Kolumne: Die Woche Im Rathaus Herr Orth und die Notrufe

Meinung | Düsseldorf · Ein FDP-Landtagsabgeordneter behauptet, in Düsseldorf gingen Anrufe an die 110 zu oft ins Leere. Jetzt soll der Innenminister Rechenschaft ablegen. Dabei könnte es der Liberale, der Vorsitzender des Rechtsausschusses ist, besser wissen.

 Einer der Plätze in der Leitstelle des Polizeipräsidiums, wo die Notrufe über 110 auflaufen.

Einer der Plätze in der Leitstelle des Polizeipräsidiums, wo die Notrufe über 110 auflaufen.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Im Innenministerium wird man sich gefreut haben, mal von der FDP zu hören. Die Kleine Anfrage von Robert Orth, dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Landtag, ist ja fast erledigt. Die hat er voriges Jahr schon mal gestellt, für fast jede Polizeibehörde im Land. Orths plakative Frage "Kein Anschluss unter 110?" muss man diesmal nur für Düsseldorf beantworten.

Mehr als zehntausend Notrufe, sagt Herr Orth, gingen der Polizei dort jedes Jahr verloren. Weil sie "anruferseitig nach fünf Sekunden beendet" werden. Heißt: Die Polizei wird nie erfahren, in welcher Not einer war, der aufgelegt hat, bevor Sie diesen Text bis hierher laut gelesen haben.

Natürlich: Wenn der Einbrecher im Nebenzimmer ist, dehnen sich Sekunden am Telefon zu gefühlten Minuten. Und ja, da hat Herr Orth Recht, nicht jeder Anruf an die 110 wird "sofort" beantwortet. Wie sollte das auch gehen? In der Leitstelle am Jürgensplatz beantworten acht Beamte rund um die Uhr Notrufe. Statistisch sind das 700 am Tag, etwas mehr als dreieinhalb pro Stunde für jeden. Bloß funktioniert der Notruf nicht statistisch.

Im Handy-Zeitalter melden sich nach einem schweren Unfall schon mal 20, 30 Augenzeugen unter 110. Während die ersten acht denselben Unfall melden, ist der Notruf "besetzt". Besetztzeichen gibt es aber nicht. Falsches Signal, haben die Verantwortlichen irgendwann entschieden. Die anderen Unfallzeugen hören deshalb das Freizeichen, und so lange sie das hören, sind sie in einer Warteschleife. Auf eine Ansage wie "Notruf. Sie werden mit dem nächsten freien Platz verbunden" hat die Polizei aber auch bewusst verzichtet, und sich zum Ziel gesetzt, keinen Anrufer länger als 20 Sekunden warten zu lassen. Außer eben, wenn gerade mal alle Notruf-Leitungen glühen, wie neulich abends, als ohne Grund in Reisholz eine Luftschutzsirene jaulte.

Vor ein paar Jahren hat sich die Bahn mal über ihre Kunden lustig gemacht, die im Werbefernsehen in Megaphone brüllten: "Wir verlangen Rechenschaft über jede der drei Minuten". Die Imagekampagne ging nach hinten los. Die Sekunden-Zählerei von Orth freilich kann ihm auch nicht zur Ehre reichen. Ausgerechnet in einer Phase, in der die Polizei im Kampf gegen Einbrecher an Alle appelliert, verdächtige Beobachtungen über 110 zu melden, zweifelt Orth öffentlich die Funktionalität an. Die Botschaft: Anrufen lohnt nicht. Kein Anschluss, keine Hilfe. Nicht sehr verantwortungsvoll von einem Rechtsexperten.

Zumal der die Antworten auf seine Fragen doch schon vom vorigen Jahr kennt: Dass nicht einmal die Hälfte der jährlichen Notrufe tatsächlich zu Polizeieinsätzen führen etwa, eben wegen der erwähnten Mehrfach-Anrufe und wegen der Anrufer, die auflegen, sobald ein Polizist sich meldet - die machen mit den 5-Sekunden-Auflegern zusammen etwa 12 000 im Jahr aus. Das weiß Herr Orth. Aber statt sich darum zu kümmern, dass der Neubau des Polizeipräsidiums endlich weitergeht, der seit mehr als einem Jahr wegen Behördenfehlern ruht, fordert er unbeirrt Rechenschaft über fünf Sekunden. Dabei sollte er wissen, dass im Neubau auch eine neue Technik installiert werden soll, die beim Überlauf der 110 eine Weiterleitung an Nachbarbehörden ermöglicht. Als noch ein FDP-Mann Innenminister in NRW war, ging's am Notruf nicht schneller. Da hat Herr Orth aber nicht danach gefragt. Jetzt will er tatsächlich von der Regierung Rat für Menschen, die am Notruf 20 Sekunden warten müssen. Von einem Liberalen würden wir erwarten, dass er sich wie jeder andere da nicht auf den Staat, sondern auf den gesunden Menschenverstand verlässt. Und darauf, dass sich in der 21. Sekunde an der 110 ein Profi meldet, der weiß, was er tut.

Stefani Geilhausen

(sg)
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