Ulmer Höh' Fotokunst aus dem Gefängnis

Düsseldorf · Inhaftierte und Vollzugsbeamte aus der Ulmer Höh' haben vor der Kamera von Thea Weires posiert. Die Düsseldorfer Künstlerin hat Gemeinsamkeiten der Menschen hinter Gittern gesucht – und gefunden. Für nächstes Jahr plant sie eine Ausstellung.

 Thea Weires

Thea Weires

Foto: Werner Gabriel

Inhaftierte und Vollzugsbeamte aus der Ulmer Höh' haben vor der Kamera von Thea Weires posiert. Die Düsseldorfer Künstlerin hat Gemeinsamkeiten der Menschen hinter Gittern gesucht — und gefunden. Für nächstes Jahr plant sie eine Ausstellung.

Sie hat für die Obdachlosen-Hilfsorganisation fiftyfifty Wohnungslose porträtiert. Und sie hat völlig unterschiedliche Menschen in überdimensionalen Plexiglasröhren gesteckt und einander gegenübergestellt. "Mein neues Projekt ist die logische Folge dieser Arbeit," sagt Fotografin Thea Weires.

24 Männer, alle im schwarzen T-Shirt und vor schwarzem Hintergrund — das ist das neue Projekt, das den Arbeitstitel Knastkunst trägt und Menschen hinter Gittern zeigt. Die einen haben lebenslang, Vollzugsbeamte, die erst mit der Pensionierung die Justizvollzugsanstalt verlassen werden. Die anderen sind mehr oder weniger Klein-Kriminelle, die in der Ulmer Höh' ihre Strafe verbüßen.

"Warum sie hier sind, interessiert mich eigentlich nicht", sagt die Künstlerin. Für sie sind bloß die Gesichter wichtig, und die Antwort auf die eine Frage, die sie jedem stellt, und die sie später zusammen mit den Fotos präsentieren will: "Was ist das Gute in mir?" Die meisten ihrer Models hätten lange über der Antwort gebrütet, Gefangene ebenso wie JVA-Beamte. Und beide Gruppen, die vor ihrer Hasselblad posierten, stellten hinterher fest: "So groß sind die Unterschiede nicht."

Im Gegenteil. Unterschiede gibt es nicht. Dem uneingeweihten Betrachter der Fotos wird schwer fallen, Inhaftierte und Vollzugsbeamten auseinanderzuhalten. "Da kann man sich jeden Tag neu entscheiden", sagt Thea Weires. "Der Grat zwischen beiden ist schmal." Das hat ihr neulich erst einer der Justiz-Mitarbeiter bestätigt, in dessen Biografie es eine Phase gab, die ihn durchaus auch auf die andere Seite des Gesetzes hätte bringen können. "Ich bin überzeugt, dass in jedem Menschen beides steckt — Täter und Opfer", sagt die Fotografin.

Erstmals hat sie, deren frühere Arbeiten vor allem von Verfremdungen — etwa durch die erwähnten Plexiglasröhren — geprägt sind, besonderen Wert auf Schärfe gelegt. Weil selbst die schärfsten Porträts dem Betrachter deutlich machen werden: Keinem steht ins Gesicht geschrieben, wer oder was er ist.

Das Interesse an dem Fotoshooting mit Thea Weires war groß. Für die Gefangenen bedeutete es in erster Linie Abwechslung vom tristen Knast-Alltag. Aber auch die Chance, "einmal etwas anderes von sich zu zeigen", erklärt der Vollzugsbeamte Perparim Rukaj. Manch einer habe sehr genossen, beim Fototermin "auf Augenhöhe" mit dem Personal zu sein. "Ohne Uniform sind wir alle gleich."

Rukaj ist Ausländerbeauftragter in der JVA Düsseldorf und vertritt das Gefängnis im Kriminalpräventiven Rat der Stadt. Der hat vor fünf Jahren schon ein Netzwerk begonnen, das sich um Strafgefangene kümmert. Wer während und nach der Haft Betreuung erfährt, neigt weniger zum Rückfall in die Kriminalität, ist der Grundgedanke der Zusammenarbeit, in die sich neben den städtischen Wohn-, Ausländer und Jugendbehörden auch gewaltpräventive Einrichtungen wie die Rheinischen Landeskliniken und der Kulturverein Zakk einbringen.

Gefangene aus 76 Nationen werden zurzeit in der JVA Ulmer Höh' betreut. Sprachliche und kulturelle Barrieren sorgen für Konflikte — nicht nur unter den Inhaftierten, sondern auch zwischen ihnen und dem Personal. Das war seinerzeit der Grund für die Gründung der Vernetzungsgruppe, die sich nicht nur um psychosoziale Aspekte kümmert. Rukaj und Kollegen organisieren internationale Abende, Weihnachts- und Ramadan-Feiern, Sprachkurse und ab und an auch ein Kulturevent wie nun die Arbeit mit Thea Weires.

Die hat nun das wohl schwerste Stück Arbeit vor sich: Unter den zahllosen Fotos die 24 auszuwählen, die sie im Großformat öffentlich ausstellen wird. Schließlich, sagt sie, "habe ich hier im Gefängnis eine Menge toller Gesichter entdeckt".

Ein bisschen Zeit ist noch — ein Ausstellungsort steht nämlich noch nicht fest.

(RP)
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