Düsseldorf Geschichtsbuch mit aktuellem Thema

Düsseldorf · Im gerade erschienenen Band für 2017 geht es auch um den Streit über Straßennamen, allerdings in der Nachkriegszeit.

Mit einem seiner 14 historischen Beiträge landete das soeben erschienene Düsseldorfer Jahrbuch eine echte Punktlandung. Unter dem Titel "...um zu zeigen, dass wir auf einem neuen Weg sind" schreibt Sebastian Hansen über Düsseldorfer Straßenbenennungen in der frühen Bundesrepublik. Bis in die Mitte der 1950er Jahre hinein verfolgt der Historiker die damit einhergehenden, oft kontroversen Debatten. Ein Thema, das sechs Jahrzehnte später erneut Bürger und Politiker beschäftigt. Einstimmig beschloss der Kulturausschuss vor wenigen Tagen, dass alle Straßennamen mit umstrittenen Bezügen auf den Prüfstand kommen. Welche das sein könnten, dazu werden Stadtarchiv sowie Mahn- und Gedenkstätte gemeinsam ein Konzept erarbeiten. Im Fokus werden unter anderem heute umstrittene Akteure aus der Kolonialzeit stehen.

"Aufschlussreich" nennt Hansen die Auseinandersetzungen kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, bei denen es nicht nur um NS-Größen, sondern beispielsweise auch um den Jagdflieger Manfred von Richthofen ("Der rote Baron") ging. Die nach ihm benannte Straße wieder in Kaiserswerther Straße umzubenennen, war keineswegs unumstritten. So wandte sich die FDP 1949 gegen eine solche Entscheidung. FDP-Politiker Wilhelm Berens argumentierte, Richthofen habe nichts anderes als seine Pflicht getan, auch die Engländer hätten an seinem Grab Blumen abgeworfen und verehrten ihn "ritterlich". Eine Umbenennung käme einer Selbstverleugnung gleich. Durchsetzen konnten sich die Liberalen mit ihren Argumenten am Ende aber nicht.

"Die Bewertung von Straßennamen ist immer an die Zeit gebunden, die Maßstäbe ändern sich je nach politischem und gesellschaftlichen Kontext", sagt Benedikt Mauer vom Vorstand des Düsseldorfer Geschichtsvereins. Für ihn ein typischer Fall: die Debatte von 1956 um eine Thomas-Mann-Straße. "Heute wäre das unstreitig", sagt Mauer. Warum das damals nicht so war, beschreibt Hansen in einem eigenen Kapitel, zitiert darin aus einem Schreiben, in dem dem Schriftsteller vorgeworfen wurde, er habe es sich im Exil "gutseinlassen, als wir hungerten, und in einem schönen Haus gewohnt". Zudem hätten seine Söhne als Offiziere der amerikanischen Armee "gegen uns" gedient, "während unsere Söhne für Deutschland bluteten". Im Stadtrat war man sich aber einig. KPD-Ratsfrau Doris Maase fand es sogar unangemessen dafür einen Straßenzug in Mörsenbroich auszuwählen, also einen Ort, "wohin wirklich kaum jemand kommt".

Nicht minder spannend im 440 Seiten zählenden Jahrbuch ist der Beitrag Christian Liedtkes über Heine-Denkmäler. Der Mitarbeiter des Heinrich-Heine-Instituts wertete bislang unbekannte Dokumente aus. Immerhin hatte die Stadtverordneten-Versammlung 1888 mit der knappen Mehrheit von einer Stimme ein solches Denkmal bewilligt. Die Zahl der Unterstützer war groß, Theodor Fontane gehörte ebenso dazu wie die österreichische Kaiserin Elisabeth ("Sissi"), die eine glühende Heine-Verehrerin war und den größten Teil der Finanzierung übernommen hätte. Doch der Widerstand war massiv. Pamphlete mit Titeln wie "Warum wir kein Heine-Denkmal wollen. Ein offenes Wort von einem deutschen Manne" erschienen, vor allem aber hintertrieben die preußischen Behörden den Plan. Das Projekt scheiterte. Elisabeth war darüber so frustriert, dass sie sich für ihr Refugium auf Korfu von Ludvig Hasselriis ein eigenes Denkmal errichten ließ.

Band 87 bietet noch weitere spannende Düsseldorfer Geschichte(n). Der Bogen reicht von alten Inschriften (bis 1653) über rheinische Bürgersöhne in Texas und die Ursulinen bis zu den Reichsmusiktagen 1938/39. Besonders spannend bei den kleineren Beiträgen: die Verwicklungen um das 1830 verunglückte Frachtschiff Helena, die Clemens von Looz-Corswarem in seinem Aufsatz "Es geschah an der Schnellenburg" dokumentiert. Zwei Monate hielt die Havarie im Eis Betroffene und Behörden auf Trab. Nicht zuletzt, weil schon damals das Verhältnis von Düsseldorf und Köln recht kompliziert sein konnte.

(jj)
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