Interview: CDU-Chef Thomas Jarzombek Erst die Stadt, dann die Partei

Düsseldorf · CDU-Chef Thomas Jarzombek bedauert, dass seine Partei als stärkste Fraktion im Rat wohl in die Opposition muss, sieht aber auch eine Chance für Erneuerung. Dafür sind mehrere Treffen angesetzt. SPD-OB Geisel werde man an seinen Taten messen.

 Parteichef Thomas Jarzombek will den nächsten OB-Kandidaten der CDU ein Jahr vor der Wahl nominieren - vielleicht in einer Urabstimmung.

Parteichef Thomas Jarzombek will den nächsten OB-Kandidaten der CDU ein Jahr vor der Wahl nominieren - vielleicht in einer Urabstimmung.

Foto: Endermann

Herr Jarzombek, obwohl die CDU als stärkste Partei aus der Ratswahl hervorgegangen ist, muss Sie wohl in die Opposition. Ist das bitter?

Jarzombek Schön ist das nicht. Aber ich habe starke Zweifel, dass das Ampel-Bündnis die sechs Jahre halten wird. Wir haben SPD und Grünen mitgeteilt, dass wir bereitstehen, wenn eine neue stabile Mehrheit gefunden werden muss.

Wo sehen Sie mögliche Bruchstellen eines Ampel-Bündnisses?

Jarzombek Es sind viele Interessen unter einen Hut zu bringen. Es geht um fünf verschiedene Meinungen: SPD, Grüne, FDP, der Pirat und natürlich der neue, sehr selbstbewusste Oberbürgermeister.

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OB Geisel werden Sie vor sich hertreiben? Sie betonen ja stets, zur Abteilung Attacke zu gehören ...

Jarzombek Nein, aber es gibt viele Erwartungen an Thomas Geisel. Er hat einen überwältigenden Wahlsieg eingefahren und den Düsseldorfern viel versprochen. Beispielsweise niedrigere Mietpreise. Wenn er es schafft, all dies umzusetzen, ist das gut für die Stadt. Daran werden wir ihn messen. Eine Attacke kann kein Selbstzweck sein. Die CDU hat immer gesagt, das Wohl der Stadt gehe vor das Wohl der Partei.

Welche Themen sehen Sie schon jetzt bei der Ampel kritisch?

Jarzombek Nehmen wir die Verkehrspolitik. Die RP hat gerade über die geplante Vorrangschaltung an Ampeln für Bahnen vor Autos berichtet. Ich halte nichts davon, einen Verkehrsträger gegen den anderen auszuspielen, wichtiger ist ein funktionierendes Miteinander. Ein gutes Instrument ist eine App, die anzeigt, welches Tempo man wählen soll, um die nächste Ampel bei Grün zu erreichen. Und wir müssen uns um die Schnittstellen kümmern: Wenn man die S-Bahn verlassen hat, sollte es draußen ein Carsharing-Angebot und eine Radstation geben.

Sollte man Parkplätze für Carsharer reservieren?

Jarzombek An Orten mit hohem Umschlag wäre das eine gute Idee. Wie an einem Taxistand wäre klar, dass man dort Fahrzeuge vorfindet. Carsharing darf aber nicht missbraucht werden, um Parkplätze in Stadtteilen zu vernichten und die Menschen "umzuerziehen".

Sie sind seit dem 31. Januar CDU-Chef, seitdem hat Ihre Partei den OB-Posten, die führende Rolle und acht Sitze im Stadtrat verloren. Welchen Anteil haben Sie daran?

Jarzombek Als ich das Amt angetreten habe, waren weitreichende strategische Entscheidungen für den Wahlkampf schon gefallen. So war die Kampagne bereits definiert und die Werbeagentur beauftragt. Mein Einfluss war also begrenzt. Ich gebe auch zu, dass die CDU bei einigen wichtigen Themen wie dem Wohnen früher und beherzter hätte zugreifen müssen. Bei aller Kritik möchte ich aber darauf hinweisen, dass unser Ergebnis so schlecht auch nicht war. Wir haben zwei Drittel aller Wahlkreise geholt und sind die stärkste Fraktion.

Viele sehen einen Grund für den Machtverlust der Christdemokraten auch darin, dass sie das Großstadtgefühl nicht treffen ...

Jarzombek Wir sind eine Volkspartei. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. Die Vielfalt kann von Vorteil sein. Denn das Lebensgefühl ist in einer Stadt wie Düsseldorf nicht einheitlich. In Hamm ist es ganz anders als in Flingern. Deshalb ist es wichtig, die unterschiedlichen Stadtteile stärker zu identifizieren und darauf zu reagieren.

Wie geht es denn strategisch weiter?

Jarzombek Wir müssen die Niederlage aufarbeiten. Am 16. August findet deshalb ein Workshop des Kreisvorstands und der Ratsfraktion mit vier externen Gästen statt. Eine Woche später trifft sich die Ratsfraktion zur Strategiekonferenz, dann folgen Konferenzen mit der Basis in den zehn Stadtbezirken. Am Ende steht der Parteitag am 1. Oktober, der die Impulse für unsere zukünftige Politik aufnimmt. Wenn unsere Linie steht, wollen wir 2015 mit allen Düsseldorfer Institutionen ins Gespräch kommen. Wir haben das Interesse, als CDU den nächsten OB zu stellen.

Und den Kandidaten bestimmt die Parteibasis in einer Urabstimmung?

Jarzombek Ich habe dafür große Sympathie.

Wann kann die Urwahl stattfinden?

Jarzombek Gut ein Jahr vor der nächsten OB-Wahl 2020. Noch ist Thomas Geisel für uns ein unbeschriebenes Blatt. Von seiner Amtsführung hängt ab, welches Profil ein CDU-Kandidat als echte Alternative haben sollte.

Bisher galt Andreas Hartnigk als potenzieller OB-Kandidat. Er hat jedoch beim Kampf um den Fraktionsvorsitz gegen Rüdiger Gutt eine Niederlage einstecken müssen...

Jarzombek Es waren zwei starke Kandidaten, das Rennen war knapp. Als erster Stellvertreter muss Hartnigk mit Gutt in einem Team antreten und ein Kraftzentrum bilden. Das sind sie bereits. Eine Festlegung, ob jemand OB-Kandidat werden kann oder nicht, sehe ich in der Wahl des Fraktionsvorstands nicht. Und noch mal: Es ist noch zu früh, über einen OB-Kandidaten zu spekulieren.

Könnte es - wie Geisel bei der SPD - auch jemand außerhalb von Fraktions- oder Parteispitze sein?

Jarzombek Auch das ist denkbar.

Was ist das Top-Thema der CDU für die nächsten Jahre?

Jarzombek Ich will, dass Düsseldorf die familienfreundlichste Stadt Deutschlands wird. Der Weg ist mit den beitragsfreien Kitas bereitet. Das Thema hat jedoch viele Facetten: Wohnen gehört ebenso dazu wie Barrierefreiheit oder Verkehr.

Ganz ehrlich: Gab es Tage, an denen Sie schon bereut haben, CDU-Chef zu sein?

Jarzombek Es gab schon freudvollere Tage in meinem Leben als zuletzt. Aber ich freue mich auf viele gute Tage in den nächsten Jahren.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(dr)
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