Düsseldorf Glückspilz: Geige verloren und gefunden

Düsseldorf · Glück und Pech liegen oft nur einen Wimpernschlag auseinander. Diese Erfahrung hat auch Jeong Enn Lim gemacht. Eine Geschichte über Freud, Leid - und eine Geige.

 Die Mutter der 18-jährigen Jeong Enn Lim hatte deren Geige in der Straßenbahn verloren. Doch die Musikstudentin erhielt das Instrument zurück.

Die Mutter der 18-jährigen Jeong Enn Lim hatte deren Geige in der Straßenbahn verloren. Doch die Musikstudentin erhielt das Instrument zurück.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Wir verlieren ständig irgendwelche Dinge: Portemonnaies, Schlüssel, Handys. Das ist häufig mit Ärger oder Behördengängen verbunden. Manchmal kann ein Verlust so folgenschwer sein, dass er einen ganzen Lebenstraum zu zerstören vermag. Das haben wir in diesem Frühjahr erfahren: Die Musikerin Jeong Enn Lim betrauerte den Verlust eines nicht nur für sie sehr wertvollen Instruments, einer Geige aus der Werkstatt des Franzosen Gustave Bernadel von 1901.

Schon seit ihrem fünften Lebensjahr spielt die junge Frau Violine und feilt an ihrem musikalischen Können, um Profimusikerin zu werden. In ihrer Heimat, in der südkoreanischen Stadt Busan, nahm Jeong Enn Lim Unterricht bei der international gefeierten Geigensolistin Wanhee Bae. Als es diese nach Düsseldorf zog, folgte ihr Lim kurzerhand gemeinsam mit ihrer Mutter. Seit Januar wohnt die Musikstudentin hier, bereitete sich auf die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vor. Gleichzeitig lernte sie Deutsch an einer Sprachschule. Dorthin sollte Jeong Enn Lims Mutter an einem Dienstagmorgen im Februar die mehr als 100 Jahre alte Geige bringen. Doch dazu sollte es nicht kommen.

 Am Konrad-Adenauer-Platz hatte sie Zettel mit ihren Kontaktdaten aufgehängt. Auch im Fernsehen machte sie auf ihren Verlust aufmerksam.

Am Konrad-Adenauer-Platz hatte sie Zettel mit ihren Kontaktdaten aufgehängt. Auch im Fernsehen machte sie auf ihren Verlust aufmerksam.

Foto: H.-J. bauer

Die Mutter war erst kurz zuvor im fremden Düsseldorf angekommen, hatte keine Kenntnisse der deutschen Sprache: Beim Umstieg von einer Straßenbahn in die nächste ließ die Mutter der Geigenspielerin das teure Instrument versehentlich liegen. In einem Geigenkasten fuhr dieses in der Linie 719 davon.

Ein Albtraum für die damals angehende Musikstudentin - und auch für ihre Familie. Der Vater der jungen Frau hatte - obschon er zu diesem Zeitpunkt Rentner war - ein Restaurant in Südkorea eröffnet, um den Lebenstraum seiner Tochter, die Karriere als Geigerin, zu erfüllen. Später nahm er sogar einen Kredit auf. Ihm erzählte die junge Musikerin aus Sorge vorerst nichts von dem Verlust. Stattdessen startete sie eine Suchaktion: Sie hängte Zettel an Haltestellen auf und bat in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen um Hilfe. Den Gedanken, dass die Geige für immer verloren und die Zukunft als Profimusikerin verbaut sein könnte, verscheuchte Jeong Enn Lim zu diesem Zeitpunkt.

Wie sehr sie ihr Instrument vermisste, merkte sie vor allem, als sie auf einer geliehenen Geige spielte. Doch sie vertraute darauf, dass sie ihr Instrument wiederbekommen würde, dass ein ehrlicher Finder ihre geliebte Violine abgeben würde.

Und ihr Optimismus verhalf der jungen Frau zu einem glücklichen Ausgang der Geschichte: Nach knapp zwei Wochen voller Bangen und Hoffen bekam sie ihre Geige wohlbehalten wieder zurück - von einem Paar, das im WDR ihren Suchaufruf gesehen hatte.

Ihre Liebe zur Musik sei noch viel größer geworden in diesen schweren Stunden ohne das kostbare Instrument, sagte die Südkoreanerin damals unserer Zeitung. Umso eifriger - bis zu sieben Stunden täglich - übte sie, um ihrer Karriere als Profimusikerin einen neuen Schub zu geben. Sie bestand die Aufnahmeprüfung und studiert seit Oktober Violine an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, Europas größter Musikhochschule.

Und so zeigt sich, dass der Glaube an das Gute doch zum Guten führt. Und dass es sich immer lohnt, für seinen Lebenstraum zu kämpfen.

(RP)
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