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Düsseldorf Stadtdirektor erwartet 9000 Flüchtlinge

Düsseldorf · Im Interview mit unserer Redaktion spricht Düsseldorfs Stadtdirektor Burkhard Hintzsche über die in seinen Augen größten Herausforderungen: neue Wohnungen, Schulausbau und Flüchtlinge.

Stadtdirektor Burkhard Hintzsche beim Interview in seinem Büro an der Willi-Becker-Allee. In Kürze zieht er mit seinem Stab zum Burgplatz.

Stadtdirektor Burkhard Hintzsche beim Interview in seinem Büro an der Willi-Becker-Allee. In Kürze zieht er mit seinem Stab zum Burgplatz.

Foto: Andreas Bretz

Seit dem 1. Oktober ist Burkhard Hintzsche (SPD) neuer Stadtdirektor der Landeshauptstadt. Der Beigeordnete (so etwas wie ein Minister auf Stadtebene) betreut viele wichtige Bereiche: Jugend, Schule, Sport und Wohnen. In der Gesamtsteuerung der Stadtverwaltung ist der 50-Jährige nun der mächtigste Mann hinter Oberbürgermeister Thomas Geisel. Zum Jahreswechsel drückt sich das auch durch einen Umzug aus. Hintzsche verlässt sein Büro an der Willi-Becker-Allee hinter dem Hauptbahnhof und bezieht mit seinem achtköpfigen Stab eine Etage über dem Goldenen Ring am Burgplatz. Von dort ist er in zwei Minuten zu Fuß im Rathaus.

Herr Hintzsche, Sie sind der neue Stadtdirektor und damit bei der Stadtverwaltung der wichtigste Mann hinter Oberbürgermeister Thomas Geisel. Wie lief denn das Bewerbungsverfahren?

Hintzsche Man kann nicht sagen, dass es eines gab.

Sondern?

Hintzsche Herr Geisel kam zu mir und sagte, dass ich sein neuer Stadtdirektor werden soll. Er hat mich dem Rat vorgeschlagen und ich wurde ernannt.

Wie wichtig ist Ihnen der Titel?

Hintzsche Als Titel an sich bedeutet er mir wenig. Ich habe neben meinen Aufgaben nun eine neue Gesamtverantwortung, die ich bestmöglich wahrzunehmen versuche. Ich freue mich allerdings sehr über die einstimmige Wahl im Rat und das daraus abzulesende Vertrauen in meine Person.

Sie sind als Sozialdezernent für die Flüchtlingsunterbringung zuständig. Ob ausbleibende Eingangsuntersuchungen oder der überfallartige Abtransport von Flüchtlingen: In der Kooperation mit dem Land hapert es immer wieder. Haben Sie sich schon beschwert?

Hintzsche Dazu möchte ich nur sagen, dass es auf vielen Ebenen eine gute Kooperation gibt und Düsseldorf wesentliche Aufgaben des Landes übernommen hat. Sei es die Drehkreuzfunktion am Fernbahnhof, die Bereitstellung und den Umbau von Landesaufnahmeeinrichtungen oder die Bereitstellung einer Messehalle. Ohne die Städte als Ort der Integration wäre die Flüchtlingskrise nicht zu bewältigen. Uns haben gerade erst Vertreter des Deutschen Städtetags besucht, die sich sehr positiv über die Zusammenarbeit in Düsseldorf geäußert haben.

Düsseldorf: Die Flüchtlingsunterkunft an der Itterstraße
10 Bilder

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Foto: G�nter von Ameln

Die städtische Flüchtlingsbeauftragte beklagt, dass Düsseldorf für die Übernahme von Landesaufgaben bislang nicht durch Minderzuweisungen in kommunale Einrichtungen entlastet werde. Sehen Sie das auch so?

Hintzsche Jeden Tag kommen in Deutschland neue Flüchtlinge an. Wir haben zurzeit leider keine belastbaren Zahlen, die eine solche Rechnung ermöglichen. Wir wissen beispielsweise, dass aktuell 400 Asylverfahren bei Düsseldorfer Flüchtlingen abgeschlossen sind, aber nicht, ob und wie viele Bewerber abgewiesen wurden und nun vielleicht das Land verlassen müssen.

Aktuell sind etwas mehr als 6000 Flüchtlinge in Düsseldorf untergebracht, davon 1800 in Landeserstaufnahmen. Mit welchen Zahlen rechnen Sie zum Jahresende?

Hintzsche Wir dürften bei 7000 allein in den städtischen Einrichtungen auskommen; mit den Menschen in den Landesstellen, die jedoch nur einige Tage bei uns sind, wären es also um die 9000.

