht mir gehörig das Leben schwer.

Oberbürgermeister: Basel ist eine Stadt in der Schweiz und für den Sparkassenchef eine tolle Ausrede, mir und damit den Bürgern der Stadt den Rekordgewinn vorzuenthalten.

Risikoaversion

Lexikon: In der Entscheidungstheorie bezeichnet Risikoaversion die Eigenschaft eines Entscheiders, dass dieser bei der Wahl zwischen mehreren Alternativen mit gleichem Erwartungswert die Alternative mit dem geringsten Risiko bezüglich des Ergebnisses bevorzugt.

Sparkassenchef: Risikoavers ist eine meiner liebsten Eigenschaften. Alle anderen sind Zocker.

Oberbürgermeister: Risikoaversion ist Feigheit vor der Rendite.

Sonderposten für Bankrisiken

Lexikon: Kreditinstitute dürfen auf der Passivseite ihrer Bilanz zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken einen Sonderposten "Fonds für allgemeine Bankrisiken" bilden, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken der Kreditinstitute notwendig ist. So steht es wörtlich im Paragrafen 340 g des deutschen Handelsgesetzbuchs.

Sparkassenchef: Da muss der Gewinn rein, und dadrin soll er auch bleiben, damit unsere geliebte Sparkasse auch in Zukunft blüht und Turnvereinen und Schützenbrüdern Aschenbecher, Kugelschreiber und die eine oder andere Biergarnitur stiften kann.

Oberbürgermeister: Da drin soll nicht das ganze schöne Geld versauern, mit dem ich Düsseldorf vor der Schulden-Sünde bewahren könnte und mit der ich das eine oder andere Wahlkampfversprechen halte.

Gewinnausschüttung

Lexikon: Bezeichnet den Teil des Jahresüberschusses eines Geschäftsjahres, den ein Unternehmen an die Eigentümer der Unternehmung oder im Falle einer Sparkasse an die Kommune ausschüttet.

Sparkassenchef: Kann man machen, will ich aber nicht, denn ich weiß was Besseres mit dem Geld anzustellen (siehe Eigenkapital und Risikoaversion).

Oberbürgermeister: Will ich haben, und zwar, weil sie mir zusteht. Die Stadt ist mit ihrer Sparkasse durch dick und dünn gegangen. Hat sie nicht im Regen stehenlassen, als es um Flachbildschirmgeschenke und Kredite an Ehegatten schillernder Fernsehstarlets ging. Es gibt doch so viel Gewinn, der reicht doch für zwei. Wenigstens die Hälfte wäre nett.

Beanstandung

Im Sparkassengesetz ist geregelt, dass der Verwaltungsratschef und Oberbürgermeister auch der so genannte Hauptverwaltungsbeamte ist. Laut Gesetz "ist (dieser) verpflichtet, Beschlüsse des Verwaltungsrates, die das Recht verletzen, zu beanstanden."

Sparkassenchef: An meiner Bilanz gibt's überhaupt nichts zu beanstanden. Ich bin ein ordentlicher Kaufmann und hab nicht gepfuscht.

Oberbürgermeister: Das ist die letzte Chance, dem von mir fachlich geschätzten Sparkassenchef klarzumachen, dass ich mit der Kohle was Besseres machen kann als er. So stelle ich das Gemeinwohl in Düsseldorf wieder sicher und werde in fünf Jahren wiedergewählt.

(RP)
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