Düsseldorf Einbrecher kennen keine Grenzen

Düsseldorf · Dieter Töpfer, Leiter der zentralen Ermittlungskommission Wohnung, wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit der europäischen Behörden. Die Kommission war vor 15 Jahren gegründet worden, um horrenden Einbruchszahlen entgegenzuwirken.

 Die Opfer hatte Dieter Töpfer immer im Blick. Als Experte weiß er, dass die Nachwirkungen eines Einbruchs so schlimm sein können wie ein körperlicher Übergriff.

Die Opfer hatte Dieter Töpfer immer im Blick. Als Experte weiß er, dass die Nachwirkungen eines Einbruchs so schlimm sein können wie ein körperlicher Übergriff.

Foto: andreas bretz

Einbrecher haben sein (Berufs)leben bestimmt. Könnte man sagen, über Dieter Töpfer, der seit dem ersten Praktikum bei der Kripo Anfang der 1980er immer irgendwie mit Einbrechern zu tun hatte. In vielen Fällen, das kann man aber auch sagen, war die Sache mit der Bestimmung eindeutig umgekehrt: Töpfer, den sie bei der Spitznamen verliebten Polizei Potter nennen, hat mit seinem Team so einigen Einbrechern die kriminelle Karriere durchkreuzt und sie hinter Gitter gebracht.

Und immer wieder haben sich politische Entscheidungen auf seine Arbeit ausgewirkt. Wie damals, Anfang der 1990er Jahre, als landesweit für die Kriminalitätsbekämpfung "Dezentralisierung" als Zauberwort ausgegeben wurde. Für manche Delikte mag das ja ganz sinnvoll sein, aber beim Einbruch hatten viele Fachleute, vor allem die Polizisten aus dem "4. K", Bedenken. Würden sich die Einbrecher, vielfach organisierte Banden, die heute hier und morgen da zuzuschlagen pflegten, auch an die polizeilichen Zuständigkeitsgrenzen halten? Sie taten es natürlich nicht, und in den damals noch sechs Schutzbezirken der Düsseldorfer Polizei konnte montags ein Täter in Angermund und dienstags in Hellerhof einbrechen, und frühestens am Freitag erfuhren die Fahnder vom jeweils anderen Fall. Der Täter war dann meist schon in irgendeiner anderen Stadt, in der die Polizei dasselbe Problem hatte. "Die Kollegen haben gute Arbeit gemacht - aber es war komplizierter, die Ergebnisse zusammenzuführen" , sagt Töpfer.

Der ermittelte zu jener Zeit im Bereich der Organisierten Kriminalität und hatte auch da mit Einbrechern zu tun, einer Spezies, die um 1999 herum mit besonders dreisten Taten von sich reden machte: Homejacker drangen nachts in Häuser ein und stahlen, während die Besitzer schliefen, deren Autos samt Schlüssel und Papieren. Einige der Banden, die dahinter steckten, wurden gefasst, andere nie. Für die Opfer war das Trauma besonders groß: Morgens zu entdecken, dass Kriminelle in der Nacht in ihr Zuhause eingedrungen waren, ist schwer zu verkraften.

Die Opfer hatte Dieter Töpfer immer im Blick, wenn er in den Jahren danach auch öffentlich über Einbrüche sprach. Denn der Übergriff auf die Privat- und Intimsphäre hat für die Betroffenen nicht selten genauso schlimme Nachwirkungen wie das Erleben körperlicher Gewalt. Da sind auch die Ermittlungen bisweilen "eine hochemotionale Sache". Sein Mitgefühl mit den Tätern, auch wenn der ein oder andere, den Töpfer traf, kein leichtes Schicksal hatte, hält sich deshalb in Grenzen. "Niemand muss in diesem Land stehlen. Und der Schaden, den die Täter anrichten, ist enorm."

2002 wendete sich das Blatt im Land wieder. Nicht zuletzt aufgrund der drastisch gestiegenen Einbruchszahlen und der gleichzeitig sinkenden Aufklärungsquote machten sich die Experten nun für die Einrichtung zentraler Ermittlungsstellen stark. In Düsseldorf richtete das Präsidium zunächst eine Ermittlungskommission ein. Die "EK Wohnung" bekam den Auftrag, stadtweit Wohnungseinbrüche zu untersuchen, unabhängig vom Behörden-Dienstplan und befreit von Personalanforderungen bei größeren Einsätzen. Dieter Töpfer wurde zum EK-Leiter bestellt, und nach einem halben Jahr schon hatten er und seine 19 Kollegen messbare Erfolge vorzuweisen. Aus der EK wurde ein reguläres Kriminalkommissariat, das 2003 einen Rückgang der Fallzahlen um 16,5 und eine Steigerung der Aufklärungsquote um knapp fünf Prozent vermelden konnte.

