Düsseldorf Erste syrische Flüchtlings-Familie ist da

Düsseldorf · Die ersten Flüchtlinge aus dem UNHCR-Kontingent sind in der Stadt eingetroffen. Sie kommen aus der Kriegshochburg Aleppo. Shamsa Ibrahim und Ghazi Isteif erhoffen sich Stabilität für ihre Kinder – und Heilung für ihren kranken Sohn.

 Shamsa Ibrahim und Ghazi Isteif mit ihren Kindern Malak (von links), Noureddine, Noura, Amna und Mohamad in ihrer Küche. Sie leben derzeit in einer Notunterkunft des Sozialamts.

Shamsa Ibrahim und Ghazi Isteif mit ihren Kindern Malak (von links), Noureddine, Noura, Amna und Mohamad in ihrer Küche. Sie leben derzeit in einer Notunterkunft des Sozialamts.

Foto: Andreas Bretz

Die ersten Flüchtlinge aus dem UNHCR-Kontingent sind in der Stadt eingetroffen. Sie kommen aus der Kriegshochburg Aleppo. Shamsa Ibrahim und Ghazi Isteif erhoffen sich Stabilität für ihre Kinder — und Heilung für ihren kranken Sohn.

Für Shamsa Ibrahim beginnt die Geschichte ihrer Flucht nicht mit dem Bürgerkrieg, sondern mit Noureddine. Als bei ihrem zweijährigen Sohn vor fünf Jahren Leukämie diagnostiziert wurde, brach das Leben der Familie aus den Fugen. Das Ehepaar zog in die libanesische Hauptstadt Beirut, weil es sich dort eine Therapie erhoffte. Es hatte gerade Tochter Noura bekommen. Nach drei Jahren hatte die Familie aber kein Geld mehr, kehrte zurück nach Aleppo — und geriet mitten in den Aufstand, dessen Folgen die Stadt härter getroffen haben als jede andere.

Düsseldorf: Erste syrische Flüchtlings-Familie ist da
Foto: Grafik Müller

Der Krieg hat sie schließlich nach Düsseldorf geführt. Seit einigen Wochen wohnt die Familie in der Stadt. Inzwischen hat sie sieben Mitglieder. Sie gehören zu den 5000 Flüchtlingen, zu deren Aufnahme sich Deutschland verpflichtet hat. Die Familie ist die Erste in Düsseldorf. Sie sind keine Asylbewerber: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat sie schon vor der Einreise als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt. Sie dürfen für mindestens zwei Jahre bleiben, haben Anspruch auf Sozialleistungen und dürfen ihre Wohnung frei wählen — sofern sie eine finden, die sie finanzieren können, was in Düsseldorf nicht einfach ist.

Die Eingewöhnung fällt nicht leicht, erzählt die Mutter, eine resolut wirkende Frau mit freundlichem Lächeln. Sie ist gelernte Altenpflegerin. Die Familie spricht nur Arabisch, eine Dolmetscherin der Diakonie hilft ehrenamtlich, auch Mitglieder des Hilfsvereins "Save me". Shamsa (34), Ehemann Ghazi Isteif (31), Noureddine (7), Noura (6), Amna (3), Mohamad (1) und die elf Monate alte Malak leben in einer Notunterkunft des Sozialamts in der Innenstadt auf zwei Zimmern, im dritten Raum lebt jemand Fremdes. Das Viertel haben sie sich angeschaut, einmal auch den Rhein, aber eigentlich haben sie andere Sorgen — vor allem viel Papierkram. Die größeren Kinder gehen seit kurzem zur Schule, sie machen auch einen Karatekurs. Shamsa Ibrahim will gern ebenfalls mehr aus der Wohnung und den Integrationskurs beginnen. Der Alltag mit fünf lebhaften Kindern auf engem Raum sei anstrengend. Wie, das beschreibt sie mit einer Geste: Sie hält sich die Ohren zu, dann muss sie lachen.

Als Shamsa Ibrahim vor rund anderthalb Jahren mit der jüngsten Tochter schwanger war, wussten die Eltern, dass es in Aleppo keine Zukunft gibt. Die Kinder konnten nicht zur Schule, der Vater nicht arbeiten, Bomben fielen. Noureddine ging es schlecht. Fast zwei Tage brauchte der Bus in den Libanon. Im Gepäck hatte die Familie nur eine Tasche mit Kleidung. In Damaskus verschaffte ein Arbeitgeber von Ghazi ihnen eine Wohnung — die Tage später nach einem Sturm unter Wasser stand. Als sie das erzählen, müssen beide Eltern lachen, aber nur, weil es ein so furchtbarer Zufall war.

Für die Geburt im Krankenhaus hatte die Familie kein Geld. Da erzählte ihnen jemand vom Büro der Vereinten Nationen, und die Mutter ging hin. Das UNHCR übernahm die Kosten. Drei Monate später erhielt die Familie den Anruf, dass sie als Kontingentflüchtlinge ausgewählt wurde. Warum, wissen sie nicht, aber wahrscheinlich wegen Noureddine, auch andere Ausgewählte hatten Kranke in der Familie. Im Auffanglager Friedland bei Hannover wies man ihnen Düsseldorf zu, das war ihnen so recht wie jede andere Stadt, denn sie kennen in Deutschland niemanden.

Nüchtern erzählt die Mutter ihre Geschichte, ihr Mann ergänzt Details. Um den Küchentisch toben unterdessen die Kinder. Bei der Frage, was sie sich wünscht, bricht sie plötzlich in Tränen aus. Die Dolmetscherin der Diakonie hält ihre Hand, bis sie wieder sprechen kann. Eine größere Wohnung, klar. Und dass die beiden Ältesten keine Alpträume mehr haben. Dass die mittlere Tochter nicht mehr zusammenzuckt, wenn sie ein lautes Geräusch hört. Dass die Kinder die Bilder von Leichen und Bomben vergessen. "Stabilität."

Und natürlich, dass Noureddine gesund wird. Er kann in Düsseldorf endlich behandelt werden, und seine letzten Werte waren richtig gut.

(RP)
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