Polizeipräsident aus Düsseldorf "Ich erwarte, dass die Zahl der Abschiebungen steigt"

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler spricht im Interview über Silvester, den Umgang mit Straftätern und die Modernisierung der Polizei. Ihm zufolge gibt es etwa 20 Intensivtäter in der Stadt, die mit unterschiedlich großem Aufwand beobachtet werden.

 Polizeipräsident Norbert Wesseler spricht sich für schnellere Prozesse und konsequentere Abschiebung für Mehrfachtäter aus.

Polizeipräsident Norbert Wesseler spricht sich für schnellere Prozesse und konsequentere Abschiebung für Mehrfachtäter aus.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Herr Wesseler, wo waren Sie an Silvester?

Norbert Wesseler In der Altstadt, sowohl in der Wache als auch draußen.

Und wie war's?

Wesseler Anfangs relativ entspannt. Aber es war schon auffallend, dass am späteren Abend sehr viele nordafrikanische Männer in die Altstadt kamen. Es blieb aber doch eher unaufgeregt.

Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus der Nacht?

Wesseler Ich bin sowieso kein Böllerfreund, aber das Verbot war auch deshalb eine gute Idee, weil für die Polizei ein zusätzliches Bedrohungspotenzial wegfällt. Und die zweite Feststellung: Unsere Frauen und Männer, die in der Nacht für uns unterwegs gewesen sind, haben einen tollen Job gemacht, die waren strategisch gut aufgestellt, dabei freundlich und entspannt - das war gut für das Sicherheitsgefühl.

Das Polizeiaufgebot war groß, aber nicht so groß, wie es hätte sein können. Wird das der Standard sein, an den wir uns bei Großveranstaltungen gewöhnen müssen?

Wesseler Ich weiß es nicht. Ich fand die Einsatzstärke angemessen, wir waren nicht übermäßig viele, so dass man das Gefühl hätte haben müssen, da wird unter Aufsicht gefeiert. Aber wir brauchen auch mal wieder einen Normalzustand. Also, ich sehe jetzt nicht jede Großveranstaltung mit einem Riesenpolizeieinsatz. Wir bewerten jeden Einsatz der Lage angepasst neu.

Wobei der Normalzustand in der Altstadt ja auch personalintensiv ist.

Wesseler Ja, klar. Wir haben jedes Wochenende mindestens einen Zug der Bereitschaftspolizei, also 38 Beamte zusätzlich zu unseren eigenen Kräften in der Altstadt, weil wir da Personen haben, die mit krimineller Energie auffallen. Wir brauchen diese Verstärkung, und die sollte auch unbedingt so beibehalten werden.

Mit wie vielen Überstunden ist die Düsseldorfer Polizei denn ins neue Jahr gegangen?

Wesseler Das ist unterschiedlich. Prios (die Interventionseinheit, d. Red.) hat einige, auch im Bereich der Kripo gibt es durch die vielen Ermittlungskommissionen viele Ausreißer. Silvester sind auch einige dazu gekommen. Das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, aber nicht nur wir, das muss landesweit geregelt werden.

Nach den Terroranschlägen in Nizza und Berlin wurde auch in Düsseldorf mehrfach die Polizeipräsenz erhöht. Muss man nicht noch einmal darüber nachdenken, Polizei von anderen Aufgaben zu entbinden? Sie haben selbst einmal den Objektschutz ins Gespräch gebracht.

Wesseler Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass man darüber nachdenken kann, ob man den Objektschutz ausschließlich der Polizei überlässt. Andererseits weist uns das Land zusätzliches Personal zu, gerade weil wir so viele Objekte zu bewachen haben. Diese Kräfte müssten wir dann vielleicht wieder abgeben.

Wir haben gerade im Foyer die Plakate für die traditionelle Altweiber-Party im Präsidium gesehen. Bedeuten die, dass die Polizei auch Karneval gelassen entgegensieht?

Wesseler Voriges Jahr haben wir die Feier abgesagt, weil es uns angesichts der Lage und auch so kurz nach den Übergriffen in der Silvesternacht nicht passend erschien. Dass sie dieses Jahr stattfindet, heißt nicht, dass wir dadurch auch nur einen Polizisten weniger auf der Straße hätten. Und wir bereiten auch den Karnevalseinsatz sehr flexibel vor. Wir sind jeden Tag, und nicht nur nach konkreten Anschlägen, mit dem Thema der allgemeinen Terrorlage befasst und auch mit dem GTaz (behördenübergreifendes Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern, d.Red.) in Verbindung.

Was machen Sie da?

Wesseler Denen stellen wir beispielsweise die Personen vor, die bei uns als Gefährder gelten.

Damit meinen Sie jetzt nicht Diebe und Einbrecher?

Wesseler Darunter verstehen wir Personen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie eine staatsgefährdende Straftat begehen können.

Also potenzielle Terroristen - wie viele gibt es davon in der Stadt?

Wesseler Etwa 20, die mit unterschiedlich großem Aufwand von uns beobachtet werden. Das bedeutet vor allem personell eine enorme Belastung. Wenn dann noch konkrete Einsätze - wie vor Weihnachten durch den Kriegswaffenfund - dazukommen, dann fordert uns das extrem viel ab.

