Serie Düsseldorfer Erfinder Höhenflug und Absturz eines Pioniers

Düsseldorf · Albert Paul Veeh baute zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Luftschiff in der Golzheimer Heide. Doch sein Lebenstraum scheiterte.

 Genial, aber glücklos: der Erfinder Albert Paul Veeh

Genial, aber glücklos: der Erfinder Albert Paul Veeh

Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

In technischen Lexika sucht man seinen Namen vergeblich, er ist ein längst vergessenes Genie. Aber vor 100 Jahren kannte jedes Kind Albert Paul Veeh. Der Konstrukteur war beflügelt von seiner Idee, ein völlig neuartiges Luftschiff zu bauen. Zum Jungfernflug kam sogar Kronprinz Albert von Preußen, um mit "höchst skeptischen Augen" zu begutachten, was da in der Golzheimer Heide in Düsseldorf geschah. Und um mitzuerleben, ob es diesem Mann tatsächlich gelingen würde, seine hochfliegenden Pläne in die Tat umzusetzen. Für seinen Lebenstraum opferte Albert Paul Veeh sein gesamtes Vermögen und wohl auch seine Gesundheit. Gescheitert ist er trotzdem - ein tragisches Erfinderschicksal.

 Das Luftschiff bestand aus dünnen, biegsamen Stahlrohren von Mannesmann und wurde in einer Halle in Golzheim montiert.

Das Luftschiff bestand aus dünnen, biegsamen Stahlrohren von Mannesmann und wurde in einer Halle in Golzheim montiert.

Foto: Stadtarchiv

Wann hatte dieser Traum vom Fliegen, diese Faszination an der Technik begonnen? In seiner Kindheit wohl kaum. Die verbrachte Albert Paul Veeh, geboren 1864, als Sohn eines Kupferschmiedemeisters in Thüringen. Aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigte er sich bereits mit der Konstruktion von Luftschiffen, ein Patent trägt die Jahreszahl 1908. Zwei Jahre später gelang es ihm, die Luftschiff Veeh GmbH zu gründen und mit dem Bau seines ersten Himmelsstürmers zu starten. Bei den Arbeiten muss es immer wieder zu Verzögerungen gekommen sein, denn Veeh bestritt den größten Teil der Kosten aus eigenem Vermögen - insgesamt 380 000 Mark. Oft konnte er nur einen Ingenieur bezahlen, musste unter freiem Himmel montieren. Dem Unternehmen ging es erst besser, als Veeh von der Stadt eine Halle auf der Golzheimer Heide mieten konnte und Stiftungen von Krupp, Mannesmann und dem Kriegsministerium Geld spendierten.

Seine verblüffende Idee: Anders als bei der starren Konstruktion des Zeppelin, hatte sich Veeh für ein "halbstarres" Verfahren entschieden. Die Konstruktion des Luftschiffs bestand aus dünnen, biegsamen Stahlrohren von Mannesmann. Auch die Verbindung der Rohre hatte sich der Erfinder ausgedacht, sie ließen sich auseinander nehmen, transportieren und an einem anderen Ort wieder zusammensetzen. Dieses Rohrsystem war von einer Hülle umgeben, darunter gab ein festes Kielgerüst mit einer Gondel dem Luftschiff Stabilität. Diese Gondel bot 28 Passagieren und 12 Mann Besatzung Platz, außerdem einem technischen Kern: Zwei 130 PS-Motoren, die vier Propeller antrieben.

Bei einem ersten Testflug am 8. Juli 1912 landete das Luftschiff auf einem Kartoffelacker. Aber drei Tage später startete die "Veeh I" zu ihrem eigentlichen Jungfernflug - in der Passagierkabine Honoratioren aus dem Kriegsministerium und der Erfinder selbst. Nach Zeitungsberichten gelang der Start ohne Komplikationen, das Luftschiff stieg auf 150 Meter Höhe, flog Richtung Düren und kehrte nach etwa 30 Minuten zurück. Der Jubel muss gewaltig gewesen sein, das kaiserliche Marineministerium vergab die Note "sehr gut", der Kronprinz war entzückt, in ganz Europa berichteten die Gazetten über das Ereignis. Und auf der Golzheimer Heide erklang der Marsch "Hoch in den Lüften", den der Komponist Anton Neuhäusler "dem genialen Erfinder hochachtungsvoll" gewidmet hatte.

Spuren von diesem triumphalen Tag lassen sich im Stadtarchiv finden. Dort existiert eine Kiste voller Erinnerungen an Veeh: Fotos des spektakulären Luftschiffs und seines Erfinders, mal in Uniform, mal mit sommerlichem Strohhut. Die Noten des Festmarsches sind dort ebenso erhalten wie 32 Glückwunsch-Telegramme, die Veeh nach diesem Tag erhielt und die den "Besieger der Lüfte" preisen.

Aber als der Applaus verklungen war, wurde es still um den Erfinder. Er startete noch eine Fahrt im Oktober desselben Jahres, bei der ein Rohr brach und die Steuerung versagte. Trotzdem konnte das Luftschiff ohne Havarie landen. Das Luftschiff hatte sich bewährt, das Prinzip anerkannt - der Erfolg blieb trotzdem aus. Die staatlichen Ministerien verweigerten dem Unternehmen nach anfänglichem Interesse ihre Unterstützung. Veeh musste Konkurs anmelden. Zu diesem Zeitpunkt war er längst krank. Er überlebte die Bruchlandung seines Traums nur wenige Monate und starb am 26. Februar im Marienhospital an einem Kehlkopfleiden.

Im Freizeitpark "Minidom" in Ratingen, der bis in die 1990-er Jahre existierte, stand lange Zeit ein Modell des Luftschiffs, erbaut von Günter Veeh, einem Enkel des Erfinders. Da konnten sich die Besucher vorstellen, wie sie über Düsseldorf mit sanftem Motorenbrummen dahin geglitten war: die "silbergraue Zigarre" der Lüfte.

(RP)
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