Düsseldorf Flüchtling im Behörden-Dschungel

Düsseldorf · Als ein Syrer Frau und Kind aus dem Bürgerkriegsland nachholte, strich ihm das Jobcenter jede Unterstützung. Auch die Miete wurde vom Amt gekürzt. Ein Panne, die erst gestern nach Anfrage unserer Redaktion behoben wurde.

 Britta Böckmann setzt sich für ihre Mieter Reem und Okba Al Hammal ein. Youssuf (19 Monate) war noch nicht geboren, als sein Vater aus Syrien floh.

Britta Böckmann setzt sich für ihre Mieter Reem und Okba Al Hammal ein. Youssuf (19 Monate) war noch nicht geboren, als sein Vater aus Syrien floh.

Foto: OrtHen

Seit zwei Jahren ist Okba Al Hammal in Deutschland. Der Programmierer aus Damaskus floh vor dem Bürgerkrieg, will hier ein neues Leben aufbauen. Die Sprache lernt er schon, und in den vergangenen sechs Wochen hat er auch verstanden, wie deutsche Bürokratie bisweilen funktioniert. Als er Frau und Kind ganz offiziell aus Syrien nachholte, stand er plötzlich ohne Geld da.

Im Sommer 2015 hatte Britta Böckmann dem 26-Jährigen ein Appartement in ihrem Haus vermietet, 35 möblierte Quadratmeter für knapp 400 Euro inklusive Strom, Heizung und Wasser, die das Jobcenter direkt an sie überwies. Die Hilfe zum Lebensunterhalt bekam Al Hammal parallel dazu aufs eigene Konto. Im Oktober konnte er dann endlich auch Ehefrau Reem und Youssuf in die Arme schließen, seinen Sohn, der erst nach seiner Flucht geboren wurde und den er in Düsseldorf zum ersten Mal sah.

Mit dem Einzug von Frau und Baby erhöhte Britta Böckmann die Miete um 80 Euro, um den höheren Energieverbrauch auszugleichen. Eine entsprechende Änderungskündigung schickte sie ans Jobcenter - und wenig später, am 10. November, bekam Okba Al Hammal einen neuen Bescheid. Nicht etwa über die neue Summe, sondern: Weil ja nun drei Personen im Mini-Appartement wohnten, werde man für ihn nur noch ein Drittel der Miete zahlen. Das bekäme er künftig direkt überwiesen und solle dann selbst an die Vermieterin zahlen.

Britta Böckmann wandte sich direkt ans Jobcenter, bekam am Telefon den Rat, den Sachverhalt schriftlich zu schildern, einige Unterlagen einzureichen und am besten noch "Kündigung droht!" dazuzuschreiben. "Ich würde die Familie natürlich nicht rausschmeißen", sagt sie. Aber ein Drittel der Miete reicht auf Dauer eben auch nicht. Doch obwohl der hilfsbereite Sachbearbeiter im Jobcenter versichert hatte, der Vorgang werde schnell geklärt, bekam Okba Al Hammal den gleichen Bescheid noch einmal.

Nach einer weiteren Beschwerde schließlich strich das Jobcenter am 30. November Miete und Lebensunterhalt-Hilfe komplett. Im Januar solle der Fall neu geprüft werden. "Bitte beachten Sie, dass sie in dieser Zeit nicht krankenversichert sind", heißt es in dem standardisierten Schreiben.

Die Vermieterin, die sich seit mehr als einem Jahr in der Flüchtlingshilfe engagiert, war entgeistert: "Wie kann das sein? Wovon soll die Familie leben?" Und was tut ein Flüchtling, der etwa Mieter einer großen Wohnungsgesellschaft ist und kein Vertrauensverhältnis zum Vermieter hat? Britta Böckmann schaltete das Büro der Flüchtlingsbeauftragten ein. Kurz vor Weihnachten überwies das Jobcenter rückwirkend und kommentarlos die ausstehenden zwei Drittel der Dezembermiete. Am Leistungsstopp ab Januar aber änderte das zunächst nichts.

Bis gestern. Nachdem unserer Redaktion das Jobcenter um eine Stellungnahme gebeten hatte, bekam Al Hammal die telefonische Zusage, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt weiter gewährt wird. "Wir haben auch eine Überbrückung angeboten, falls ein Engpass entstanden ist", erklärte ein Sprecher des Jobcenters. "Das ist sehr unglücklich gelaufen."

Der Grund ist kompliziert: Flüchtlinge werden zunächst beim "Integration Point" im Jobcenter Nord geführt. Für Al Hammal ist aber seit geraumer Zeit das Jobcenter Mitte an der Luisenstraße zuständig, Ehefrau Reem und Sohn Youssuf wurden als Neuankömmlinge separat im Integration Point registriert, die Kommunikation zwischen den Jobcentern funktionierte offenbar nicht. "Ein Einzelfall!", versicherte der Sprecher. Im neuen Jahr solle das Verfahren für nachgezogene Angehörige aber ohnehin vereinfacht werden.

(RP)
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