Zugunglück in Düsseldorf-Eller Ein Jahr nach der Beinahe-Katastrophe

Düsseldorf · Vor einem Jahr rammten zwei Güterzüge einen Bus, der auf dem Bahnübergang "Am Hackenbruch" in Eller liegengeblieben war. Die Fahrgäste konnten sich retten, ein Gartenhaus wurde zerstört. Sicherer geworden ist der Übergang seitdem nicht.

Bahnunglück Düsseldorf 2012: Luftbilder der Schäden
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Diesen Abend kurz vor Weihnachten 2012 wird Rafael Lassak nie vergessen: Es ist 20.20 Uhr, er sitzt im Bus der Linie 721 und ist auf dem Rückweg von seiner Mutter und seiner Schwester, die in Vennhausen wohnen. Doch er kommt nicht einmal eine Haltestelle weit. Plötzlich bleibt der Bus stehen — ausgerechnet auf dem Bahnübergang "Am Hackenbruch". Lassak verlässt mit zwei weiteren Fahrgästen schnell das Fahrzeug und kehrt sogar noch einmal zurück, um den Busfahrer raus zu holen. Als Lassak aus dem Fenster schaut, kommt ein Güterzug heran. Gerade noch rechtzeitig retten sie sich von den Gleisen. Dann gibt es einen lauten Knall, wenig später rammt ein zweiter Zug den 18 Meter langen Gelenkbus, der wegen eines technischen Defekts liegengeblieben war.

Er ließ sich nicht mehr bewegen — nicht vor, nicht zurück, gab der Fahrer später an. Der genaue Grund dafür ist bis heute nicht bekannt. Die Güterzüge trafen den Bus mit voller Wucht, weil sie nicht mehr bremsen konnten und zerquetschten ihn regelrecht. Eine der Loks entgleiste, rutschte einen Hang hinab in ein Gartenhaus. Auch die Befestigung der Gleise wurde schwer beschädigt, 400 Meter Oberleitung abgerissen, die Schrankenanlage musste erneuert werden. Deshalb blieb der Bahnübergang in Eller fünf Wochen gesperrt. Autofahrer und Fußgänger mussten Umwege in Kauf nehmen. Bei der Bahn entstand allein an der Gleisanlage, Schienen und Schwellen ein Schaden von mehr als 600.000 Euro. Der größere Schaden sei an den Loks entstanden, wie eine Bahnsprecherin bestätigt.

Rafael Lassak saß vor einem Jahr in dem Bus, der von zwei Güterzügen gerammt wurde. Die Businsassen hatten das Fahrzeug rechtzeitig verlassen.

Rafael Lassak saß vor einem Jahr in dem Bus, der von zwei Güterzügen gerammt wurde. Die Businsassen hatten das Fahrzeug rechtzeitig verlassen.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Nach diesem Unglück ist eine Diskussion um die Sicherheit von Anliegern und Politikern entbrannt, die erneut entfacht wurde, als im Mai an selber Stelle ein Auto von einer Lokomotive mitgeschleift wurde. Probleme mit der Sicherheit gibt es nach Einschätzung der Bahn an dieser Stelle trotzdem nicht.

Auf Wunsch der Stadt gab man eine Studie in Auftrag. Darin wurden Alternativen zum jetzigen Übergang mit Halbschranken und Lichtzeichen geprüft. Doch passiert ist bis heute nichts. Die gemeinsamen Planungen von Stadt und Bahn sehen eine Unterführung der Bahngleise vor. Wann und ob sie kommt, ist ungewiss, zumal auch die Finanzierung noch nicht geklärt ist.

Wenn Rafael Lassak heutzutage seine Mutter und seine Schwester in Vennhausen besuchen will, entscheidet er sich gelegentlich für eine andere Buslinie, die 722. Die brauche zwar etwas länger als die 721, und er müsse weiter laufen, aber die fahre nicht über die Bahngleise. "Ich habe da manchmal so ein komisches Gefühl." Dieses werde dann verstärkt, wenn er trotz dieses Gefühls mit der 721, also der damals verunglückten Linie, fahre und aus dem Fenster schaut. Denn dort, wo einst die Gartenlaube stand, zeigt sich immer noch eine Trümmerlandschaft.

Die Hütte gehört den Plewkas. "Es ist schlimm, dass sich nichts getan hat", sagt Christiane Plewka. Ihre Familie hat das Grundstück von der Bahn seit 50 Jahren gepachtet. Ihre Großeltern hätten dort früher gewohnt, berichtet die 53-Jährige. Sie selbst verbrachte dort eine glückliche Kindheit. "Jetzt können wir die Laube nicht mehr nutzen, haben kein Wasser, keinen Strom." Die Bahn sieht sich nicht in der Pflicht, die Rheinbahn beruft sich auf ein "schwebendes Verfahren". Es gebe mehrere Anspruchsteller. "Eine Forderung von den Laubenbesitzern wurde bei uns nicht angemeldet", erklärt Rheinbahnsprecher Eckhard Lander. Christiane Plewak beklagt, dass sie selbst von ihrer Anwältin nichts gehört habe.

Jetzt, ein Jahr später ist Rafael Lassak an den Unfallort zurückgekommen. Er steht genau an der Stelle, an der die Züge den Bus gerammt haben. "Die Erinnerungen bleiben", erzählt er. Auch weil ihn seine Freunde immer wieder an diesen Tag erinnern. Sie fragen ihn bis heute danach. Wie war das? Wie bist aus dem Bus gekommen? Lassak weiß nicht, wie oft er die Geschichte erzählt hat. "Ich bin einfach froh, dass ich rechtzeitig aus dem Bus gekommen bin", sagt der 55-Jährige.

(ila)
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