Friedhofsarbeiter in Düsseldorf Herr Kiawa und der Tod

Düsseldorf · Wenn er den Menschen erzählt, was er beruflich macht, schüttelt es sie manchmal. Norbert Kiawa ist Friedhofsarbeiter. "Man lernt, damit umzugehen", sagt der Familienvater.

 Norbert Kiawa ist seit acht Jahren Bestattungsgehilfe auf dem Friedhof in Stoffeln. "Man lernt, damit umzugehen", sagt der 45-jährige Familienvater.

Norbert Kiawa ist seit acht Jahren Bestattungsgehilfe auf dem Friedhof in Stoffeln. "Man lernt, damit umzugehen", sagt der 45-jährige Familienvater.

Foto: Andreas Bretz

Beim ersten Mal darf er nur zuschauen. Zwei Leute nehmen eine Urne, sechs einen Sarg. Auch beim zweiten Mal steht Norbert Kiawa am Rand. Er beobachtet: Jeder hat seinen Platz, kennt genau seine Wege. Beim dritten Mal tritt er selbst an den Sarg. "Ich kann mich noch gut an die erste Beerdigung erinnern", sagt der 45-Jährige. Ob er aufgeregt war? "Ja, sehr."

Seit acht Jahren ist Kiawa Friedhofsarbeiter und Bestattungsgehilfe in Stoffeln. Er kümmert sich darum, dass die Wege ordentlich, der Rasen gemäht und die Hecken geschnitten sind. Und er begleitet die Toten auf dem Weg ins Grab, als Sarg- oder Urnenträger. Wenn er den Menschen erzählt, was er von Beruf ist, schüttelt es sie manchmal. "Wie kann man sowas machen?", fragen sie ihn dann. Kiawa zuckt die Schultern. "Einer muss es ja machen", sagt er. "Und ich mache es gerne."

Kiawa kommt aus Kenia, seit 22 Jahren lebt er in Deutschland. Er ist verheiratet, hat vier Kinder im Alter von zehn bis 19 Jahren. "Meine Kinder kommen mich manchmal auf dem Friedhof besuchen", sagt er. "Meine Frau möchte von der Arbeit lieber nichts hören." Wenn man ihn so da sitzen sieht, auf einer dieser grünen Friedhofsbänke, wirkt Norbert Kiawa wie ein einladender, fröhlicher Mensch. Und doch umgibt er sich täglich mit Trauernden. Ganz freiwillig. "Man lernt, damit umzugehen", sagt er.

Ihr Auftritt ist spät. Während der Trauerfeier warten die Sargträger in einem eigenen Raum. Mit einer Klingel signalisiert ihnen der Priester, den Sarg aus der Kapelle hinaus zum Fahrzeug zu tragen. Es folgen die Kränze, ehe es zur Grabstelle geht. Einer der Kollegen läuft Meter vor dem Trauerzug. Dunkelgrauer Anzug und Mütze, hellgraues Hemd, schwarze Schuhe und Krawatte. Im Winter darf es auch mal der Rollkragen sein. Gärtner hören mit der Arbeit auf, Spaziergänger halten inne.

Worüber er bei seiner Arbeit nachdenkt? "Gerne über schöne Dinge, wie meine Kinder", sagt er. Manchmal dann aber doch über das Leben und den Tod. Wenn kaum jemand bei einer Beerdigung auftaucht. Oder wenn es anders zugeht als sonst. "Wir Afrikaner trauern sehr emotional und laut, tragen bunte Kleider und singen viel. Griechen trinken und essen schon mal am offenen Grab."

Kiawa ist einer von etwa zehn Sargträgern auf dem Friedhof. Um 7 Uhr beginnt sein Tag, für die Gartenarbeit schlüpft der 45-Jährige in eine Latzhose und Arbeitsschuhe. Der Friedhof ist vor allem grün - und ständig pflegebedürftig. Dienstags und donnerstags kommen Urnen-Beerdigungen dazu, mittwochs und freitags die mit Sarg.

"Ich helfe gerne Menschen und arbeite am liebsten im Freien. Außerdem ist es hier oft schön ruhig", sagt Kiawa. Unangenehm kann es trotzdem werden - etwa wenn Leichen umgebettet werden müssen. Besonders, wenn die erst seit einigen Monate in der Erde liegen. Der Geruch.

In Düsseldorf werden Särge eher nicht von Angehörigen und Freunden getragen, zu groß ist die Sorge vor dem Undenkbaren: Jemand könnte stolpern und stürzen, beim Herablassen des Sarges könnte das Seil aus der Hand rutschen, am Ende gar jemand dem Sarg in die Grabstelle hinterherfallen. Aus diesem Grund gehören die Sargträger fest zur Ausstattung des Friedhofs.

Auf die Stelle aufmerksam wurde Kiawa im Internet. "Ich wollte gerne in den öffentlichen Dienst", sagt er. Der Friedhof ist ihm nicht fremd, zuvor hat er als Steinmetz gearbeitet.

Dass der Beruf längst nicht jedem liegt, weiß Jörg Deter von der Stadt Düsseldorf aus zahlreichen Bewerbungsgesprächen. "Man muss sich mit dem Tod auseinandersetzen, das möchte nicht jeder." Sogar manche von jenen, die sich vorher noch selbstbewusst auf die Brust klopfen, winken nach den ersten Tagen zwischen den Gräbern ab. Was man mitbringen muss? "Man muss hilfsbereit sein und den Umgang mit Menschen mögen, Verständnis aufbringen und im Team arbeiten können", sagt Kiawa. Und ein Bewusstsein dafür haben, dass jede Beerdigung anders ist, auch wenn es manchmal bis zu 15 in einer Woche sein können. Gestorben wird immer. "Am Anfang habe ich noch gezählt. Mittlerweile habe ich aufgegeben."

(lukra)
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