Serie Wie Andere Weihnachten Feiern Heiligabend allein daheim

Düsseldorf · Edelgard Schultz ist alleinstehend und lässt sich überraschen, wer Weihnachten zu ihr kommt.

 Für Edelgard Schultz steht fest, an Weihnachten muss alles festlich sein, auch die Kleidung.

Für Edelgard Schultz steht fest, an Weihnachten muss alles festlich sein, auch die Kleidung.

Foto: olaf staschik

Heiligabend - das ist für Edelgard Schultz ein glückliches Stichwort. Geheimnisse, Familie, Geborgenheit, Schneeglitzer im Mondschein - die alte Dame erzählt mit leuchtenden Augen. Aus der Kindheit in den Masuren strahlen ihre Erlebnisse und Bräuche bis ins Rheinland und bis zum diesjährigen Weihnachtsfest.

"Ich krieg' jetzt noch Gänsehaut, wenn ich an unsere Bescherung denke", meint die 88-Jährige und schüttelt sich lachend. Ihre Eltern verstanden es, die Heilige Nacht voll knisternder Spannung zu gestalten. Ganz heimlich habe die Mutter in der guten Stube bunte Teller und den Baum hergerichtet. Dann wurde das Zimmer verschlossen, damit die Überraschung gelang. Zur Bescherung läutete eine Glocke und die lichterglänzende Stube öffnete sich. Unter "Ahs" und "Ohs" eroberten die Kinder das Weihnachtszimmer. "Meine Eltern sagten uns, das Christkind habe klammheimlich alles geschmückt", erzählt sie. Zu späterer Stunde klopfte der strenge Weihnachtsmann laut an die Türe und brachte in einem großen Sack die Geschenke. "Oh Gott, oh Gott", sagt sie im Rückblick auf ihre einstige Aufregung. Zum Gottesdienst ging die Familie meist nicht. "Es war tief verschneit und für uns Kinder zu bitterkalt", erklärt Edelgard Schultz. Der stattliche Weihnachtsbaum - eine Rotfichte, die bis zur Zimmerdecke reichte und herrlich duftete - ist ihr bis heute unvergessen.

Ihre masurische Weihnacht brachte sie als junge Frau mit nach Düsseldorf. "Dabei hatte ich einen Mann, der rheinischer nicht sein konnte", meint die Seniorin amüsiert auf 61 Ehejahre zurückblickend. Ostpreussische Weihnachtstraditionen übernahm der Rheinländer jedoch gerne. "Wir haben - wie früher meine Mutter - viele Jahre zu den Festtagen Alleinstehende zu uns eingeladen", schildert Edelgard Schulz. Bei Glühwein, Gänseschmalz und Weihnachtsliedern, genossen die Gäste Schultz'sche Gastfreundschaft. Ihre in die Ferne verstreuten vier erwachsenen Kinder beschenkte sie früher mit dergleichen prickelnden Fest-Atmosphäre, die sie selbst geprägt hat. "Einmal kamen alle vier nicht mehr von der Toilette, weil die Spannung zu groß war", erinnert sie sich lachend.

Die ersten Jahre nach dem Tod ihres Mannes verbrachte Edelgard Schulz ihre Festtage in einer Freizeitstätte in Bad Pyrmont. "Es war schwer, alleine zu sein", sagt sie rückblickend. Voriges Jahr hatte sie zum ersten Mal die Absicht, Heiligabend allein zu verbringen. Da stand unverhofft ihr Sohn aus Berlin vor der Türe. Auch ihr jüngster Sohn in Baden kümmere sich liebevoll um sie, betont Edelgard Schultz. Also lässt sie sich in diesem Jahr: "einfach überraschen". In der Kirchengemeinde und dem Netzwerk der Diakonie fühlt sie sich geborgen und sie freut sich auf die Begegnungen nach dem Familiengottesdienst am Heiligabend.

Zuhause genießt sie dann fein gekleidet bei weihnachtlicher Musik, Forelle in Mandeln mit einem Glas Traubensaft - natürlich an einem festlich gedeckten Tisch. "Einen Rheinischen Sauerbraten mache ich auch. Nur falls jemand kommt, falls nicht, kann ich den einfrieren", setzt sie mit Schalk in den Augen hinzu. In der Heiligen Nacht alleine zu sein, mache sie nicht traurig, denn sie fühle sich nicht einsam. "Hab' ich's hier nicht schön", erklärt die 88-Jährige mit einem Rundblick in ihr Zuhause. "Wenn ich jemanden kennen würde, der einsam und betrübt ist, würde ich ihn zu mir nach Hause einladen", setzt Edelgard Schultz lächelnd hinzu.

(bgw)
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