Patrick S. Föhl "Es gab lange keinen Dialog in der Kultur"

Düsseldorf · Der Moderator für den Düsseldorfer Kulturentwicklungsplan über die Ziele, das Verfahren - und seinen ersten Eindruck von der Stadt.

Düsseldorf soll erstmals einen Kulturentwicklungsplan (KEP) bekommen. Das Papier soll mit Kulturschaffenden und interessierten Bürgern erarbeitet werden - und Leitlinien für die Kulturpolitik festlegen. Der Kulturberater Patrick S. Föhl moderiert den Prozess.

Herr Föhl, der Kulturentwicklungsplan ist seit längerem beschlossen. Wann geht der Prozess denn los?

Patrick S. Föhl Das kann ich leider noch nicht genau sagen. Wir stehen alle in den Startlöchern, aber warten darauf, dass eine Koordinationsstelle im Kulturamt besetzt wird. Die erste öffentliche Veranstaltung wird es wohl im Februar oder März geben. Vorgesehen ist, dass der Plan dann Ende des Jahres vorliegt.

Bei einer Diskussion im FFT hatten Sie schon ihren ersten Auftritt. Das hat zu Irritationen geführt, weil manche das Gefühl hatten, es geht im Prozess nur um die Off-Szene. War der frühe Auftritt ein Fehler?

Föhl Nein, das denke ich nicht. Das war ja eine Veranstaltung der Freie-Szene-Gruppe und nicht der offizielle Auftakt, und ich finde es gut, wenn aus der Kulturszene eigene Aktivitäten kommen. Wenn ich nicht da gewesen wäre, wären vielleicht Missverständnisse über das Projekt entstanden.

Welche Eindrücke haben Sie bislang von der Kulturszene gewonnen?

Föhl Ich glaube, es gab lange keinen Dialog zwischen vielen Akteuren in der Stadt, die künstlerisch und kulturell unglaublich viel zu bieten hat. Ich sehe zum Teil Vorbehalte untereinander. Da kann der KEP helfen. Wir wollen die Akteure in einem geschützten Rahmen zur Verständigung zusammenbringen. Was mir auch auffällt: Es gibt in der Stadt bestimmte Reizworte, zum Beispiel Kulturmarketing. Hier gilt es, eine gemeinsame Definition zu finden und diese mit Inhalten zu füllen.

Kulturmarketing klingt nach einem Wirtschafts-Modewort.

Föhl Kulturmarketing muss nicht automatisch zu einer Ökonomisierung von Kultur führen, wie viele befürchten. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie ein Stadtmarketing - mehr von den Inhalten her gedacht - der Kultur und ihrer Sichtbarkeit nutzen kann. Ich glaube, das wird auch eine Aufgabe: Wir müssen mehr Trennschärfe in viele Begriffe bringen.

Welche Begriffe noch?

Föhl Die Themen, die wir bearbeiten, wollen wir mit den Akteuren gemeinsam finden - deshalb will ich nicht zu sehr vorgreifen. Aber es gibt Dinge, die jede Stadt beschäftigen. Dazu gehört kulturelle Bildung, also die Frage, wie man Kultur vermittelt und das Publikum stärker einbinden kann, auch als Produzenten, wie mit den Bürgerbühnen an Theatern. Ein weiteres Feld ist zumeist der Kulturtourismus.

Auch so ein Reizwort.

Föhl Ja. Aber es bedeutet nicht nur, dass man Angebote nur für gut situierte Touristen vermarktet. Es geht darum, wie Düsseldorf als Kunststadt in der Region sichtbarer werden kann. Und der Startpunkt ist die Frage: Wofür soll Düsseldorf in der Kultur stehen, insbesondere mit Blick auf die Bürger?

Wird der KEP eine ausufernde Diskussion über das große Ganze?

Föhl Nein, am Ende soll ein Papier mit ganz konkreten Maßnahmen stehen. Ein Beispiel: In jeder Stadt gibt es gegenwärtig die Forderung nach einer digitalen Plattform, die Informationen und Angebote zusammenbringt. Wenn man das erkannt hat, kann man sich Gedanken über eine Lösung machen. Ulm etwa hat als erste Stadt eine Mitgeh-Börse entwickelt. Denn es ist ein großes Problem, dass viele Menschen keine Begleitung für eine Kulturveranstaltung finden. Nun können sie sich über eine Internet-Plattform verabreden. Das wird sehr gut angenommen.

Braucht man denn einen Plan, um über diese Dinge nachzudenken?

