Tag der Deutschen Einheit Eine grenzenlose Freundschaft

Düsseldorf · Die Düsseldorf-Chemnitzer Partnerschaft erzählt viel über die deutsche Einheit. Zwischen beiden Städten gab es immer enge Kontakte.

 Mit einem Picknick in der Tschechoslowakei begann vor fünfzig Jahren eine lange Freundschaft zwischen Menschen aus Düsseldorf und Chemnitz.

Mit einem Picknick in der Tschechoslowakei begann vor fünfzig Jahren eine lange Freundschaft zwischen Menschen aus Düsseldorf und Chemnitz.

Foto: Emmi Haag

Die Freundschaft zwischen Düsseldorf und Chemnitz begann mit einem Picknick am Straßenrand. An einer kleinen Straße, irgendwo zwischen Karlsbad und Eger in der Tschechoslowakei, hatten sich 1967 die Jugendgruppen der beiden Städte verabredet. Vorher hatten sie sich nur Briefe geschrieben, jetzt standen sie sich zum ersten Mal gegenüber.

Emmi Haag und Karl-Heinz Men aus Düsseldorf erinnern sich noch gut an den Tag vor 50 Jahren. Sie waren mit der katholischen Jugend unter Leitung von Renate Brockerhoff zu dem ersten Treffen gereist. Die Kirche hatte eine Patenschaft zwischen Chemnitz und Düsseldorf beschlossen, die die Gläubigen im geteilten Deutschland vereinigen sollte. "Wir wollten die Christen im Osten unterstützen und zeigen, dass jemand da ist, der an sie denkt", erinnert sich Men.

 Als sich die Jugendlichen erstmals trafen, hieß Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt und war Teil der DDR.

Als sich die Jugendlichen erstmals trafen, hieß Chemnitz noch Karl-Marx-Stadt und war Teil der DDR.

Foto: Emmi haaG

Unabhängig davon war eine Freundschaft zwischen Düsseldorf und einer ostdeutschen Stadt auch auf politischer Ebene seit langem im Gespräch. Mit der Umsetzung taten sich beide Seiten allerdings schwer. 1988 wurde die Idee plötzlich verwirklicht. Erich Honecker hatte den Plänen persönlich zugestimmt. Im Beisein einer Delegation aus der DDR unterschrieb Oberbürgermeister Klaus Bungert eine der ersten innerdeutschen Partnerschaften.

Das erste Treffen von Karl-Heinz Men, Emmi Haag und ihren Freunden lag da schon mehr als 20 Jahre zurück. Sie hatten nach dem Kennenlernen Feuer gefangen. Die Düsseldorfer besuchten die Gruppe aus Chemnitz, das damals Karl-Marx-Stadt hieß, jedes Jahr. Sie machten zusammen Urlaub in den östlichen Nachbarländern und trafen sich, wenn in Leipzig die große Messe stattfand. "In diesen Tagen brauchten wir kein Visum", erzählt Haag. Allerdings erlaubte die Eintrittskarte nur den Aufenthalt in Leipzig, die Weiterreise nach Chemnitz war streng verboten. Die Jugendlichen fuhren natürlich trotzdem: "Aus der Partnerschaft ist ganz schnell eine Freundschaft geworden", erklärt Men. Sie hätten die Chemnitzer zwar finanziell unterstützt, seien aber immer auch als Beschenkte zurückgekommen.

 Heute trifft sich die Gruppe noch immer. Zum fünfzigsten Jahrestreffen besuchten sie an diesem Wochenende unter anderem das Maxhaus.

Heute trifft sich die Gruppe noch immer. Zum fünfzigsten Jahrestreffen besuchten sie an diesem Wochenende unter anderem das Maxhaus.

