Analyse Gebührenlast gerecht verteilen

Düsseldorf · Einige Gerresheimer müssen seit diesem Jahr ein Vielfaches der bisherigen Straßenreinigungsgebühren zahlen. Als "Hinterlieger" werden sie zur Kasse gebeten. Die Stadt hat festgestellt, dass sie deutlich zu niedrig bemessen waren.

 Die Straßenreinigung (hier ein Archivbild) sorgt für Diskussionen. Drastisch erhöht haben sich die Gebühren für einige Hinterlieger.

Die Straßenreinigung (hier ein Archivbild) sorgt für Diskussionen. Drastisch erhöht haben sich die Gebühren für einige Hinterlieger.

Foto: Andreas Endermann

Plötzlich und ohne Vorwarnung sollten einige Anwohner des Kamper und Saalfelder Wegs in Gerresheim statt bisher rund 50 Euro für die Straßenreinigung zum Teil mehr als 400 Euro zahlen. Um diese Erhöhung werden die Anwohner kaum herumkommen, ihr Einspruch ist abgelehnt worden, der Rechtsanwalt, den Ingrid Bohne und ihr Lebensgefährte Kurt Viol eingeschaltet haben, machte ihnen unter dem Strich wenig Hoffnung. Dass sogenannte Hinterlieger oder Teilhinterlieger einer Straße an den Reinigungskosten beteiligt werden, können viele Betroffene nicht nachvollziehen.

Was genau sind Hinterlieger? Entscheidend für die Gebührenbescheide ist nicht, dass ein Grundstück direkt an einer Straße liegt. Die Zugewandtheit allein reicht aus, um die Eigentümer zur Kasse zu bitten - unabhängig davon, ob andere Gebäude oder Grundstücke dazwischen liegen. So wie im Fall der Gerresheimer, die früher lediglich für die Front ihrer Häuser gezahlt haben, die entlang der Straße Stockgartenfeld verläuft. Neuerdings müssen sie auch die Länge ihres Hauses bezahlen, die parallel zum Kamper Weg liegt.

Warum haben die Anwohner des Kamper und Saalfelder Wegs erst jetzt eine Erhöhung bekommen? "In diesem Bereich von Gerresheim waren es nur neun Grundstückseigentümer, bei denen gebührenmäßige Änderungen vorgenommen wurden", sagt Stadtsprecher Michael Frisch. Das Umweltamt habe im Dezember 2017 bei einer Überprüfung festgestellt, dass bei ihnen Gebühren seit Jahren deutlich zu niedrig bemessen waren. Teilweise seien nur Garagengrundstücke veranlagt gewesen. Wie häufig kommt es vor, dass solche Bescheide geändert werden? "Damit vergleichbare andere Fälle gab es 2018 nicht", sagt Frisch. Stadtweit belaufe sich die Zahl auf rund 250 Fälle - "wobei es regelmäßig auch Korrekturen zugunsten der Grundstückseigentümer gibt", sagt der Sprecher. Dass Änderungen bei Veranlagungen zu Straßenreinigungsgebühren vorgenommen werden müssen, sei grundsätzlich ein normaler und fortlaufender Prozess und hänge mit vielen Faktoren zusammen. Zum Beispiel mit Grundstücksteilungen oder Grundstückszusammenlegungen, mit Änderungen der Erschließungssituation, aber auch mit Anpassungen der Reinigungsintervalle auf Antrag oder von der Stadt vorgegeben. "Von der Möglichkeit einer bis zu vier Jahre rückwirkenden Veranlagung wurde abgesehen", sagt Volker Paulat, ebenfalls Sprecher bei der Stadt.

Wieso reicht es nicht aus, nur jene Grundstücke zu berechnen, die direkt an einer Straße liegen? Die Gebührenlast soll gerecht auf möglichst viele Schultern verteilt werden. "Auch die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke nicht direkt an den Hauptstraßenzug angrenzen, sondern hinterliegend angeordnet sind, profitieren von der sauberen Straße", erklärt Volker Paulat. Ist es üblich, dass solche Erhöhungen ohne Vorwarnung im Briefkasten landen? "Leider wurde es im Vorfeld versäumt, die Grundstückseigentümer über die bevorstehende Korrektur der Gebührenbescheide zu informieren", sagt Paulat. Das Umweltamt sei aber nun telefonisch mit den Eigentümern in Kontakt getreten. "Auf eine intensivere Kommunikation wird bei künftigen Fällen verstärkt geachtet", heißt es bei der Stadt. Wofür werden die Einnahmen aus den Gebühren eingesetzt? Etwa 1300 Kilometer Straßen- und Wegenetz werden in Düsseldorf teils mehrmals in der Woche gereinigt. Dazu kommt das Laub von rund 50.000 Bäumen, das im Herbst von Gehwegen und Straßen aufgesammelt werden muss. Im Schnitt kommen in der Landeshauptstadt etwa 19.000 Tonnen Straßenkehricht im Jahr zusammen, etwa 70 Tonnen alleine pro Arbeitstag. Die Straßenreinigung kostet mehr als 33 Millionen Euro im Jahr, davon übernimmt die Stadt etwa acht Millionen Euro, die für die Reinigung von Brücken, öffentlichen Plätzen und Kreuzungsbereichen eingesetzt werden. Die übrigen 25,3 Millionen Euro werden über die Straßenreinigungsgebühren gedeckt.

Was sagen die Gerichte? Johann Werner Fliescher von dem Eigentümerverband Haus und Grund kennt das Problem mit den Hinterliegermetern. "Viele Bürger müssen zahlen, ohne überhaupt eine Reinigungsleistung zu erhalten", sagt der Jurist. Wenn ein Widerspruch abgelehnt wird, bleibt oft nur noch die Klage. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte - entgegen der Auffassung der Stadt und des Verwaltungsgerichts Köln - vor sieben Jahren klargestellt, dass ein Weg von rund einem Meter Breite nicht ausreichend ist, um den für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren erforderlichen Erschließungszusammenhang zu begründen. In einem anderen Fall in Gelsenkirchen ein Jahr später ist eine Klage eines Eigentümers abgewiesen worden, mit der Begründung, dass eine knapp 70 Meter lange private Zuwegung keinen eigenständigen Erschließungscharakter aufweist und den Erschließungszusammenhang zu der gereinigten Straße nicht unterbricht. Schwierig ist die Rechtslage also für die Hinterlieger.

(RP)
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