Föhl Der KEP kann einen strukturierten Dialog schaffen, an dessen Ende Entscheidungen gefällt werden. Dadurch kommen Themen auf den Tisch, denn auch die Politik und die Verwaltung müssen sich klar positionieren. Es können auch vorhandene Ansätze, wie zum Beispiel das Zehn-Punkte-Papier der Off-Szene, benannt oder bestehende Baustellen wieder aufgemacht werden.

An welche Baustellen denken Sie?

Föhl Ein Kernthema wird vermutlich auch die seit langem diskutierte Frage sein, wo sich die städtischen Museen eine Zusammenarbeit vorstellen können. Daran schließt sich auch die Frage nach zeitgemäßem Kulturmanagement an.

Inwiefern?

Föhl Die gesellschaftlichen Anforderungen an Kulturarbeit werden immer größer, und gerade Kooperationen müssen gut moderiert werden. Ist das Kulturamt für diese Koordinations- und Kommunikationsaufgaben gewappnet? Auch das kann ein Thema sein.

Es kursieren bereits konkrete Ideen, wie man Museen umstrukturieren könnte. Sind die auch ein Thema?

Föhl Wir können natürlich Perspektiven aufzeigen. Aber wir sind keine Unternehmensberater. Und es kann nicht ein Konzept für jedes einzelne Institut herauskommen. Der KEP darf deshalb kein Argument sein, andere Entscheidungen auszubremsen. Sicher werden etwa bestimmte Personalien im kommenden Jahr entschieden werden müssen. Dann ist das so, und dann arbeiten die neuen Akteure mit.

Was qualifiziert Sie als Leiter?

Föhl Der Auftrag ging ja nicht direkt an mich, sondern zunächst an die Kulturpolitische Gesellschaft. Diese beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit kulturpolitischen Entwicklungsprozessen und verfügt über ein unglaubliches Erfahrungswissen. Außerdem ist sie gut vernetzt. Ich bin Kulturberater, vor allem aber Moderator, und gehöre zu den wenigen, die solche Prozesse in den vergangenen Jahren als Externe mitgestaltet haben. Ich habe bereits viele Städte und Regionen in Deutschland bei der Kulturentwicklungsplanung begleitet, arbeite aber auch international, etwa in Ägypten, in der Ukraine und in Chile. Und ich kann von außen neutral auf die Stadt schauen. Das ist auch wichtig.

Geben Sie denn eine Erfolgsgarantie?

Föhl Nein. Ich bin grundsätzlich immer guter Dinge, da ich an die Gestaltungskraft von Kunst- und Kulturakteuren glaube. Aber so ein Prozess kann natürlich auch scheitern, das habe ich selbst schon erlebt. Ohne die Mitwirkung der Beteiligten geht es jedenfalls nicht.

Wie läuft der Prozess konkret ab?

Föhl Wir werden beginnen mit einer großen Veranstaltung für die Öffentlichkeit, die zum Mitarbeiten und Diskutieren einlädt. Auch interessierte Bürger werden eingebunden. Parallel führen wir Gespräche mit 20 bis 30 Schlüsselakteuren. Das soll ein möglichst breites Bild ergeben. Dazu gehören Museumschefs und Künstler, aber auch Lehrer oder die Industrie- und Handelskammer. Wir möchten auch den Dialog vor Ort führen, etwa in Schulklassen und Flüchtlingsheimen.

Wie geht es weiter?

Föhl Es folgen Workshops zu großen Themenfeldern und Arbeitsgemeinschaften mit zum Thema passenden Moderatoren. So entsteht langsam ein Trichter in Richtung von Entscheidungen.

Und der KEP wird die Kulturpolitik dann auf Jahre prägen?

Föhl Bestenfalls schon, vor allem hinsichtlich der konzeptionellen Linien. Aber: Die Welt verändert sich rasant. Wichtig ist, dass der Dialog über Kulturentwicklung weitergeführt wird, um eine aktive Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels zu ermöglichen. Außerdem bilden sich während solcher Prozesse immer interessante Kooperationen, zum Beispiel unter Künstlern. Das ist auch ein gewünschtes Ergebnis.

Wann wäre der Prozess erfolgreich?

Föhl Für mich wäre er erfolgreich, wenn die Akteure am Ende das Gefühl haben, dass sie in einem Boot sitzen und konstruktiv über Sparten sowie Sektoren hinweg miteinander arbeiten wollen. Wenn die Politik konkrete Maßnahmen beschließt. Und wenn die Prozesse weitergehen.

ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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