Rosemaria Theiß und Günter Wurm im Interview "Für Ratspolitik muss man brennen"

Düsseldorf · Für die CDU-Ratsfrau Theiß und den SPD-Ratsherrn Wurm ist es heute die letzte Sitzung. Sie treten bei der Kommunalwahl am 25. Mai nicht wieder an. Sie war 15 Jahre dabei, er 25. Ein Rückblick – und was Neueinsteiger davon lernen können.

 Verstehen sich trotz unterschiedlicher Parteibücher gut: Günter Wurm (SPD) und Rosemaria Theiß (CDU) sitzen heute zum letzten Mal im Rat.

Verstehen sich trotz unterschiedlicher Parteibücher gut: Günter Wurm (SPD) und Rosemaria Theiß (CDU) sitzen heute zum letzten Mal im Rat.

Foto: Andreas Bretz

Für die CDU-Ratsfrau Theiß und den SPD-Ratsherrn Wurm ist es heute die letzte Sitzung. Sie treten bei der Kommunalwahl am 25. Mai nicht wieder an. Sie war 15 Jahre dabei, er 25. Ein Rückblick — und was Neueinsteiger davon lernen können.

Frau Theiß, Herr Wurm, Sie haben heute Ihre letzte Ratssitzung, weil Sie bei der Kommunalwahl nicht wieder eintreten. Was ist das für ein Gefühl?

Wurm Ich konnte mich in den vergangenen fünf Jahren darauf vorbereiten. Ich empfinde Erleichterung, dass ich nun nicht mehr so viel Verantwortung trage. Ein wenig Wehmut ist selbstverständlich auch dabei. Denn die Zeit im Rat war schon wild, aufregend und interessant.

Theiß Es stimmt, der Druck fällt ab. Was mir am schwersten fallen wird, ist der Abschied von vielen Menschen in allen Fraktionen, mit denen ich gerne zusammengearbeitet habe.

Wurm Das geht mir genauso. Früher war es jedoch einfacher, über Fraktionsgrenzen hinweg ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, um auf dieser Basis auch mal zusammenzuarbeiten.

Wo zum Beispiel?

Wurm Als es um den Neubau der Arena ging. Viele wissen heute nicht mehr, dass es eine Idee der SPD-Oberbürgermeisterin Marlies Smeets war. Ihr Amtsnachfolger von der CDU, Joachim Erwin, war zunächst dagegen gewesen. Wir haben ihn aber überzeugt. Dann lief die Zusammenarbeit gut. Das Budget und der Zeitplan wurden eingehalten. Leider hatte man sich über die Organisation weniger Gedanken gemacht. Da ist die Gemeinsamkeit auch schließlich auseinandergebrochen. Dennoch halte ich den Arena-Bau nach wie vor für richtig. So wie wir uns eine subventionierte Oper leisten, müssen wir auch Geld für ein modernes Stadion ausgeben.

Frau Theiß, wo haben Sie mit anderen Parteien zusammengearbeitet?

Theiß Im Sport selbstverständlich. Da haben alle immer an der Sache orientiert an einem Strang gezogen.

Wurm (lacht) Ja, Sport und Kultur — das war immer eine fraktionsübergreifende verschworene Einheit.

Woran liegt es, dass die Fronten zwischen den Fraktionen in den vergangenen Jahren härter geworden sind?

Wurm Vor meiner Zeit gab es im Rat die "Fraktion Düsseldorf", bei der CDU, SPD und FDP versucht hatten, möglichst viel im Einvernehmen zu regeln. Die Frage ist, wie man Opposition definiert. Wenn man sagt, dass man es prinzipiell besser kann als der andere, wird es schwierig, gemeinsame Sachen zu machen.

Theiß Die Parteien bekommen ja auch mehr Druck von den Wählern. Deshalb fokussiert sich zu viel auf Einzelpersonen, doch gute Politik ist nach wie vor Teamarbeit.

Es heißt, Stadträte seien nicht der richtige Ort für Lagerbildung, weil es keine Parlamente sind. Was ist Ihr Tipp für mehr Gemeinsamkeit?

Wurm Ich habe mich immer bemüht, die Dinge auch mit den Augen der anderen zu sehen. Damit fällt es leichter, einen Nenner zu finden.

Theiß Man muss Kompromisse machen. Das ist in der Politik genauso wie in der Liebe. Dazu ein schönes Zitat: "Es gibt Gesandte und Geschickte, aber nicht jeder Gesandter ist ein Geschickter."

Ist der Fraktionszwang im Stadtrat falsch?

Wurm Nein. Denn wenn eine Diskussion abgeschlossen ist, muss man sich auf eine Position einigen.

Theiß Ich sehe keinen Fraktionszwang. Wenn ich anderer Meinung war, habe ich auch anders als meine Fraktion gestimmt.

