Wilfried Johnen im Interview "Ich bin mehr als entsetzt über das Verwaltungsgericht"

Düsseldorf · Die rechtsradikale "Dügida" durfte am Montag an der Moschee an der Adersstraße vorbeilaufen. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung?

 Wilfried Johnen ist Geschäftsführer des NRW-Zentralrats der Juden.

Wilfried Johnen ist Geschäftsführer des NRW-Zentralrats der Juden.

Foto: Peggy Mendel (peg)

Die rechtsradikale "Dügida" durfte am Montag an der Moschee an der Adersstraße vorbeilaufen. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung?

Wilfried Johnen Ich bin mehr als entsetzt. Die Polizei hatte die nötige Sensibilität entwickelt und die Route über diese Straße untersagt - und das Verwaltungsgericht setzt sich darüber hinweg und findet es angemessen, dass die Betenden mit Polizeischutz in die Moschee geleitet werden müssen. Ich finde das unfassbar. Im Übrigen auch mit Blick auf die Geschichte der Straße.

Was meinen Sie?

Johnen In der NS-Zeit lebten an der Adersstraße viele Juden, daran erinnern die Stolpersteine, die dort verlegt sind. Auch das wusste das Gericht. Durch diese Demonstration einer Gruppe, die nach Erkenntnissen des Staatsschutzes ganz klar rechtsradikal ist, tritt man das Andenken der Opfer des Nationalsozialismus buchstäblich mit Füßen und verhöhnt sie.

Das Gericht berief sich auf den hohen Wert des Versammlungsrechts.

Johnen Ja, aber trotzdem müssen in die Entscheidung auch menschliche Aspekte einfließen. Die Richter haben einen Ermessensspielraum, und es ist unfassbar, wenn sie sich wieder hinter Paragraphen verstecken. Ich sage bewusst "wieder", denn auch zur NS-Zeit zog braunes Gesocks über die Adersstraße und hat damals die jüdischen Menschen aus ihren Wohnungen gezerrt, verprügelt und vertrieben.

Würden Sie ein generelles Verbot von "Dügida" befürworten?

Johnen Der "Dügida" als rechts eingestufte Gruppierung ja, der "Pegida" nicht, ich bin ein Verfechter der Versammlungs- und Meinungsfreiheit - wie jeder halbwegs normal denkende Mensch. Aber der Weg über die Adersstraße war eine Provokation, und die hätte das Gericht nicht zulassen dürfen. (arl)

(RP)
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