Kolumne Mein Düsseldorf Endlich ist die Stadt nicht mehr auf dem Baum

Düsseldorf · Alle Aufregung hat sich gelegt - bis auf ein paar Reste sind die zerstörten Bäume verschwunden. Mancher meint: "Sieht gar nicht schlecht aus!"

 Die Maximilian-Weyhe-Allee ist nach Beseitigung der Schäden des Pfingstorkans auf einer Seite nahezu baumfrei.

Die Maximilian-Weyhe-Allee ist nach Beseitigung der Schäden des Pfingstorkans auf einer Seite nahezu baumfrei.

Foto: Endermann, Andreas

Eins vorab: Ich mag Bäume. Nicht nur in Stücke gesägt und im Kamin prasselnd. Nein - als naturnaher Mensch habe ich sie am liebsten so, wie die Natur sie sehr langsam wachsen ließ. Als Wald natürlich (hier passt das Wort wie sonst nie!), in den Parks, gern am Straßenrand oder im eigenen Garten. So ein Baum ist was Feines, ein wahres Wunderwerk. Er hat viel mehr Zeit als wir, bewegt sich zwar im Wind, aber nie von der Stelle. Er atmet Abgase ein und gibt saubere Luft ab, im Sommer spendet er Schatten, im Herbst versaut er dafür Gehwege und Gärten mit buntem Laub, und manchmal lässt er einen Ast runterfallen. Das ist normalerweise nicht weiter schlimm. Nur Eigentümer dort geparkter Autos haben eine gegenteilige Meinung, und alle, die gerade selbst da stehen, sind ebenfalls nicht begeistert, sondern danach mindestens verletzt.

Komischerweise haben die wenigsten Menschen eine Vorstellung davon, was so ein oberschenkeldicker Ast wiegt. Von ganzen Stämmen ganz zu schweigen. Nur so ist es zu erklären, dass manche bei Sturm glauben, das Dach eines Autos seit Schutz genug.

Kolumne Mein Düsseldorf: Endlich ist die Stadt nicht mehr auf dem Baum
Foto: Kuttler/luftbild-design.de

Auf dem Boden der Tatsachen

Warum das alles hier erwähnt wird? Weil die Stadt seit dem Orkan Ela am Pfingstmontag vorigen Jahres für Monate - sagen wir: mental auf dem Baum war. Und nun ist man wieder unten. Auf dem Boden der Tatsachen, sozusagen. Im Blick eine neue Realität mit weniger Bäumen, freiem Blick und oft mehr Licht. Und am Rhein mit einer gewiss harmloseren Pollenplage im Frühjahr, weil es so gut wie keine Pappeln mehr gibt, die ihre (wirklich fiesen) Flugsamen abgeben können.

Klar, der Sturm war schlimm, Ähnliches hat es hier nie gegeben. Aber, um im Bild zu bleiben, was in den Monaten danach passierte, erweckte den Eindruck, der Großteil der Stadt hätte einen in der Krone. Nun werden einige umgehend auf die Palme gehen und voller Zorn auf all die vielen vernichteten Bäume hinweisen. Ja, stimmt - zigtausende Pappeln, Buchen, Kastanien und sogar Eichen kippten. Einige tausend werden in den nächsten Monaten noch eingehen, weil sie irreparabel geschädigt sind. Es waren 20 000, 30 000 oder auch 50 000. Die Zahlen schwankten wie ein Zweig im Wind. Woran man eins sieht: So genau weiß das keiner. Sicher ist nur: Es waren viele, sehr viele.

Dennoch: Ist das wirklich nur als Katastrophe einzuschätzen? Die Stadt ist immer noch grün. Ein Orkan und seine Folgen, das ist - Natur. Und es passiert im Wald bei fast jedem Sturm. Hektarweise reißt es Bäume um, sie werden zersplittert wie Streichhölzer. Für den Eigentümer bitter, aber für die Natur nicht nur ein Kahl-, sondern auch ein Befreiungsschlag. Weil: Wo große Bäume mit ihren ausladenden Kronen stehen, wächst darunter nicht nur kein Gras mehr, sondern auch fast nichts anderes. Kaum jedoch sind die Riesen weg, sprießt atemberaubend schnell neues Leben. Und das ist auch gut so.

In der Stadt kann man diesen Dingen nicht einfach so ihren Lauf lassen, das ist klar. Da muss der Mensch ordnend eingreifen. Daher wird unser Freund, der Baum, wenn es ihm massenhaft an die Borke geht, zur Chefsache, und der rote Oberbürgermeister mutiert zum Hellgrünen. Aber selbst die anfangs Entsetzten erkennen inzwischen, welche Chancen sich ergeben.

Ela hat dem Hofgarten ein paar neue Scheitel verpasst

Der Hofgarten verändert sein Bild. Aber will tatsächlich einer behaupten, dass es schlechter ist als vorher? Der Park hat selbst den Krieg, arg gerupft, überstanden. Und nun hat Ela ihm ein paar neue Scheitel verpasst, aber bald wird er in frischer Schönheit aufblühen - wortwörtlich. Ungewohnte Sichtachsen sind entstanden, ursprünglich geplante wieder durchschaubar.

Oder die Rheinwiesen und -Deiche. Die dort entwurzelten Pappeln waren mächtig und hoch, aber - Pappeln wachsen schnell - vergleichsweise jung, alles Nachkriegskinder. Und sie hatten eins gemeinsam: Sie gehören da nicht hin. Vor allem auf dem Deich zersetzen sie mit ihren Wurzeln die Basis des Damms. Sie sehen schön aus, kein Zweifel - aber wehe, ein Hochwasser kommt und bricht dort durch. Die zaghaften Versuche, die Gelegenheit zu nutzen und sie zu beseitigen, sollte man unterstützen.

Vielleicht hilft ja ein Blick auf Fotos aus den Jahren unmittelbar nach dem Krieg: Linksrheinisch zwischen Büderich und Oberkassel sind Bäume kaum zu sehen, das Gelände ist weitgehend kahl. Das fand man ganz normal. Die einzigen Bäume, die man zum Schutz der Häuser vor treibendem Eis bei Winterhochwasser schon immer gepflanzt hatte, waren Platanen - die wurzeln tief und standen entgegen der Fließrichtung wie Schutzschilde vor den Gebäuden.

(RP)
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