Düsseldorf Gemeinsam essen mit Fremden

Düsseldorf · Ein Koch und eine Autorin empfangen unbekannte Menschen in ihrer Wohnung zum Abendessen. Eine Internetplattform bringt Gastgeber und Gäste zusammen.

 Folker, Rita, der Koch des Abends Gerardo, Iris und Claudia (v. l.) lernen sich zu Beginn des Abends etwas kennen und genießen bereits Oliven, Brot und Wein.

Folker, Rita, der Koch des Abends Gerardo, Iris und Claudia (v. l.) lernen sich zu Beginn des Abends etwas kennen und genießen bereits Oliven, Brot und Wein.

Foto: stt

Bei Christel und Gerardo in Düsseltal klingelt es gegen 19 Uhr an der Haustür. Sie bekommen Gäste zum Abendessen. Gerardo hat ein sizilianisches Menü vorbereitet, er ist selbst von Beruf Koch, somit ist das eigentlich nicht ungewöhnlich. Doch zu Besuch kommen nicht etwa Freunde des Paars oder Verwandte, sondern Fremde, die sogar für ihr Essen zahlen werden.

Über die Internetseite des Start-up-Unternehmens Chef One bieten die beiden regelmäßig Menüs im eigenen Esszimmer an. Zu Besuch kommen dabei Ärzte, Unternehmer, Juristen, Foodblogger oder auch Beamte. Die Gäste sind offen und auf jeden Fall kommunikativ. Viele haben über Facebook von der Aktion gehört, andere von Freunden. Romy zum Beispiel kam extra aus Mönchengladbach. Man kannte sich bereits, aber zu einem Treffen ist es nie gekommen, das Essen erschien da eine perfekte Gelegenheit. Bei Christel und Gerardo gibt es stets italienische Küche. Als Koch übernimmt der gebürtige Italiener die Küche, Mode-Journalistin Christel springt in die Rolle der Gastgeberin. Zum vierten Mal veranstalten sie einen solchen Abend. Im Sommer wollen sie eine größere Anzahl an Gästen in ihrem Garten bewirten.

Angefangen wird an diesem Abend mit "Pasta alla Lido", bestehend aus Schwertfisch, Tomaten, Auberginen und Minze. Schon vor dem ersten Gang haben sich alle bekannt gemacht. Bei einem Aperitif im Wohnzimmer wurden die ersten Fragen geklärt, Interessen ausgetauscht und Gesprächsthemen gefunden. Die Gruppen, die an solchen Abenden entstehen, treffen sich nicht selten ein zweites Mal, Freundschaften entstehen schnell.

Diese Erfahrung hat auch Eddi Alim gemacht, der im März 2016 das Unternehmen gründete. Als er nach Hamburg zog und dort niemanden kannte, sah er zwei Optionen für sich: Bestellen oder alleine Essen gehen. Beides erschien ihm auf Dauer zu langweilig. Ohne große Erwartungen zu haben, setzte er einen Vorschlag in eine öffentliche Facebook-Gruppe "Wer hat Lust auf ein Abendessen bei mir?", und überraschenderweise meldeten sich sofort einige Gäste. Ein freiwilliger Koch war ebenfalls schnell gefunden, und so war die Idee zu Chef One geboren. Heute kann man sich in fünf Städten als Gast oder Gastgeber registrieren und sich bei fremden Leuten zum essen "einmieten" oder selbst ein Menü anbieten. Alles ganz informell auf Vornamen-Basis.

So funktioniert es auch bei Christel zuhause. Nachnamen werden meist gar nicht erst ausgetauscht. Beim Hauptgang, bestehend aus Fleischröllchen mit Käse, Pinienkernen, Rosinen und Salami unterhalten sich die Gäste dann schon, als würden sie sich ewig kennen, und bei Cannoli mit Ricotta und Café werden dann Telefonnummern ausgetauscht. Die letzten Gäste, die sie bei sich hatten, erstellten hinterher eine WhatsApp-Gruppe und sind wenige Wochen später gemeinsam in Gerardos Restaurant essen gegangen. Christel reizt genau das: die Möglichkeit, neue Leute kennen zu lernen, mit denen sie auf anderem Wege vielleicht nie in Kontakt gekommen wäre: "Wir hatten letztens Gäste, die begeisterte Vogelkundler waren. An dem Abend habe ich unglaublich viel gelernt." 70 Prozent der Gäste, die sich über Chef One anmelden, kommen alleine. Der Rest setzt sich dann aus Kleingruppen oder Pärchen zusammen.

Chef One finanziert sich als Start-up vor allem durch Vermittlungsgebühren. Für jedes verkaufte Menü gehen 15 Prozent des vom Gastgeber festgelegten Preises an das Unternehmen. Der Preis für das Drei-Gänge-Menü bei Christel und Gerardo beträgt 41 Euro inklusive Getränke.

(RP)
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