Düsseldorf Hausbesitzerin hilft Flüchtlingsfamilie beim Neuanfang

Düsseldorf · Elke Neujahr hat das Haus neben ihrem gekauft - und es einer Familie aus Afghanistan zur Verfügung gestellt.

 Arife (r.) und Hossein (19, Mitte) freuen sich über die neuen Nachbarn und das Geschenk, das Ralf Lorenzen (2.v.l.) im Namen aller überreichte.

Arife (r.) und Hossein (19, Mitte) freuen sich über die neuen Nachbarn und das Geschenk, das Ralf Lorenzen (2.v.l.) im Namen aller überreichte.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Es war eine lange Reise, die vor vier Jahren begann und die Familie Roshan für bange Monate auseinanderriss und deren Ausgang stets ungewiss war. Jetzt sind sie alle sieben endlich angekommen.

Hamidullah (61) und Arife (54) haben am Wetzlarer Weg ein kleines Haus gefunden, in dem nach vierjähriger Flucht ihre Zukunft und die ihrer fünf Kinder gerade begonnen hat. "Es ist ein anderes Leben als das, was wir kannten", sagt Arife, die damals, im alten Leben, eine gefragte Hebamme war. Ein eigenes Haus, das groß genug für sie alle und die Apotheke war, die Hamidullah gehörte, Geld, Auto, Urlaub. "Wir hatten das beste Leben dort", sagt die Mutter, und wenn es je Wehmut über den Verlust gegeben hat, dann zeigt sie es nicht.

Das Haus am Wetzlarer Weg hat einer alten Dame gehört, die in ein Heim gezogen ist. Elke Neujahr, die nebenan wohnt, hat es gekauft und über die ehrenamtliche Initiative "Wohnungen für Flüchtlinge" die Roshans kennengelernt, die zu dieser Zeit schon seit drei Jahren in einem Notquartier an der Posener Straße wohnten. "Als wir zusammen im Hof standen, war alles klar", sagt die Hausbesitzerin, die von Anfang an entschlossen war, einer Flüchtlingsfamilie beim Neuanfang zu helfen. "Mein Vater ist selbst geflüchtet", sagt sie. Ihr Hilfe ist also auch so etwas wie das Zurückgeben dessen, was ihrem Vater zuteil geworden ist.

Gemeinsam haben sie das Haus renoviert, Elke Neujahr hat auch bei der Einrichtung mit dem Nötigsten ausgeholfen. "Am wichtigsten warren ihnen Schreibtische und Bücherregale für die Kinder."

Lida, mit 22 die Älteste, steht seit Jahren auf eigenen Beinen, nicht ganz freiwillig. Sie war 18, als die Schleuser, die die Familie über Pakistan und die Türkei nach Griechenland gebracht hatten, in einen Flieger nach Dortmund setzten. Später schickten sie die erst 13-jährige Rana nach Amsterdam, wo sie ein Jahr im Kinderheim blieb, bis endlich auch ihr Vater nach Deutschland kam. "Die Schleuser haben uns bestohlen. Sie nahmen unser Geld, aber taten nichts dafür." 60.000 Euro haben sie für die Flucht bezahlt, alles, was die Familie besaß und auch, was sie sich später von Verwandten liehen. Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis Arife all ihre Kinder in Deutschland wieder in die Arme schließen konnte.

"Es war eine schwere Zeit, voller Angst, voller Ungewissheit", sagt sie. Und über die Gründe ihrer Flucht nur so viel, wie Rohina (zwölf), die längst perfekt deutsch spricht, übersetzen soll. "Wir waren in Gefahr", sagt sie. Aufständische haben nachts den Krankenwagen gestoppt, der die Hebamme zu einer Entbindung ins Krankenhaus bringen sollte. Man hat sie mit dem Tod bedroht, damit sie nicht mehr in die Klinik geht.

Jetzt träumt Arife davon, ihren Deutschkurs zu beenden, um dann wieder Hebamme sein zu können. Es geht langsam voran. Zuhause redet sie lieber persisch, nicht nur, weil es ihr leichter fällt, sondern vor allem, weil sie fürchtet, dass ihre Kinder die Muttersprache verlernen. "Rohina hat schon viel von ihrem Persisch vergessen", sagt sie.

Jetzt, da die Notunterkunft, die sie mit anderen afghanischen Familien und Flüchtlingen aus Serbien teilten, hinter ihnen liegt, hofft Arife, dass ihr eigenes Deutsch schnellere Fortschritte macht. "Ich hatte ja gar keine Kontakte zu Deutschen." Endlich eine richtige Nachbarschaft - darauf freut sich auch Vater Hamidullah. Vor zwei Wochen haben sie alle Nachbarn eingeladen, zu einem Willkommensfest mit afghanischen Spezialitäten. Alle sind gekommen, mehr als 30 Leute sammelten sich im Hof und feierten zusammen.

Auch einige, die anfangs eher skeptisch gegen Elke Neujahrs Pläne waren. Evelyn Deimel, die Anfang der 1950er mit ihren Eltern aus der DDR flüchtete, hatte zuerst an Einbrecher gedacht, als sie die Roshans durchs Viertel schlendern sah - "man ist ja doch ein bisschen voreingenommen." Das habe sich aber gleich gelegt, als die Familie sich vorstellte. "Wir sind eine gute Nachbarschaft hier und freuen uns, wenn sie dazu gehören wollen."

Fast alle Nachbarn brachten Geschenke mit, Ulrike Fels ein kleines Gartenset, denn sie hat schon gehört, dass Arife nebenan Gemüse anbauen und einen kleinen Rosengarten anlegen will. Das sind ihre Ziele im neuen Leben, das ihnen vor allem Sicherheit bietet. Hamidullah wird wohl nie mehr Apotheker sein, plant, den Taxischein zu machen und sucht händeringend einen Aushilfsjob. Lida will an die Tradition ihres Vaters anknüpfen, sucht eine Lehrstelle als Apothekenhelferin. Erst, wenn sie eine hat, darf sie aus Dortmund zu ihrer Familie ziehen. Hossein (19) bereitet sich aufs Abitur vor, will studieren. Und der 17-jährige Hassan will nach dem Schulabschluss Automechaniker werden. Und Rana macht ein Praktikum im Altenheim - just in dem Stift, in dem die alte Dame lebt, der einst ihr Haus gehörte. So schließt sich der Kreis.

Im Wohnzimmerfenster blinkt eine einfache Lichterkette. Roshans sind Muslime aus Afghanistan, aber Deutschland, sagt Vater Hamidullah, "ist jetzt unsere Heimat. Und wenn man hier Weihnachten feiert - dann feiern wir natürlich mit."

(RP)
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