Der Erfolg hatte auch mit der Methodik der Ermittler zu tun: Jeder Fall wurde analysiert, um Muster zu erkennen und eventuelle Serien aufzudecken. Die Art und Weise, mit der die Täter vorgehen, der "Modus Operandi", gibt dabei nicht selten Hinweise auf seine Herkunft. Albanische Banden etwa bohren häufig die Fenster auf, von südosteuropäischen Banden gesteuerte kleine Mädchen arbeiten mit Schraubenziehern, deutsche Jugendliche übten sich als Fassadenkletterer. Töpfers Team klärte damals Serie um Serie.

Nun ist für ein Opfer vermutlich egal, ob ein Serientäter oder ein Gelegenheitsdieb, ein Bandenmitglied oder ein Einzeltäter in sein Zuhause eingedrungen ist. Für die Fahnder aber bedeutet das Stoppen einer Serie, Sicherheit zu schaffen. Nicht selten haben sie mit der Festnahme einer Bande weit über 100 Taten aufgeklärt. Das dauerte oft lang und brauchte eigene Sonderkommissionen, die aber nicht wie anderswo die Tatortadressen im Namen trugen. Die Einbruchsspezialisten bewiesen da mehr Kreativität: Zwei Nachtserien klärten die EK Luna und Eule, EK Tafel spürte eine Bande Schuleinbrecher auf, "Juba" verfolgte eine Jugendbande und die EK BoNa die Nachfolger von einem, der sich Boss genannt hatte und längst im Gefängnis saß. Nur die EK Noris war mal nach einem Tatort benannt, allerdings nur allegorisch - an der Nürnberger Straße.

Im ganzen Land, sagt Töpfer, der Spaß am um die Ecke Denken hat, sorgte damals die Rückkehr zu klaren, zentralen Strukturen "für eine Aufbruchstimmung". Nicht nur in den Präsidien wurden die Ermittlungsergebnisse zusammengeführt, sondern der Austausch auch mit den anderen Behörden im Land verbessert. "Wir griffen gemeinsam an - und konnten mit vereinten Kräften und durch gutes Zusammenspiel eine ordentliche Schneise schlagen."

Dazu gehörte die Optimierung der Spurensicherung, auch DNA-Beweise spielten eine zunehmend größere Rolle. Und immer wieder die Kleinigkeiten, die sich als entscheidende Puzzleteile entpuppten. Wie im Fall des Täters, in dessen Wohnung sie zwei teure Anzüge fanden, von denen der Mann beteuerte, es seien seine. Das glaubten ihm die erfahrenen Ermittler nicht. Sie fanden heraus, dass die Anzüge aus einer exklusiven Boutique in Berlin stammten - aber ordnungsgemäß gekauft worden waren. Die Kreditkarte, mit der sie bezahlt wurden, führte die Polizei schließlich zu dem Mann in Derendorf, dem diese Anzüge bei einem Einbruch gestohlen worden waren. "So viel Glück haben wir nicht immer", sagt Töpfer. "Deshalb ist es wichtig, dass wir immer genaue Verlustanzeigen haben." Dann kann ein Verdächtiger, dem vielleicht gerade keine konkrete Tat nachzuweisen ist, zumindest durch die IMEI-Nummer seines (gestohlenen) Handys mit einem bekannten Fall in Verbindung gebracht werden. "Genau solche Kleinigkeiten brauchen wir."

Und natürlich Hartnäckigkeit und Ausdauer. Wie im Fall des Einbrechers, der über ein Flachdach in eine Wohnung eingedrungen und aus dem falschen Fenster vor den nach Hause kommenden Besitzern geflüchtet war. "Da war kein Flachdach mehr drunter, und der Mann stürzte ein paar Meter in die Tiefe." Humpelnd war er geflüchtet und nur gefunden worden, weil ein sogenannter Szeneermittler sämtliche Krankenhäuser der Stadt abgeklappert hat und den Täter schließlich in einem davon fand. "Als ein Richter ihm am Bett den Haftbefehl verkündete, klingelte unter der Decke ein Handy - das war auch gestohlen", erinnert sich Töpfer nicht ohne ein kleines bisschen Schadenfreude.

