Serie "Düsseldorfer im Glück" Lässt sich das Glück einer Stadt messen?

Düsseldorf · Jedes Jahr veröffentlich die Post den "Glücksatlas", eine Rangliste der glücklichsten Regionen und Städte in unserem Land. Zuletzt rutschte Düsseldorf auf Platz zwölf von 19 ab. Dabei wissen Experten, dass man Glück nicht messen kann.

 Der Philosophie-Professor Dieter Birnbacher bemängelt, dass Düsseldorf im "Glücksatlas" unter Wert verkauft wird.

Der Philosophie-Professor Dieter Birnbacher bemängelt, dass Düsseldorf im "Glücksatlas" unter Wert verkauft wird.

Foto: Andreas Bretz

Von null bis zehn geht der Maßstab, mit dem die Deutsche Post für ihren "Glücksatlas" die Deutschen misst. Vergangenes Jahr fielen die Düsseldorfer auf ein im deutschlandweiten Vergleich leicht unterdurchschnittliches 7,09. Die Studienmacher nutzten für ihren Atlas Befragungen, bei denen mehrere Tausend Menschen dutzende Angaben zu Gesundheit, Einkommen, Wohnsituation und sogar ihrem Schlaf machen mussten. Am Ergebnis soll man ablesen können, wie glücklich eine Stadt oder eine Region ist. Ein Düsseldorfer Philosophie-Professor erklärt, warum das nicht geht.

 Die Karte zeigt: Im Rheinland sind die Menschen ziemlich zufrieden - aber im Deutschlandvergleich gäbe es noch Luft nach oben.

Die Karte zeigt: Im Rheinland sind die Menschen ziemlich zufrieden - aber im Deutschlandvergleich gäbe es noch Luft nach oben.

Foto: dpa

"Wir sollten unseren Glücksbegriff relativieren", sagt Dieter Birnbacher, der bis 2012 an der Heinrich-Heine-Universität Ethik lehrte. Das, was mit Glücks-Rankings meist gemessen werde, sei die subjektive Zufriedenheit der Menschen. Somit gebe auch der "Glücksatlas" nicht wieder, wie glücklich oder zufrieden die befragten Menschen sind, sondern wie sie sich diesbezüglich beurteilen. Zudem würden derartige Umfragen schnell dazu verführen, Zusammenhänge zu sehen, wo keine sind. Dass die Region "Niederrhein/Düsseldorf" es nur auf Platz zwölf schaffte (und damit übrigens fünf Positionen hinter "Niederrhein/Köln" liegt), sei laut Birnbacher kein Indiz dafür, dass die Menschen hier nicht glücklich wären.

René Petilliot, der seit mehreren Jahren in der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität am "Glücksatlas" mitarbeitet, gibt Birnbacher zum Teil recht: "Wir müssen zwischen Glück und Zufriedenheit unterscheiden." Der Atlas würde sich genau genommen auf letztere konzentrieren und somit eher eine grundsätzliche, langfristige Gemütslage der Befragten abbilden, ohne Aussagen über plötzliches Glück, wie es beispielsweise ein Lottogewinn ist, zu treffen. "Aber Glücks-Atlas klingt natürlich schöner als Zufriedenheits-Atlas", sagt Petilliot. Der Atlas, der eigentlich eine Meta-Studie aus zwei verschiedenen Umfragen ist, stelle dabei die vier "Gs" des Glücks in den Vordergrund: Gesundheit, Geld, Gemeinschaft und Genetik (worunter alles zusammengefasst werde, was nicht durch die anderen Zufriedenheits-Faktoren erklärbar ist). "Mit Genetik meinen wir eher die Mentalität, ob jemand ein Glas als halb voll oder halb leer ansieht", sagt Petilliot. Dieser Aspekt komme in den benutzten Studien noch immer zu kurz, findet der Wissenschaftler - und benennt damit ein Problem, dass auch Birnbacher sieht.

"Die Menschen orientieren sich mit ihren Erwartungen am Durchschnitt", erklärt der Düsseldorfer Philosoph. Wer geringe Ansprüche an das Leben stelle, werde häufiger positiv überrascht und erlange dadurch etwas, das Birnbacher als "periodisches oder übergreifendes Glücksgefühl" bezeichnet und der Volksmund wohl glückliches Leben nennt. In Ländern und Städten mit höheren Lebensstandards stiegen ihm zufolge auch die Ansprüche, sodass ein großes Glücksgefühl nicht automatisch heiße, dass die Umgebung eines Menschen besonders lebenswert sei.

In diesem Licht seien auch die Werte von Glücks-Rankings zu sehen, die Städte miteinander verglichen. "Nur, weil bei den Umfragewerten alles im grünen Bereich ist, heißt das nicht, dass auch in den Städten alles in Ordnung ist", so Birnbacher. Hohe Einkommen, wie es sie in Düsseldorf gebe, und niedrige Mietpreise, wie sie in anderen Städten herrschen würden, führten nicht automatisch zu einer hohen Glücks-Rate in der jeweiligen Stadt. Denn die Erwartungen der Menschen könnten in anderen Bereichen liegen: "Studenten, die in Flingern direkt an einer Durchgangsstraße wohnen, fühlen sich vielleicht pudelwohl, weil ihnen die Gesellschaft zu andere Studenten wichtiger ist", sagt Dieter Birnbacher.

Im übrigen empfinde der 70-Jährige die Platzierung Düsseldorfs im hinteren Mittelfeld beim Glücksatlas als negative Überraschung: "Düsseldorf wird da unterschätzt."

(bur)
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