Wird das jetzt auf Dauer so weitergehen?

Wesseler Letztlich wird nur die konsequente Abschiebung helfen. Es ist auch eine Bundesaufgabe, das zu regeln. Denken Sie mal an diesen selbst ernannten König der Taschendiebe. Als der abgeschoben werden sollte, haben sich mehrfach Piloten geweigert, den mitzunehmen. Das muss anders werden.

Speziell dieser Mann war aber kein Gefährder im Terror-Sinn, sondern ein gewöhnlicher Krimineller, der im Maghreb-Viertel untergetaucht war - wie mehr als 2200 Straftäter, die dort bei einer Langzeitanalyse der Polizei festgestellt wurden.

Wesseler Dieses Analyse-Projekt Casablanca führen wir jetzt sehr viel konzentrierter weiter. Und zwar mit dem Ziel, dass Intensivtäter schneller bestraft und dann abgeschoben werden können. Da gibt es eine Arbeitsgruppe zwischen städtischen Behörden, insbesondere dem Ausländeramt, und unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Ermittlungskommission, die vor allem mit Taschendiebstahl, Körperverletzung und Raub zu tun hat.

Zwischen Festnahme und Abschiebung durch das Ausländeramt steht aber noch die Justiz.

Wesseler Wir arbeiten schon bei den beschleunigten Verfahren sehr gut zusammen. Und ich begrüße sehr, dass die Staatsanwaltschaft jetzt ein eigenes Dezernat für die Verfolgung solcher Mehrfachtäter geschaffen hat. Um es klar zu sagen: Wir brauchen auch Verurteilungen, um eher abschieben zu können.

Und Sie erwarten, dass durch die Neuorganisation jetzt mehr Verurteilungen zustande kommen?

Wesseler Beim Gepäckdiebstahl am Flughafen ist es uns mit vereinten Kräften gelungen, die Zahlen zu reduzieren. Ich erwarte, dass in geraumer Zeit die Zahl der Abschiebungen von Intensivstraftätern steigt.

Wie hat sich die Situation im Maghreb-Viertel aus polizeilicher Sicht entwickelt?

Wesseler Wir - vor allem die Prios-Kräfte - sind da sehr präsent, was von den Geschäftsleuten dort begrüßt wird. Man muss aber sagen: Nicht das Viertel ist das Problem. Das Problem sind kriminelle Nordafrikaner, auch aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden, die es als Rückzugsraum nutzen. Dagegen müssen sich auch die Menschen, die dort leben, wehren.

Spätestens seit den Anschlägen im vergangenen Jahr wird vielfach über die Ausweitung der Videoüberwachung diskutiert. Wie sehen Sie das?

Wesseler Wir machen das mit am längsten, seit elf Jahren. Und unser Konzept, da zu beobachten, wo wir auch unmittelbar eingreifen können, ist meiner Ansicht nach das Einzige, das den Vorgaben des Polizeigesetzes entspricht. Das sollte man so beibehalten.

Also denken Sie nicht daran, die aktuell zehn Kameras an verschiedenen Punkten der Altstadt zu ergänzen?

Wesseler Man könnte natürlich die ganze Altstadt verdrahten. Aber nicht jede Straße dort ist ein gefährlicher Ort im Sinn des Polizeigesetzes.

Müssen wir uns nicht damit abfinden, dass die Aufzeichnungen weniger zum Verhindern als zum Aufklären von Straftaten gebraucht werden?

Wesseler Nach der aktuellen Gesetzeslage dienen Kameras in erster Linie der Gefahrenabwehr. Dass die Bilder auch bei der Aufklärung helfen können, ist ein positiver Nebeneffekt. Wir werden sehen, wie sich das beispielsweise mit den Bodycams weiterentwickelt.

Wann bekommen Düsseldorfer Polizisten diese Einsatzkameras auf die Schulter?

Wesseler Geplant ist das ab Mai.

Noch mal zu den großen Kameras: Die fünf, die vor Weihnachten installiert wurden, sind um Klassen besser als die an der Bolkerstraße. Werden die jetzt ausgetauscht?

Wesseler Das ist wirklich ein enormer Qualitätsunterschied - und deshalb prüfen wir auch hier Optimierungsmöglichkeiten.

Was steht neben den großen Themen für das neue Jahr denn noch auf Ihrer To-do-Liste?

Wesseler Bei aller Terrorgefahr auch die alltäglichen Themen nicht außer Acht zu lassen. Wir überarbeiten gerade unser aktuelles Sicherheitsprogramm, da ist die Polizeipräsenz auf der Straße ein Thema und natürlich auch die Bekämpfung des Wohnungseinbruchs. Wir wollen die Beamten besser ausstatten, etwa mit Laptops im Streifenwagen einen Schritt in die Moderne machen, das Thema Predictive Policing weiterentwickeln, mit dem sich bestimmte Bewegungen von Straftätern vorhersehen lassen können, und natürlich behält auch die Verkehrssicherheit einen hohen Stellenwert.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort