Düsseldorf Helfer-Ehepaar bangt mit Nepal

Düsseldorf · Zwei Tage nach dem Erdbeben haben Claudia und Gunther Gross-Selbeck endlich Lebenszeichen von ihren Freunden erhalten. Seit Jahren setzt sich das Ehepaar für die medizinische Versorgung von Kindern in dem Land ein.

Der Fernseher läuft beim Düsseldorfer Ehepaar Gross-Selbeck im Moment ständig. Die beiden wollen jede Neuigkeit aus Nepal möglichst sofort erfahren. "Wir waren von der Nachricht des Erdbebens erschüttert, schließlich kennen wir das Land und die Leute dort sehr gut", sagt Claudia Gross-Selbeck. Die Physiotherapeutin und ihr Mann, ehemaliger Leiter des Kinderneurologischen Zentrums in Gerresheim, unterstützen bereits seit vielen Jahren ein Reha-Zentrum für Kinder in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Sie haben auch eine medizinische Betreuung von Kindern in vielen weiteren Dörfern mit aufgebaut, so dass auch abgelegenere Gegenden davon profitieren können. Für ihre Arbeit waren die beiden im vergangenen Jahr bereits mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Immer wieder reisen sie in das südasiatische Land - oft für Monate.

Zwei Tage lang hatten die Helfer nach dem Erdbeben keinen Kontakt zu den Klinik-Mitarbeitern, dann kam endlich der erlösende Anruf: Vom Team vor Ort ist niemand ums Leben gekommen, und das Gebäude ist nicht beschädigt. Die Reha-Klinik war erst vor wenigen Jahren gebaut worden - und zwar erdbebensicher. Damit gehört sie wahrscheinlich zu den stabilsten Gebäuden der Region. "Es gibt dort kaum ein Gebäude ohne Risse von früheren Erdbeben", erzählt Gross-Selbeck. "Auch in unseren Hotels waren Risse in den Wänden völlig normal." Kleinere Erschütterungen gehörten in dem Land durchaus zum Alltag. "Wenn dort mal kurz die Fensterscheiben klirren, nimmt niemand Notiz davon."

Gross-Selbeck weiß auch, dass die Einheimischen bereits mit einem größeren Beben gerechnet haben. "Irgendwann ist es so weit", habe sie von ihnen oft gesagt bekommen. Viele hätten sich Horrorszenarien mit mehr als 100 000 Toten allein in der Hauptstadt ausgemalt. So hoch liegt die Zahl der Toten vermutlich nicht, doch zu vielen Orten fehlt noch immer der Kontakt. Die mobilen Helfer der Klinik sind in insgesamt 18 Dörfern des Landes aktiv, noch nicht zu allen Außenstellen gibt es Kontakt.

Der CEO der Klinik Bimal Shresta, schreibt in einer ersten E-Mail an das Düsseldorfer Ehepaar, dass er sich vor allem noch Sorgen um einen Fahrer mache, von dem er noch nichts gehört hat. Auch von zahlreichen Familien der behandelten Kinder hat er demnach noch keine Nachricht. Sein privates Grundstück habe sich in ein Notlager verwandelt: "Mehr als 30 Nachbarn sind derzeit in meinem Garten untergebracht. Wir schlafen in Zelten, was bei dem Regen nicht so angenehm ist. Meine Mutter hat deswegen im Auto übernachtet", schreibt er. Das Zentrum für Kinderneurologie ist derzeit geschlossen, soll aber so schnell wie möglich wieder geöffnet werden.

Claudia Gross-Selbeck macht sich aktuell nicht nur Sorgen um die Menschen, die sie kennt, sondern auch um die Zukunft des gesamten Landes. "Die Menschen dort sind arm. Sie haben kaum die Möglichkeit, aus eigener Kraft alles wieder aufzubauen. Erst recht nicht, wenn jetzt auch noch der Tourismus einbrechen sollte, von dem so viele leben." Fest steht: Den Fernseher wird das Ehepaar zu Hause auch in den nächsten Tagen kaum ausschalten.

(RP)
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