Düsseldorf Eine zweite Chance auf das Abitur

Düsseldorf · Am Abendgymnasium an der Rückertstraße bekommt man etwas, dass es im Leben nicht oft gibt: Eine zweite Chance. Mit dem richtigen Willen können Erwachsene neben der Arbeit die Fachhochschulreife und das Abitur nachholen.

 Clara Braun, Hendrik Mergen, Maximilian Schöne machen im Abendgymnasium von Schulleiter Stefan Gärtner (v. l.) ihr Abitur nach.

Clara Braun, Hendrik Mergen, Maximilian Schöne machen im Abendgymnasium von Schulleiter Stefan Gärtner (v. l.) ihr Abitur nach.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Es braucht schon eine große Motivation, wenn man sich als arbeitender Erwachsener noch einmal an die Schulbank setzt. Neben dem Job das Abitur oder die Fachhochschulreife am Düsseldorfer Abendgymnasium nachzuholen, birgt für einige Bürger die Möglichkeit, die Karriere voranzubringen. Andere sehen die Chance, eine Entscheidung aus der Vergangenheit zu korrigieren und den Bildungsweg weiter zu gehen. Dann gibt es jene, die sich für ihr Selbstbewusstsein zum Besuch der Abendschule entscheiden.

Hendrik Mergen aus Mettmann gehört zu letzteren. Er hat einen Job in der Kreisverwaltung, trotzdem kommt er an vier Tagen die Woche nach Düsseldorf, um sein Abitur nachzuholen. "Ich mache das nicht nur zur Weiterbildung, sondern auch, weil es mir Spaß macht", sagt der 19-Jährige. Ursprünglich ging Hendrik auf ein Gymnasium, wechselte aber zur Realschule, weil ihm die Motivation gefehlt habe. Nach dem Abschluss fand er eine Ausbildungsstelle, mit 18 war er fertig, dann er stieg ins Berufsleben ein. Schnell packte ihn ein neuer Ehrgeiz: Neben der 36-Stunden-Arbeitswoche bürdete er sich noch die 20 Pflichtstunden auf, an denen Abendgymnasiasten - Schulleiter Stefan Gärtner nennt sie Studenten - pro Woche teilnehmen müssen. "Ich bereue es nicht", sagt Hendrik.

Ein Grund dafür könnte die Atmosphäre an der Schule sein. "Unsere Lehrer sehen sich als Partner auf dem Weg zum Ziel", sagt Gärtner. Seit 1981 ist der 62-Jährige an der Schule, die bis in die 1970er Jahre ihren Sitz in Oberkassel hatte. Heute nutzt sie von 17 bis 22 Uhr die Räume des Friedrich-Rückert-Gymnasiums in Mörsenbroich. Zu Spitzenzeiten waren 50 Lehrer am Abendgymnasium angestellt, heute sind es noch zehn. Auch die Zahl der Schüler hat abgenommen. Anfang der 90er Jahre seien es 900 gewesen, heute noch 300. Mit zunehmender Popularität der Berufskollegs, in denen man auch die Fachhochschulreife erreichen kann, habe das Interesse am Abitur abgenommen. Gut ein Drittel der Schüler verließen laut Gärtner das Abendgymnasium mit der für das Studium notwendigen Hochschulreife, aber ohne Abitur.

Die meisten Schüler seien um die 24 Jahre alt, fast alle stünden im Beruf. Dass man es nicht zu jeder Stunde rechtzeitig schaffe, sei keine Katastrophe. "Die Lehrer haben viel Verständnis", sagt Clara Braun. Die Düsseldorferin kann aus gesundheitlichen Gründen nicht auf eine Tagesschule gehen und nutzt das Abendgymnasium als kostenlose Möglichkeit, ihre Berufschancen zu verbessern, und schätzt vor allem, dass Schüler und Lehrer sich auf Augenhöhe begegnen. Die 21-jährige gehört zu den Ausnahmen. Eigentlich darf das im Jahr 1947 gegründete Abendgymnasium, das offiziell "Weiterbildungskolleg" heißt, nur besuchen, wer mindestens 18 ist und schon zwei Jahre gearbeitet hat, derzeit arbeitet oder die selbe Zeit als arbeitslos gemeldet war.

Arbeit, Alltag und Schule unter einen Hut zu bringen, das kann laut Gärtner nicht jeder. "Man muss sich vor allen Dingen organisieren können. Die Lernzeit mit der Berufstätigkeit zu vereinbaren, ist nicht leicht." Von 100 Angemeldeten erhielten nur 40 einen Abschluss. Das liege allerdings nicht an den Prüfungen, die grundsätzlich denen des normalen Abiturs entsprechen. Viele Teilnehmer würden es sich nach kurzer Zeit anders überlegen.

Maximilian Schöne ist entschlossen, zusätzlich zu seiner Ausbildung zum Flugzeugmechaniker noch zu studieren. "Ich will nicht nur schrauben, sondern auch entwickeln", sagt der 21-Jährige aus Mönchengladbach. Auch er arbeitet Vollzeit neben der Schule, Zeit für Freunde bleibe nur noch am Wochenende. Doch er und viele seiner Mitschüler können auf etwas bauen, das wohl nicht jeder Schüler hat: "Es macht Spaß, hierher zu kommen."

(bur)
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