Sie sind auch für Jugend, Schule und Sport verantwortlich. Worin sehen Sie die größere Herausforderung: in der Flüchtlingsunterbringung oder im Schulausbau, der aktuell auf 350 Millionen Euro kalkuliert wird?

Hintzsche Mit Blick auf die nächsten Jahre ist das für mich der Schulausbau. Bei der Flüchtlingsbetreuung haben wir gute Strukturen geschaffen, auch die Abwicklung am Fernbahnhof funktioniert gut, dort können wir bald aus dem Krisenstabmodus heraus und die Arbeit von einer Geschäftsstelle durchführen lassen. Platz für 6500 zusätzliche Schüler bis 2020 zu schaffen, ist aber eine besondere Herausforderung. Von diesen Zahlen gehen wir heute aus. Düsseldorf wächst allerdings sehr dynamisch, deswegen sind wir gespannt auf die Details des Demografieberichts, der im nächsten Jahr vorgelegt wird. Dort wird jetzt auch der Zustrom der Flüchtlinge einkalkuliert.

Eine Nacht in der Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft
9 Bilder

Eine Nacht in der Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft

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Foto: Bernd Schaller

Wie sieht die Gesamtentwicklung aus?

Hintzsche Düsseldorf zählt heute 605.000 Einwohner, in 15 Jahren könnten es schon bis zu 630.000 Menschen sein, die Experten der Stadtverwaltung sind dabei, die vielen Faktoren zu gewichten, um eine möglichst wahrscheinliche Prognose zu formulieren. Einfach ist dies nicht, da es auch zu geradezu sprunghaften Entwicklungen kommen kann. Die Stadt ist allein in den beiden vorigen Jahren schließlich um 10.000 Bürger gewachsen.

Was bedeutet das Wachstum für die soziale Infrastruktur?

Hintzsche Das heißt aktuell beispielsweise für den Ausbau der Kita-Plätze für Unter-Dreijährige: Wir müssen jährlich 500 neue Plätze schaffen, um die Versorgungsquote von 42 Prozent überhaupt halten zu können; und wir wissen, dass bei einer Quote von 53 Prozent alle Bedürfnisse befriedigt werden dürften. Ich gehe zudem davon aus, dass 50 Prozent der Flüchtlinge, die der Stadt zugewiesen werden, auch hierbleiben. Hinzu kommen anerkannte Bewerber von außerhalb, die sich hier Arbeit suchen und eine Existenz aufbauen möchten. Das alles wirkt sich auch auf den Schulentwicklungsplan aus, den wir alle zwei Jahre fortschreiben. Wir werden also weitere Kapazitäten zur Verfügung stellen müssen.

An vielen Schulen rumort es, weil immer mehr Klassen eingerichtet werden sollen. Was sagen Sie den Schulkonferenzen?

Hintzsche Wir werden die Herausforderung nicht bestehen, wenn wir nicht alle Möglichkeiten des Systems voll ausschöpfen. So angespannt ist die Lage, da bitte ich um Verständnis.

Sie könnten ja auch mehr neue Schulen bauen.

Hintzsche Das Albrecht-Dürer-Berufskolleg bleibt nicht das einzige Neubauprojekt, denken Sie nur an den Bedarf im neuen Glasmacherviertel in Gerresheim. Wir möchten diese Vorhaben künftig möglichst innerhalb von zwei Jahren realisieren, heute dauert es vom Beschluss bis zur Fertigstellung oft doppelt so lang.

Sie sind ja auch noch für das Wohnen in Düsseldorf zuständig.

Hintzsche Den notwendigen Wohnraum bereitzustellen, ist die größte Herausforderung der nächsten Jahre für Düsseldorf. Einfach, weil dies die noch existenziellere zu lösende Aufgabe ist. Wer in Düsseldorf keine adäquate Wohnung findet oder sie sich nicht leisten kann, muss sich um den Platz an der Schule für sein Kind erst gar keine Sorgen machen.

Wie behalten Sie bei Ihren vielen Zuständigkeiten eigentlich den Überblick - und was geben Sie nun, da Sie Stadtdirektor sind, ab?

Hintzsche Über die Aufgabenverteilung entscheiden der Oberbürgermeister und der Stadtrat. Was den Überblick angeht: Zielvereinbarungen und das Setzen von Prioritäten sind wichtige Führungsinstrumente.

DAS INTERVIEW FÜHRTE UWE-JENS RUHNAU.

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(RP)
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