Wirtschaftsstandort Düsseldorf EU schwächt Patentstandort Düsseldorf

Düsseldorf · Die EU hat kürzlich entschieden: Das zentrale europäische Patentgericht geht nach Paris. Bislang ist Düsseldorf der weltweit wichtigste Standort für juristische Patentstreitverfahren. Jetzt könnten die großen Prozesse aus Düsseldorf abwandern. Einige Anwälte sind verunsichert.

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Foto: ddp

Das neue europäische Patentgericht soll nach dem Vorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Paris angesiedelt werden — München und London bekämen nur Außenstellen. Auf diesen Kompromiss hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfel in Brüssel geeinigt. Düsseldorf, weltweit der wichtigste Patentstreitstandort, ist möglicherweise ein Verlierer dieser Entscheidung.

Die NRW-Landeshauptstadt beherbergt an ihrem Landgericht zwei Kammern, die sich ausschließlich mit Fällen von Patentverletzungen beschäftigen. Grund für Düsseldorfs Sonderstellung ist, dass hier am Landgericht Spezialkammern geschaffen wurden. In den USA und fast allen anderen Ländern urteilen Richter, die sich sonst mit vollkommen anderen Streitfällen befassen, auch über Patentverletzungen. Die Folge: Die dortigen Richter sind keine Fachleute. "Um zu einem Urteil zu kommen, müssen dort teure und zeitaufwändige Gutachten in Auftrag gegeben werden", erklärt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Axel Dreyer, Spezialist für Urheberrecht. "In Düsseldorf dagegen gibt es so viele Fälle, dass die Richter selbst Experten für technische Fragen sind", so Dreyer. Durch diesen Umstand kostet die streitenden Parteien ein Prozess, der in den USA bis zu mehrere Millionen Dollar kostet, in Düsseldorf lediglich 100.000 bis 200.000 Euro.

Außerdem werden die Entscheidungen in Düsseldorf meist binnen eines Jahres gefällt — für patentrechtliche Dimension ein sehr kurzer Zeitraum, der beiden Parteien größere Planungssicherheit bringt. Einer der berühmtesten Fälle war sicher der Streit zwischen Apple und Samsung um das Design eines Tablet-PCs, der hier in Düsseldorf ausgefochten wurde. Die Entscheidungen des Düsseldorfer Landgerichts haben dann Vorbildfunktion für die Gerichte anderer Länder.

Derzeit wird ein Europapatent auf den Weg gebracht. Was manche als Schritt auf dem Weg zur Einigung Europas feiern, ist für Düsseldorf ein Rückschlag. "Es ist möglich, dass manche Parteien nicht mehr nach Düsseldorf gehen, sondern direkt nach Paris", befürchtet Anwalt Dreyer. Denn wenn in drei EU-Staaten eine Patentrechtsverletzung im gleichen Fall vorliege, dann wäre es möglich, sofort zum EU-Gericht nach Paris zu ziehen, meint Dreyer. Den Weg über Düsseldorf könnte man sich sparen. Auch Anwalt Anton Horn, Patentrechtspartner der Düsseldorfer Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, teilt die Meinung, Paris könnte Düsseldorfs Bedeutung als Patentrechtsstandort schmälern, allerdings: "Ich sehe das eher auf eine Sicht von etwa 20 Jahren", sagte Horn im RP-Gespräch. "Es ist aber ein erster Schritt, der Düsseldorf als Patentgerichtsstandort schwächt", so der Jurist weiter. Endgültig entschieden sei das Ganze aber noch nicht.

Noch kann das EU-Patent scheitern. "Dann würde weiterhin das nationale Patentrecht das wichtigste und gängige bleiben. Das würde Düsseldorf am Ende vielleicht sogar stärken", meint Horn. Die ganze Sache bleibt verzwickt. Viele wichtige Fragen sind noch ungeklärt: Verfahren, Zuständigkeiten, Sprachenregelung, Rolle des Europäischen Gerichtshofs. "Wir sehen mit Verzweiflung auf ein Chaos, das sich zwischen den europäischen Institutionen entwickelt", sagt Horn. Aber auch, wenn das Einheitspatent kommt, hat Düsseldorf noch eine Chance. Das Pariser Gericht ist in den meisten Fällen nur die zweite Instanz. In Deutschland soll es drei bis vier Gerichte erster Instanz geben. "Und einer der heißen Kandidaten dafür ist Düsseldorf", sagt Rechtsanwalt Horn.

(RP/ila)
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