Bis 2007 dauerte die Erfolgsgeschichte. Dann explodierten die Fallzahlen erneut. Fünf Jahre nach Gründung der EK Wohnung waren sie fast halbiert gewesen. Das Einbruchskommissariat hatte deshalb sogar erstmals Personal abgeben müssen. Aber das sieht Töpfer nicht als Grund für die Umkehr der Entwicklung. Reisende Täterbanden fielen nun wie Rollkommandos in die Wohngebiete ein, nicht nur in Düsseldorf. 2011 waren die Zahlen noch höher als in der Anfangszeit der EK Wohnung. Und ein Jahr später sprach der NRW-Innenminister aus, was die Einbruchsermittler längst wussten: Mit der EU-Osterweiterung waren scharenweise neue Tätergruppen ins Land und natürlich auch nach Düsseldorf gekommen. Die internationale Antwort darauf müsste heute eigentlich der ähnlich sein, mit der die Polizeibehörden in NRW einst erfolgreich waren: Zusammenarbeit. "Wenn der Daten- und Personenabgleich zwischen Düsseldorf und Amsterdam ein paar Minuten statt ein paar Wochen dauert - dann haben wir Europa", sagt Töpfer.

Für ihn birgt "jeder Erfolg die Motivation für den nächsten Tag". Damals galt es vor allem, die Motivation trotz schlechter Ergebnisse nicht zu verlieren. Und auch nicht daran zu verzweifeln, dass sie nicht selten einen Täter erwischten, der eigentlich im Gefängnis hätte sein müssen. Vor allem bei Drogenabhängigen, die mit Einbruch ihre Sucht finanzieren, neige die Justiz dazu, Therapie vor Strafe zu stellen, und dann trifft die Polizei eben schnell wieder auf alte Bekannte.

"Was die Justiz aus unserer Arbeit macht, kann nicht unser Maßstab sein", war die Devise im Einbruchskommissariat und ist es noch. Vielleicht, sagt Töpfer, wäre es nicht schlecht, wenn ein Gericht auch mal die Opfer von Einbrüchen hört. Dann wäre man vielleicht beim Strafmaß nicht so oft beim "minderschweren" Fall. "Was bitte soll an einem Einbruch minder schwer sein?", fragt Töpfer.

Sein Vertrauen in den Rechtsstaat ist dennoch groß. So groß, dass er die Debatte um Vorratsdatenspeicherung, mit deren Hilfe sich viele Fälle hätten schneller klären lassen, nicht nachvollziehen kann. "Wir sind ein zivilisiertes Land. Bei uns wird niemand willkürlich oder gezielt falsch verfolgt. Aber wir müssen doch auch die Bevölkerung schützen." Die aktuelle Diskussion, Einbruch zum Verbrechenstatbestand zu erheben, findet der Polizist richtig. Nicht nur, weil es andere Strafen ermöglicht. Sondern auch Ermittlungstaktiken gestattet, die bei kleineren Vergehen als nicht verhältnismäßig gelten.

Den Fall eines Mannes, der einen Einbrecher in seiner Wohnung überraschte, ihm in den Daumen biss und nicht mehr losließ, bis die Polizei ihm den Täter gewissermaßen aus den Zähnen nahm, empfiehlt Dieter Töpfer trotz allem Eindruck, den der bissige Zeuge auf ihn gemacht hat, nicht zur Nachahmung. Die Hilfe der Bürger, um die er als Chef der Einbruchsfahnder regelmäßig bittet, sollte vor allem in hoher Wachsamkeit auch für das Geschehen in der Nachbarschaft bestehen. Und im Schutz der eigenen vier Wände. So oft ist dieser Appell wiederholt worden, und seit einigen Jahren trägt er Früchte: Die Zahl gescheiterter Versuche steigt aufgrund der besseren Sicherungsmaßnahmen.

Und die der vollendeten Taten geht seit einer Weile auch wieder zurück, was dem Kriminalkommissariat 14 einige Anstrengung abverlangt hat. Auch Dieter Töpfer, der sein Team nun verlassen wird. Nach all den Jahren, in denen er verlässlicher für den Job als im privaten Alltag präsent gewesen ist, will er jetzt auch da die Vorzeichen umkehren: Töpfer geht in den Ruhestand.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort