Facebook-Aufruf Schlaganfall-Patient aus Düsseldorf sucht seinen Retter

Düsseldorf · Vor zehn Tagen erlitt der Düsseldorfer Ralf Kramer einen Schlaganfall. Dutzende Menschen gingen einfach vorbei, viele quälende Minuten lang kam niemand zu Hilfe. Jetzt sucht Kramer den Mann, der ihm vielleicht das Leben gerettet hat.

 Die Spuren des Sturzes, den Ralf Krämer durch seinen Schlaganfall vor zehn Tagen erlitt, sind noch immer deutlich zu sehen.

Die Spuren des Sturzes, den Ralf Krämer durch seinen Schlaganfall vor zehn Tagen erlitt, sind noch immer deutlich zu sehen.

Foto: Berns, Lothar

Ein Kribbeln im Fuß, dann läuft es das Bein hinauf, plötzlich wird es zu einem alles lähmenden Gefühl: Seit dem 23. Dezember weiß Ralf Kramer, wie sich ein Schlaganfall anfühlt. Der 49-Jährige Kommunikationstrainer war am frühen Vormittag gerade auf dem Weg zur Arbeit in Heerdt, als er auf einmal nicht mehr weiterlaufen konnt, zur Seite kippte und mit dem Kopf gegen einen Zaun stieß. Halb auf dem Weg, halb im Gebüsch liegend, verbrachte er hilflos 20 lange Minuten in der Kälte, bis der erste Passant ihn ansprach und Hilfe holte. Wer genau das war, weiß Kramer nicht — das will er aber ändern.

"Mich kann man nicht übersehen"

"Ich war einfach nur schockiert, wie viele Menschen vorbeiliefen", sagt Kramer, der jetzt im Johanna-Etienne-Krankenhaus liegt. Gut zwei Dutzend seien an jenem Freitagvormittag kurz vor elf Uhr vorbeigekommen, zum Teil mit ihrem Handy am Ohr. Kramer konnte sie sehen, sie hätten ihn offensichtlich auch wahrgenommen. "Ich bin mit meinen 1,70 nicht so klein, dass man mich übersehen kann", sagt der 49-Jährige. Reagiert habe nach mehr als einer Viertelstunde — eine "Ewigkeit", wie Kramer sagt — endlich ein etwa 50-Jähriger Mann. Der sei von seinem Fahrrad abgestiegen, habe ihn angesprochen und gefragt, ob er Hilfe benötige. "Ich konnte dann noch so etwas wie ,Schlaganfall‘ herauspressen, und dann bin ich erst im Krankenhaus wieder zu mir gekommen", sagt Kramer.

Sein Partner, selbst Krankenpfleger, Freunde und Kollegen hätten seinen Aufruf an den anonymen Helfer bereits geteilt, den Kramer schon am Neujahrsmorgen auf Facebook postete. Zusätzlich will er eine Zeitungsanzeige schalten, um einen Kontakt herzustellen. Auch ein Plakat an der Stelle am Zaun, an dem er den wohl schlimmsten Augenblick seines Lebens verbrachte, soll den Retter auffordern, sich zu melden. "Wer immer mir geholfen hat, bekommt erst einmal ein dickes Dankeschön, und noch Konzertkarten für sich und seine Frau obendrauf", verspricht Kramer.

Wie sehr ihm der Mann geholfen habe, ahne dieser vermutlich gar nicht: "Wenn ich nur eine Stunde länger dort gelegen hätte, dann wäre ich vermutlich ganz gelähmt gewesen", sagt Kramer. Die Ärzte hätten ihm erklärt, wie wichtig es sei, dass ein Schlaganfall spätestens nach drei Stunden behandelt werden müsse, um eine Rehabilitation überhaupt möglich zu machen. So schnell wie möglich müsse das Blutgerinnsel, das den Schlag ausgelöst hat, aufgelöst werden — jede Minute, die Kramer hilflos im Gebüsch verbrachte, hatte das Risiko gesteigert, schlimme Folgen davonzutragen.

"Wieder auf die Bühne kommen"

Der Kommunikationstrainer konnte in den ersten drei Tagen nach dem Vorfall kaum sprechen, sein linker Arm sei noch immer so stark gelähmt, dass er ihn kaum heben könne. "Ich tippe aber schon mit meinem Ein-Finger-System Liedtexte auf dem Smartphone", sagt Kramer, der in seiner Freizeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz eigene Travestieshows gibt, auf der Bühne steht, tanzt und singt. Die ersten vorsichtigen Schritte konnte er schon zwei Tage nach dem Schlaganfall tun, in drei bis vier Monaten soll seine Reha weitgehend abgeschlossen sein. Eigene Konzerte könne er dann aber wohl noch nicht geben: "Ich muss das langsam angehen, vielleicht gebe ich auch erstmal nur einen Gastauftritt in einer Shows." Am Mittwoch darf Kramer wieder nach Hause, von da an muss er jeden Tag mehrere Stunden Sprach- und Bewegungstraining bewältigen.

Depressive Gedanken will er nach dem Unfall nicht zulassen, stattdessen versucht Kramer, sich zu beschäftigen und aktiv an seiner Heilung zu arbeiten. "Meine Motivation ist es, wieder auf die Bühne zu kommen." Und wenn ihn die Tage im Krankenhaus oder beim Training doch deprimieren, ventiliere er seine schlechte Stimmung später durch seine Songs: "Wenn es mir mal schlecht geht, schreibe ich die besten Lieder."

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