Foto: Friedrich Gniffke

Selbstverständlich verliefen alle Treffen im Geheimen: "Um Gottes Willen", ruft Men, als er gefragt wird, ob die Behörden der DDR von den Treffen wussten. "Da wäre der Ofen aus gewesen." Christen seien vom Staat nicht gerne gesehen gewesen: "Die katholischen Jugendliche durften oft kein Abitur machen, die Eltern mussten mit beruflichen Einschränkungen rechnen", erzählt er.

Lange fanden die Treffen nur im Osten statt, die Chemnitzer durften nicht ausreisen. Der Kalte Krieg habe die Reisen immer begleitet. "Wenn wir der Grenze näher kamen, sind alle Gespräche allmählich verstummt", erinnert sich Haag. Irgendwann kam die Wende. Die Stadt verlor ihren heroischen Namen und benannte sich wieder nach dem kleinen sächsischen Fluss. Viele alte Freundschaften zerbrachen an den Umbrüchen. "Unsere Partnerschaft blieb bestehen", sagt Men stolz. Es ist ihm anzumerken, wie viel ihm das bedeutet.

Mit dem Mauerfall erlebte die politische Städtepartnerschaft ihre Blützeit. Im Februar 1990 beschloss der Rat eine finanzielle Hilfe von 2,4 Millionen Mark im Haushaltsplan für Chemnitz . Düsseldorf half beim Aufbau der vielen neuen Ämter mit Experten, Fachwissen und direkten Ansprechpartnern für die Chemnitzer Kollegen. Auf beiden Seiten gab es Dutzende Anfragen zu Schulpartnerschaften zwischen den Städten. Im Stadtarchiv ist noch heute die Liste von Geschenken zu finden, die das Düsseldorfer Schulverwaltungsamt kurzerhand in den Osten schickte: Aufgeführt sind dort unter anderem vier elektrische Schreibmaschinen, zwei Rechenmaschinen und 20 Videobänder.

2002 stellte die Natur die Städtepartnerschaft auf die Probe. Die Jahrhundertflut traf Sachsen mit voller Wucht. Chemnitz bat Düsseldorf, in der Nachbargemeinde Flöha auszuhelfen. Umfangreiche finanzielle Hilfen und Experten aus Düsseldorf wurden in das Krisengebiet geschickt.

Danach schlief die Freundschaft etwas ein. Düsseldorf glänzte lieber mit ansehnlichen Metropolen wie Chongqing und Haifa und vernachlässigte die Verbindung zu Chemnitz.

Emmi Haag, Karl-Heinz Men und die Freunde hingegen vergaßen ihre Freundschaft nie. Bis heute treffen sie sich regelmäßig, seit einiger Zeit alle zwei Jahre. An diesem Samstag feierten sie das 50-jährige Bestehen im Maxhaus.

Vielleicht war es das kontinuierliche Engagement der Katholiken das dafür sorgte, dass vor einigen Jahren auch die Städtepartnerschaft wieder mit Leben gefüllt wurde. Oberbürgermeister Geisel versprach 2015 zur Einheitsfeier, die Kontakte wieder zu intensivieren.

Heute finden wieder viele Veranstaltungen statt. Schüler des Görres-Gymnasiums spielten in Chemnitz beim Schultheater-Wettbewerb. Düsseldorfer nehmen jährlich am Chemnitzer Marathon teil. Zuletzt reiste die Chemnitzer Oberbürgermeisterin zum Grand Départ der Tour de France nach Düsseldorf.

Am Wochenende stand wieder ein Termin für Geisel im Rahmen der Partnerschaft im Kalender: Er besuchte die Gruppe und gratulierte den Katholiken zum Jubiläum. Die feierten den 50. Jahrestag ihrer Freundschaft mit einem sechstägigen Treffen in Altenberg und Köln. Am Samstag führte sie das Programm ins Düsseldorfer Maxhaus. Bemerkenswerte Fußnote: Nicht weit von dort hatte die Katholische Jugend vor 50 Jahren das erste Treffen in der Tschechoslowakei geplant.

(RP)
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