Ein Jahr nach Orkan "Ela" Ein Todesfall beschäftigt die Düsseldorfer Justiz

Düsseldorf · Vier Menschen kamen vor einem Jahr durch das Unwetter in Düsseldorf ums Leben. Die Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen bei den drei Toten von der Henkelstraße ein, in einem weiteren Fall kann es noch zu einem Zivilprozess kommen.

Drei Tote in Gartenhaus bei Sturm in Düsseldorf
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Drei Tote in Gartenhaus bei Sturm in Düsseldorf

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Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es waren die Tragödien der verheerenden Sturmnacht: In Reisholz hatte eine Familie Freunde und Verwandte aus Leverkusen zu Besuch. An dem wunderbar sommerlichen Nachmittag hatten sie gemeinsam im Garten hinter dem Mietshaus an der Henkelstraße gegrillt. Als sich der Himmel verdunkelte, waren einige ins Wohnhaus gegangen. Mit acht Personen hatte der Gastgeber Schutz im Gartenhaus gesucht, das auf dem Grundstück an der Grenze zum Bahndamm stand.

Es muss auf dem Höhepunkt des Sturms gewesen sein, kurz nach 21 Uhr, als eine der haushohen Pappeln hinter dem Gebäude umstürzte, das kleine Häuschen unter sich begrub. Gastgeber Z. und zwei seiner Gäste konnten sich unverletzt aus den Trümmern befreien - sechs der Verwandten waren darunter vermisst.

Vorher-Nachher: Ein Jahr nach Sturm Ela in Düsseldorf
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Vorher-Nachher: Ein Jahr nach Sturm Ela in Düsseldorf

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Foto: Andreas Endermann

Es war ein schwieriger Einsatz für die Feuerwehr, die sich erst einmal einen Weg zur Unglücksstelle bahnen musste. Und das unter den sich noch immer bedrohlich biegenden Bäumen hinter der Häuserzeile. Für zwei Männer (56 und 53 Jahre) und eine 52-jährige Frau aus Leverkusen kam die Hilfe zu spät. Zwei 25 und 30 Jahre alte Frauen rettete die Feuerwehr schwer verletzt, einen jungen Mann konnte sie unverletzt aus den Trümmern befreien.

Ela 2014: Sturmschäden in Düsseldorf von oben
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Foto: Hans Blossey

Der Tod der drei Angehörigen hat die Familie tief erschüttert. Die Polizei leitete routinemäßig ein Ermittlungsverfahren ein. Das tut sie immer, wenn die Todesursache "nicht natürlich" heißt. Am Ende der Ermittlungen heißt es: Es gibt keine Hinweise auf Fremdverschulden. Die beiden Männer und die Frau starben durch "höhere Gewalt".

Knapp zwei Wochen dauerte der Ausnahmezustand in Düsseldorf. Der letzte "Ela"-Einsatz der Feuerwehr am 20. Juni lag über einen Monat zurück, als der Sturm ein viertes Todesopfer forderte. Alkar Vogel starb in einem Krankenhaus, an Multiorganversagen, nachdem ein 20 Meter hoher Baum ihm etliche Knochen gebrochen hatte.

Die Witwe des 58 Jahre alt gewordenen Computerspezialisten hat Anfang des Jahres ein Beweisverfahren gegen die Versicherung ihres Nachbarn beantragt. In dessen Garten in Derendorf hatte die Zeder gestanden, die am Pfingstmontag 2014 auf ihre Terrasse stürzte, wo Alkar Vogel nur eben schnell den Klapptisch vor dem Regen in Sicherheit bringen wollte. Mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma war er in eine Klinik gekommen, die Prognose lautete zumindest Querschnittslähmung.

Sylvia Vogel und ihr Sohn planten bereits den behindertengerechten Umbau ihres Derendorfer Hauses, als Alkar im August seinen Verletzungen erlag. Die Versicherung des Nachbarn beruft sich auf höhere Gewalt, schließt deshalb eine Haftung aus. Doch ein Sachverständiger hat festgestellt, dass die Zeder womöglich dem Sturm standgehalten hätte, wenn nicht ein Baum, der ganz in ihrer Nähe stand, vorher gefällt worden wäre. Vogels hoffen auf eine außergerichtliche Einigung mit der Versicherung. Kommt es dazu nicht, kann aus dem Beweisverfahren noch ein Zivilprozess werden. Und der kann sehr lange dauern.

Wo Bäume umstürzen, geht es um Haftungsfragen und die Verkehrssicherungspflicht. Sie geht auf Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zurück, das festschreibt, dass Vorkehrungen treffen muss, wer für Gefahrenquellen die Verantwortung hat. Bäume, die umstürzen können, sind Gefahrenquellen.

Ein Generalthema für die Stadtverwaltung, erst recht nach dem Sturm. "Früher hat man zwei Mal im Jahr jeden Baum überprüft", sagt Gartenamtsleiterin Doris Törkel. Davon ist man abgekommen, nach Maßgabe der Richtlinien der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und -bau (FLL) werden die Kontrollintervalle schon seit 2010 davon abhängig gemacht, wo der Baum steht, wie alt und in welchem Zustand er ist. Junge Bäume werden vielleicht erst nach zwei oder drei Jahren kontrolliert, gefährdete drei Mal im Jahr.

Die Zahl der Kontrollen hat sich nach "Ela" dramatisch erhöht, schon weil viel mehr Bäume beschädigt sind. 30 000 stürzten um oder wurden gefällt, erst hieß es, 10 000 müssten beschnitten und könnten so erhalten werden. Die Zahl dieser "Patienten" liegt mittlerweile bei 24 000. Die Stadt baut ein Baumkataster auf, in dem nicht nur die 69 000 Straßenbäume stehen samt gerichtsfester Dokumentation aller Kontroll- und Pflegemaßnahmen, sondern bald auch die wohl ebenso vielen Parkbäume. Mehr als 30 zertifizierte Baumkontrolleure sind dafür im Dauereinsatz.

(RP)
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