Aus für Standort Düsseldorf? Experte: Daimler-Verlagerung ist sicher

Düsseldorf · Oberbürgermeister Thomas Geisel will für den Standort kämpfen und besucht am Mittwoch das Werk. Autoexperte Dudenhöffer hält die Verlagerung für notwendig. In den USA sind die Löhne nur halb so hoch, und es winken Millionensubventionen.

 Sprinterwerk in Derendorf. Laut IG-Metall sind 1800 Arbeitsplätze durch eine mögliche Verlagerung der Produktion in die USA in Gefahr.

Sprinterwerk in Derendorf. Laut IG-Metall sind 1800 Arbeitsplätze durch eine mögliche Verlagerung der Produktion in die USA in Gefahr.

Foto: Endermann

Daimler und die Gewerkschaften werden nicht müde zu betonen, dass über eine mögliche Verlagerung von Teilen der Sprinter-Produktion von Düsseldorf in die USA noch nicht entschieden sei. Anders sieht das Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Universität Duisburg-Essen. "Dass Daimler seine Sprinter für den US-Markt in Nordamerika produzieren wird, ist 100-prozentig sicher", sagte der Automobilexperte im RP-Interview. Daimler sei konkret auf der Suche nach einem Standort für ein Werk in Übersee. "Daimler würde einen schweren Fehler begehen, wenn man nicht in den USA produzieren würde", so Dudenhöffer. Heute werden rund 25 000 Sprinter von Düsseldorf in die USA geliefert.

Ein Problem ist dabei ein Schutzzoll in Höhe von 25 Prozent, der von den Amerikanern auf importierte Transporter erhoben wird. Um den zu umgehen, werden die Fahrzeuge im Düsseldorfer Hafen zerlegt, in Einzelteilen verschifft und dann in den USA wieder zusammengebaut. "Das ist ein Verfahren, dass man mit ein paar Tausend Fahrzeugen machen kann, nicht aber mit 50 000, das ist zu teuer, und Daimler muss in den USA wachsen", sagt Dudenhöffer. Zum einen wachse der US-Markt bei Transportern überproportional, zum anderen muss der Autobauer damit die schwächelnde Nachfrage in Europa kompensieren. Bei einem möglichen Freihandelsabkommen mit den USA, das derzeit verhandelt wird, könnte der Schutzzoll zwar wegfallen, aber: "Ein Unternehmer kann sich nicht auf den vagen Ausgang dieser Verhandlungen verlassen", sagt Dudenhöffer.

Außerdem habe eine Produktion in den USA weitere Vorteile. "Düsseldorf ist für einen Autobauer einer der teuersten Standorte der Welt", so Dudenhöffer. Am Rhein würden rund 50 Euro je Arbeitsstunde gezahlt, in den USA umgerechnet nur 25 Euro, in Mexiko weniger als 10.

IG-Metall-Chef Nihat Öztürk fürchtet den Abbau von 1800 Stellen, sollte die Produktion von Sprinter für den US-Markt verlagert werden. Bei einer Betriebsversammlung vor Tausenden Daimlermitarbeitern am Freitag sprach ein Vertreter aus der Stuttgarter Zentrale von 1000 Jobs, die betroffen seien. Dafür wurden er und andere Mitglieder der Geschäftsleitung minutenlang ausgepfiffen. Die Mitarbeiter wendeten ihren Chefs demonstrativ den Rücken zu. Die Stimmung war aufgeheizt, sagen Augenzeugen.

Attraktiv für Daimler könnte eine Verlagerung von Teilen der Produktion auch wegen hoher Subventionen für einen neuen Standort in einem US-Bundesstaat sein. Der US-Bundesstaat Alabama und die Industrie-Entwicklungsbehörde der Region Tuscaloosa stellten Mercedes-Benz im Jahr 2009 für den dortigen Werksausbau bis zu 100 Millionen Dollar in Aussicht. Die Höhe der ab 2013 gezahlten Fördermittel war daran gekoppelt, wie viele neue Stellen geschaffen wurden. 1000 neue Stellen waren damals geplant, somit waren 100 000 Dollar pro Arbeitsplatz geboten worden. Vor der Erstansiedlung des Werkes in Arizona war sogar eine Viertel Milliarde Dollar an Subventionen an Daimler geflossen.

Heute wird Oberbürgermeister Thomas Geisel im Daimler-Werk mit Standortleiter Martin Kelterer und Mitgliedern des Betriebsrates zusammenkommen. "Ich möchte mir dort die ökonomischen Hintergründe erläutern lassen", sagte Geisel. Der Standort Düsseldorf habe erhebliche Vorteile, Stadt und Daimler sind seit Jahrzehnten gute Partner. "Ich kämpfe für den Standort, die Entscheidung trifft am Ende aber selbstverständlich Daimler", sagte Geisel. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, der noch vorige Woche im Daimler-Werk Gast auf dem Automotive-Forum war, sagte auf Anfrage: "Die Landesregierung nimmt die Situation um das Sprinterwerk ernst und ist in intensivem Austausch mit der Konzernleitung in Stuttgart." Der These Dudenhöffers widerspricht er aber: "Nach vorliegenden Informationen ist eine Entscheidung über die Verlagerung von Fertigungskapazitäten noch nicht gefallen." Der Düsseldorfer SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus fordert nun, eine Beschäftigungsgarantie auch über das Jahr 2016 hinaus zu geben.

(RP)
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