Bei was zum Beispiel?

Theiß Beim geplanten Umbau der Benderstraße. Ich bin dagegen und bleibe dabei. Man kann doch nicht an eine funktionierende Geschäftsstraße Hand anlegen.

Wurm Man kann aber auch nicht das Zweite-Reihe-Parken tolerieren.

Theiß In Gerresheim ticken die Uhren anders.

Wurm Ich bin in Gerresheim geboren.

Theiß Ach, das wusste ich gar nicht. Dann wissen Sie ja, wie nett die Gerresheimer miteinander umgehen.

Wie lange waren Sie im Rat?

Theiß 15 Jahre. Ich zog ein, als 1999 Joachim Erwin OB wurde.

Wurm Als wir die Wahl verloren haben ...

Wie war dieser Wahlabend?

Wurm Der Schock bei der SPD war relativ groß, weil wir alle fest davon überzeugt waren, dass Marlies Smeets als Oberbürgermeisterin bestätigt würde. Auf der anderen Seite war da dieser jung-dynamische, etwas arrogante Rechtsanwalt ...

Theiß Na, na, na ... Herr Wurm, sie verwechseln Selbstbewusstsein mit Arroganz.

Wurm Erwin hatte eine gute Truppe von Junge-Union-Leuten um sich. Und er hatte recht schnell begriffen, was die neue Rolle eines hauptamtlichen OB bedeutet. Wir hatten dafür länger gebraucht.

Frau Theiß, auch die CDU soll damals nicht wirklich mit dem Sieg gerechnet haben ...

Theiß Wir waren wahnsinnig überrascht. Und Erwin hat sich so gefreut. Ich seh noch vor mir, wie er auf den Tisch sprang und die Arme hochriss.

Wurm Ich seh noch seine Plakate: "Sie stehen hier im Stau wegen der Pförtnerampeln der SPD!"

Aber eigentlich konnten Sie doch ganz gut miteinander, oder?

Wurm Erwin tat sich schwer damit, persönlich zu werden. Wir gingen respektvoll miteinander um, es entstand aber nie eine Männerfreundschaft. Bei vielen von der SPD war es aus, als Erwin den Radweg auf der Luegallee überpinselte.

Theiß Er hat mich immer ein wenig verunsichert, denn er hat mich fasziniert. Ich schätze auch seinen Nachfolger, Dirk Elbers, sehr.

Herr Wurm, Sie waren viele Jahre Fraktionschef, rückten dann von der ersten in die letzte Reihe im Plenarsaal, als sie das Amt aufgaben. War das schwer?

Wurm In den ersten Monaten sicherlich, weil ich immer das Gefühl hatte, zu allem etwas sagen zu müssen. Das legte sich aber schnell. Hart fand ich, dass ich neben den Freien Wählern sitzen musste.

Worauf sind Sie in Ihrer Ratszeit besonders stolz?

Theiß Dass wir in Gerresheim die stadtweit einzige Vierfachsporthalle haben.

Wurm Den Salzmannbau. Ich habe den Verein "Leben in der Fabrik" mitgegründet. Natürlich die Tieferlegung des Rheinufers, die ich trotz aller Proteste immer befürwortet hatte und die Umwandlung eines Kanal- und Wasserbauamtes in einen wirtschaftlichen Eigenbetrieb. Damals übrigens gemeinsam mit dem CDU-Ratsherrn Haßbach.

Welchen Ratschlag haben Sie für die Neueinsteiger?

Wurm In der Zeit, in der man das Mandat hat, muss man brennen.

Theiß Nehmt die Menschen mit, bleibt nah am Bürger, die müsst ihr einbinden von Anfang an.

Was wird Ihnen am meisten fehlen?

Theiß Die Aufgabe, wie ich mit Projekten umgehe, wie ich eine Mehrheit finden kann. Mein Herz hing immer besonders an Gerresheim und den Bürgern dort.

Wurm Mir wird der Moment fehlen, wenn ich ans Rednerpult gehe und merke: Jetzt kannst du überzeugen.

Was werden Sie nicht vermissen?

Wurm Den Paketträger, der die Unterlagen nach Hause bringt.

Theiß Den Zeitdruck, ich war ja nebenbei immer stark ehrenamtlich in Gerresheim engagiert.

Wie werden Sie jetzt Ihre Zeit nutzen?

Wurm Ich will mich bei der Arbeiterwohlfahrt engagieren und mich natürlich mehr um meinen Kleingarten kümmern, da wird sich mein Rücken freuen (lacht).

Theiß Ich will reisen und ein Buch schreiben.

Worüber?

Theiß Über meine Ratsarbeit.

Die ganze Wahrheit?

Theiß Genau.

Wurm Ich schreibe Schlagertexte.

Über Kommunalpolitik?

Wurm Nein, mit Tiefgang.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort